Hoher Krankenstand setzt Unternehmen zu
Neben dem Personalmangel beschäftigen krankheitsbedingte Ausfälle die Firmen in der Region. Welche Branchen besonders betroffen sind und wie sie damit umgehen.
Deutschlandweit sei der durchschnittliche Krankenstand 2023 in der gesetzlichen Krankenversicherung in etwa um 20 Prozent gestiegen, wie Ercin Özlü Pressesprecher der IHK Schwaben angibt. Auch im Augsburger Land ist ein Anstieg der Fehltage bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern spürbar. Worin die Gründe liegen und wie Unternehmen die Gesundheit ihrer Mitarbeiter unterstützen wollen.
Pressereferentin Helga Leirich von der AOK Krankenversicherung be- stätigt einen Anstieg der Fehltage wegen Krankheit. Im Jahr 2021 waren nur rund 4,7 Prozent der AOK-Versicherten im Landkreis Augsburg krank, während es 2022 bereits 6,1 Prozent waren. Die häufigsten und längsten Fehlzeiten entstanden durch Erkrankungen der Atemwege und MuskelSkelett-Erkrankungen. Auf dem dritten Platz rangieren psychische Krankheiten.
Allerdings gebe es Branchen, die deutlich über dem bayernweiten Durchschnitt von 22 Fehltagen liegen, sagt Leirich. In den Top Ten von 2022 sind unter anderem der Handel und Entsorgungsunternehmen mit rund 35 Fehltagen, gefolgt von der Industrie mit rund 34 Krankheitstagen und der Altenpflege mit 33 Tagen. Aber auch die Metallverarbeitung, dazu zählen Schweiß- und Schleifarbeiten und die Baustoffherstellung, liegen weit über dem Durchschnitt, wie Leirich erklärt.
Der wirtschaftliche Schaden ist hoch – in einer Zeit, in der an vielen Stellen Arbeitskräfte fehlen. Ercin Özlü, Pressesprecher der IHK Schwaben, gibt für den Landkreis an: „Für annähernd 60 Prozent unserer Mitgliedsunternehmen ist der Personalmangel ein Risiko.“Das für sich allein betrachtet führe zu Einbußen für die Unternehmen. Kämen dann noch krankheitsbedingte Ausfälle hinzu, verschärfe dies den wirtschaftlichen Schaden.
Krankheitsfälle hätten 2022 in ganz Deutschland schon Kosten in Höhe von 70 Milliarden Euro verursacht – ein Rekordwert. Und ein Minus, das die Unternehmen selbst begleichen müssten. Experten gehen von einer weiteren Steigerung aus, wie Özlü berichtet. Der IHK-Pressesprecher erläutert, dass die Arbeitnehmer im Süden
Deutschlands jedoch weniger krank seien, als jene im Rest des Landes, und damit leicht unter dem Bundesdurchschnitt lägen – ausgenommen die Branchen Industrie und Verkehr.
Die Unternehmen hätten bisher kaum Handlungsspielraum, was die Gesundheit ihrer Angestellten anginge. Sie könnten allerdings die Gesundheit im Betrieb durch ein gezieltes Gesundheitsmanagement durchaus verbessern. Die IHK Schwaben bietet entsprechende Webinare und Beratungen an.
Das Presseteam des Paketversandriesen Amazon gibt nur Auskunft zum Gesundheitsmanagement, nicht zu den Ausfällen durch Krankheit. Laut den Pressesprechern gibt es Ergonomie- und Mobilitätsschulungen für Mitarbeiter an den Logistikzentren, außerdem frisches Obst. Angestellte können höhenverstellbare Packtische und Vakuumheber für schwere Artikel nutzen.
Werner Leyer von Osram in Schwabmünchen berichtet: „Bei uns haben sich die Krankenstände von etwa 4,5 Prozent auf fünf Prozent seit der Pandemie leicht erhöht.“Der Unterschied sei vor allem bei Erkältungswellen spürbar. Im Betrieb gelte deshalb die Faustregel „Besser gescheit auskurieren, als halb krank in die Arbeit schleppen“. Der Betriebsratsvorsitzende sagt, dass in der Fertigung traditionell mehr Leute krank seien. In Schwabmünchen wären die Angestellten trotzdem zusammen mit denen im München am wenigsten krank. Früher hätten die Mitarbeiter zum Teil stundenlang die Flex gehalten und davon zittrige Arme bekommen. Mittlerweile habe die
Firma Osram viel automatisiert, um die Mitarbeiter zu entlasten.
Daneben sei es vor allem der Personalabbau, der den Angestellten psychisch zusetze. Er könne nicht garantieren, dass es noch zehn Jahre weitergehe, sagt Werner Leyer. Deshalb rät Werner Leyer den Führungskräften „einfach mit den Leuten reden und in den Nahkampf gehen“. Zum Personalabbau komme es seit der Einführung der LED vermehrt. Osram sucht seitdem Produktionsnischen, dazu gehören die Beleuchtung von Autos und die Elektronik für Kinoprojektoren. Mitarbeiter für Sport zu begeistern und gesundes Essen in der Kantine wie Obst statt Pudding anzubieten: Das sind Maßnahmen, mit denen Osram seine Angestellten unterstützt, damit diese weiterhin trotz Belastung effizient arbeiten.
AWO-Schwaben-Pressereferentin Daniela Ziegler berichtet über die Angestellten des AWO-Seniorenheims in Schwabmünchen, dass es 2019 eine Krankheitsquote von rund fünf Prozent gab, diese habe sich 2023 auf satte zehn Prozent verdoppelt. Seit der Pandemie beobachte der Leiter des AWO-Seniorenheims Michael Zimmermann, dass „Beschwerden mit der Hüfte, mit den Knien und auch psychische Probleme“zunehmen. Zimmermann führt dies auf die dauerhafte und lang anhaltende Überlastung im Berufsalltag der meisten Angestellten in der Pflege zurück. Die AWO Schwaben bietet ihren Arbeitnehmern einiges, um ihre Gesundheit zu erhalten. Yogaund Sportkurse, sowie gesunde Mahlzeiten inklusive Obstkorb, Massagesessel bis hin zum Fahrradleasing. Der Vorstand der Altenhilfe der AWO Schwaben Dieter Egger moniert, dass ohne politische Maßnahmen auch „ein noch so gutes, betriebliches Gesundheitsmanagement ein Tropfen auf dem heißen Stein“bleibt.
Seit der Pandemie mehr Hüft- und Knieprobleme bei Beschäftigten im AWO-Seniorenheim.