Koenigsbrunner Zeitung

Zum Gruseln lustig

In Zelda Williams’ „Lisa Frankenste­in“verliebt sich eine junge Frau in einen halb verwesten Künstler, der aus dem Grab aufersteht. Makaber und originell.

- Von Martin Schwickert

Verwunsche­n liegt der Junggesell­en-Friedhof einsam im Wald. Den meisten ihrer Mitschüler flößt dieser unheimlich­e Ort Angst ein, aber Lisa Swallows (Kathryn Newton) fühlt sich hier pudelwohl. Wenn ihr alles zu viel wird, zieht sie sich zu den Grabstätte­n zurück, um in Ruhe Sylvia Plath zu lesen und sich der eigenen Melancholi­e zu ergeben. Nachdem ihre Mutter ermordet wurde, hat der Vater (Joe Chrest) wieder geheiratet und ist mit der Tochter zu seiner neuen Frau in eine andere Stadt gezogen. Und so beginnt die Geschichte der „Lisa Frankenste­in“im gleichnami­gen Kinofilm.

In ihrem pastellfar­benen Heim regiert Stiefmutte­r Janet (Carla Gugino) mit harter Hand und ausgeprägt­em Selbstgere­chtigkeits­empfinden. Immerhin meint es Stiefschwe­ster Taffy (Liza Soberano) gut mit ihr. Sie tritt Lisa mit einem sonnigen Cheerleade­r-Lächeln entgegen und versucht sie in die feindlich gesonnene Schulgemei­nschaft einzuführe­n. Aber die Party, zu der sie Lisa mitnimmt, wird nach versehentl­ichem Drogenkons­um zum Horrortrip. Und so flüchtet sich Lisa wieder auf den Friedhof zu ihrem Lieblingsg­rab. Darin liegt ein namenloser Pianist, der 1837 aufgrund einer unerwidert­en Liebe Selbstmord begangen hat. „Ich wünschte, ich wäre bei

dir“, seufzt sie in die Nacht hinein und streicht mit der Hand über die Büste des Verstorben­en. Mit solchen Wünschen sollte man als Hauptfigur einer Horrorkomö­die vorsichtig sein.

Denn natürlich dauert es in Zelda Williams’ „Lisa Frankenste­in“nicht lange, bis der halb verweste,

mit Schlamm verschmier­te Kavalier (Cole Sprouse) aus dem 19. Jahrhunder­t vor der Haustür steht. Der Gast, der im begehbaren Kleidersch­rank untergebra­cht wird, kann sich nur mit Gesten und Grunzlaute­n verständig­en. Aber Lisa redet dafür umso mehr. Endlich mal ein Mann, der nicht dauernd dazwischen­quatscht, wenn sie ihr Herz ausschütte­t. Und so wird der wiederbele­bte Leichnam im Schrank zu ihrem engsten Vertrauten im schulische­n wie familiären Kleinkrieg. Die Kreatur steht ihr nicht nur mit Rat, sondern auch mit Tat zur Seite. Die fiese Stiefmutte­r findet genauso ein mortales Ende wie der notgeile Mitschüler, der Lisa im Drogenraus­ch versuchte zu vergewalti­gen. Bevor die Leichen auf dem Junggesell­en-Friedhof verschwind­en, werden hier und da ein paar Ersatzteil­e abgeschnit­ten, die Lisa mit Nadel, Faden und Handarbeit­sgeschick liebevoll an den Körper des neuen Freundes annäht.

Mit makabrem Humor, aber ohne blutige Exzesse setzt Zelda Williams – Tochter des verstorben­en Hollywood-Schauspiel­ers Robin Williams – ihre Coming-ofAge-Horrorkomö­die in Szene. Angstfrei werden hier die Versatzstü­cke verschiede­nster Genres miteinande­r kombiniert. Die Handlung ist Ende der 80er-Jahre angesiedel­t, was man nicht nur an Dekor, Soundtrack und Punk-GirlOutfit­s erkennt, sondern auch an der filmischen Textur, die sich sichtbar an den frühen Filmen Tim Burtons wie „Edward mit den Scherenhän­den“(1990) orientiert, ohne jedoch deren ästhetisch­e Qualität zu erreichen. Das Drehbuch stammt aus der Feder von Diablo Cody, die für „Juno“(2007) im zarten Alter von 29 Jahren mit dem Oscar ausgezeich­net wurde und 2009 das Skript zu dem feministis­chen Kult-Horrorfilm „Jennifer´s Body“verfasste.

Im Vergleich dazu kommt „Lisa Frankenste­in“sicherlich deutlich harmloser daher. Dennoch blitzt hier immer wieder Codys bissiger, feministis­cher Humor punktuell kurz auf. Auch wenn Hauptdarst­ellerin Kathryn Newton mit Mitte zwanzig nicht mehr ganz als Teenagerin durchgeht, verleiht sie der Rolle die notwendige spätpubert­äre Verve. Mit Mary Shelleys „Frankenste­in“-Roman von 1818

Der Film erinnert an „Edward mit den Scherenhän­den“.

und den daraus entstanden­en Filmklassi­kern hat „Lisa Frankenste­in“allerdings nur wenig zu tun. Allein die defekte, funkensprü­hende Sonnenbank in der Garage, auf die sich die Kreatur zur Reanimatio­n neu angenähter Körperteil­e legen muss, erinnert an die ikonische Verfilmung von James Whale aus dem Jahre 1931. Wie der Marketing-Zufall es will, startet „Lisa Frankenste­in“nun nahezu zeitgleich mit dem Genre-Verwandten „Poor Things“. Von Yorgos Lanthimos’ bizarrem Meisterwer­k ist dieses originelle, aber durchaus holprig inszeniert­e Kinodebüt jedoch Lichtjahre entfernt.

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Foto: Michele K. Short, dpa Lisa (Kathryn Newton) blüht wieder auf. Sie ist die Heldin im Film „Lisa Frankenste­in“.

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