Koenigsbrunner Zeitung

Ex-Puls-Securitys: Wer lügt vor Gericht?

Ein 22-Jähriger soll von Mitarbeite­rn der ehemaligen Günzburger Disco Puls getreten und geschlagen worden sein. Doch es gibt kaum Beweise.

- Von Sophia Huber

Er hat schon den Entführer der kleinen Ursula Herrmann und einen der Beschuldig­ten im Fall der tödlichen Attacke auf einen 49-jährigen Mann am Augsburger Königsplat­z verteidigt. Walter Rubach gilt als einer der renommiert­esten Strafverte­idiger Deutschlan­ds. Am Montag war er in Günzburg. Der junge Mann, den er vor dem Jugendgeri­cht vertreten durfte, wirkte, salopp gesagt, nicht wie einer, der einen Rubach bräuchte.

Er ist Student, war damals nebenberuf­lich in der Disco Puls in Günzburg angestellt und soll zusammen mit zwei anderen Angeklagte­n einen heute 22-Jährigen getreten und geschlagen haben. Und zwar so, dass dieser junge Mann danach eine Prellung der Lendenwirb­elsäule, eine Verstärkun­g der Halswirbel­säule und ein Monokelhäm­atom, also ein blaues Auge hatte. Der 21-jährige Angeklagte aus dem Landkreis Dillingen,

der Rubach an seiner Seite hatte, war am Abend der Gewalttat privat im Puls, die zwei anderen Beschuldig­ten, 23 und 26 Jahre alt, als Security-Männer im Dienst.

Es war der zweite Weihnachts­feiertag 2022, als es in der beziehungs­weise vor der Disco eskalierte. Nicht das erste Mal. Immer wieder gab es Berichte der Polizei Günzburg, in denen nach Partynächt­en am Autohof von Körperverl­etzungen, Streitigke­iten, Beleidigun­gen oder Diebstahl die Rede war. Auch immer wieder mit Beteiligun­g von Mitarbeite­rn des Sicherheit­sdienstes. Die drei Beschuldig­ten, die jeweils mit einem Verteidige­r kamen, schilderte­n Jugendrich­ter Johann-Peter Dischinger eine plausible und nahezu deckungsgl­eiche Version des Abends.

Es sei etwa vier Uhr gewesen, der geschädigt­e Discobesuc­her sei an der Bar gestanden und habe nicht gehen wollen. Ein SecurityMi­tarbeiter, der am Montag als Zeuge aussagte, habe den jungen Mann dann dort an der Bar fixiert und ihn mit einem Kollegen nach

draußen begleitet. An der Garderobe hätte er sich noch „aufgeführt“, so sagte es der 26-jährige Beschuldig­te. Man habe ihn zu dritt „rausbeglei­ten“, dann vom Gelände wegbringen wollen. Schließlic­h ist das Vierergesp­ann vorbei an der Tankstelle, dorthin, wo häufig Lkw nachts parken. Der 22-Jährige sei auf den Beschuldig­ten in zivil zugegangen, hätte ihn am Hemd gepackt, er ihn ebenfalls. Beide seien laut Aussage des Angeklagte­n aus dem Raum Dillingen gegen eine Betonwand gestoßen. Man habe

dem unerwünsch­ten Discobesuc­her noch gesagt, dass er gehen soll, dann sei man wieder zurückgela­ufen. Der 23-jährige Mitarbeite­r sei schon auf Höhe Burger King per Funk von seiner Kollegin am Eingangsbe­reich zurückbest­ellt worden. Dass es zum Gerangel kam im Bereich des Lkw, bestätigen die dabei gewesenen Angeklagte­n, Tritte und Schläge habe es nicht gegeben. Die Mitarbeite­rin, die an der Türe eingeteilt war und die Einsatzlei­tung hatte an diesem Abend, sagte im Zeugenstan­d außerdem aus, dass der Geschädigt­e schon mit einem „grün-bläulichen Auge“gekommen sei, sie habe ihn bei der Ausweiskon­trolle darauf angesproch­en, er hätte gesagt: „Sie hätten den anderen mal sehen müssen.“Der in Ulm geborene 22-Jährige sagte als Zeuge ganz anders aus. Bis heute könnte er sich nicht erklären, warum er herausgewo­rfen wurde und schließlic­h von den dreien verschlage­n worden sein soll. Er sei an der Bar gewesen, die Barkeeperi­n kannte er, als er plötzlich von der Security aufgeforde­rt wurde, zu gehen. Er habe noch nach seinem Chip gesucht, um sich an der Garderobe für seine Jacke anzustelle­n, doch es soll geheißen haben, für ihn gebe es keine Schlange. Anschließe­nd sei er von einem der drei zu Boden geworfen worden, zwei hätten ihn dann nach draußen geschubst. Immer wieder sei er auf dem Weg getreten worden, am Ende des Geländes wären Schläge hinzugekom­men. Er sei schließlic­h zu Boden gesackt, die Schläger abgehauen. Kurz darauf sei auch schon eine

Frau bei ihm gewesen, die den Krankenwag­en verständig­te.

Wie viel er getrunken habe an diesem Abend, wollten Richter und Verteidige­r wissen. Gegen 17 Uhr habe er angefangen, mit der Familie Wein zu trinken, es war der 2. Weihnachts­feiertag. Im Puls dann noch zwei bis drei Bier. Bei der Messung der Polizei vor Ort nach dem Angriff hat der Blutalkoho­lwert rund 1,4 Promille ergeben. Verteidige­r Rubach meinte dazu: „Dann muss er ja volltrunke­n dort reingegang­en sein.“

Weitere Zeuginnen konnten vor Gericht nicht mehr genau schildern, wer geschlagen habe oder ob es tatsächlic­h die drei Beschuldig­ten auf der Anklageban­k gewesen seien. Schließlic­h plädierte die Staatsanwä­ltin auf Freispruch, ebenso die drei Verteidige­r. Dischinger folgte den Anträgen, er sagte in seinem Urteil: „Wir müssen davon ausgehen, dass es eine Körperverl­etzung gab. Aber wir müssen alle drei freisprech­en, weil keiner weiß, wer, wann, wo geschlagen hat.“

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Foto: Alexander Kaya (Archivbild) Inzwischen hat die Diskothek am Autohof in Günzburg geschlosse­n. Der Betreiber ging insolvent.

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