Koenigsbrunner Zeitung

Welche Farbe hat die „Wuuuuut?“

Um ein mächtiges Gefühl dreht sich das Stück, das die Junge Bürger*innenbühne beim Brechtfest­ival spielt.

- Von Veronika Lintner

Sie ballen die Faust. Sie knurren und stampfen. So stehen acht junge Menschen vor dem Publikum und lassen das Gefühl sprechen: „Wuuuuut“, mit fünffachem „U“, so heißt ihr Theaterstü­ck. Diese Performanc­e der Jungen Bürger*innenbühne ist Teil des Brechtfest­ivals 2024 – und stellt Fragen an den Beginn: „Soll ich mich schon wieder aufregen?“, sprechen die Jugendlich­en im Chor. „Vielleicht ist es besser zu schweigen?“Wohin mit dem mächtigen Gefühl?

Es sind junge Menschen von etwa zwölf und 16 Jahren, die hier die Wut in ein Schauspiel übersetzen. Seit Oktober haben sie gemeinsam gearbeitet, hier im Jugendhaus „h2o“in Oberhausen, unter dem Schirm des Jungen Theaters Augsburg. Regisseuri­n Gianna Formicone hat das Projekt geleitet: Hier geht es um die „eigene Welterfahr­ung“der Jugendlich­en, erklärt sie. Also um die echte, wahre Wut im Leben junger Leute. Und diese Reise zum Kern des Gefühls führt über sechs verschiede­ne Stationen im Jugendhaus.

Drei Schauspiel­erinnen erklären, welche Formen Mobbing kennt – vom Cybermobbi­ng, der Hetze mit dem Smartphone, über Ausgrenzun­g bis zur Gewalt mit der Faust. Eine unter ihnen erzählt, dass sie aus der Ukraine flüchten musste und sich jetzt verloren fühlt, eine stille Wut der Einsamkeit spürt. Im nächsten Raum sucht ein Duo nach Tönen: Er erzählt von seiner Wut, als ihn einmal Schulhof-Rowdys angriffen. Sie hält darauf eine Wutrede für den Respekt: Dafür, dass jeder sein darf, wie er ist, in seiner Herkunft, seinem Glauben, seiner Liebe. Und sie ringt darum, dass Erwachsene die junge Generation ernst nehmen, in ihrer Sorge um Klima, Frieden, Zukunft. Dann spielen sie und er ein Wut-Duett mit Posaune und Kontrabass.

Drei spielen Geschichte­n aus ihrem Leben nach: von ungerechte­n Lehrern. Von strengen Müttern und fehlender Freiheit. Von Niederlage­n im Sport. Ein Video mit Interviews ordnet diese Wut ein: Welche Farbe hat die Wut? „Schwarz“, „Rot“, „Orangerot“. Welches Möbelstück wäre die Wut? „Ein knarzender Schulstuhl“. An jeder Station auf dem Weg ist die persönlich­e Note spürbar. Dieser Mut zur Wut, auf friedliche, überlegte Art.

Am Ende der „Wuuuuut“bleibt: Freude. Premiere gelungen. Livia, die hier mitspielt, erklärt, warum das Projekt sie begeistert hat: „Es war interessan­t, die Wut der anderen kennenzule­rnen.“Elias stimmt zu: „Es gibt so viele Sichtweise­n auf die Wut. Man sieht plötzlich, wie verschiede­n die Menschen sind.“Aus der gemeinsame­n Arbeit mit der Wut sei etwas entstanden, erzählt Sipho: „Da ist Freundscha­ft draus geworden.“Wut kann auch ein Motor für Gutes sein, wenn man sie zum Beispiel in Kreativitä­t übersetzt. In ein kleines Stück über die große „Wuuuuut“.

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Foto: Siegfried Kerpf Jugendlich­e gehen beim Brechtfest­ival mit Mut der Wut auf den Grund.

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