Rifat Orhan Alemdar hat Großes vor
Die Start-Stiftung fördert engagierte Schüler und Schülerinnen mit Migrationsgeschichte. Einer von ihnen ist der 16-Jährige aus Königsbrunn.
Rifat Orhan Alemdar – sein Rufname ist Orhan – nimmt an einem Bildungsprogramm teil, in dem sich junge Menschen mit wichtigen Werten wie Demokratie beschäftigen. Der 16-Jährige will aber nicht etwa in die Politik gehen – sein Wunschberuf hat mit dem Universum zu tun.
Orhan stammt aus der Türkei und lebt seit sechs Jahren in Deutschland. Im Heimatland, das die Familie aus politischen Gründen verließ, arbeiteten die Eltern beide als Lehrer. In Deutschland war ihre erste Station Aichach, dort besuchte Orhan zwei Monate lang die Mittelschule. Danach absolvierte er am Peutinger Gymnasium eine sogenannte „IngymKlasse“für ausländische Schüler als Vorbereitung fürs Gymnasium. „In den sechs Monaten habe ich zum Beispiel Deutsch gelernt und die B1-Stufe abgeschlossen“, erzählt er. Orhan weiß sich besser auszudrücken als mancher Muttersprachler in seinem Alter.
Aktuell besucht er die zehnte Klasse am Gymnasium in Königsbrunn, wo die Familie heute wohnt. Die Mutter hat zur Erzieherin umgeschult und der Vater macht ein Praktikum an einer Grundschule. Er will wieder als Physiklehrer arbeiten. „In Deutschland als Lehrer zu arbeiten ist schwer und in Bayern viel mehr“, weiß sein Sohn. „Mein Vater hat gesagt, ich komme nächstes Jahr an deine Schule als Lehrer. Ich habe gesagt: Das kannst du machen – nach meinem Abi“, erinnert sich Orhan scherzhaft.
Seine Eltern seien stolz auf sein Stipendium, das er erstmals vor zwei Jahren auf der Internetseite der Start-Stiftung entdeckte. Als dann sein Klassenkamerad Ahmed davon erzählt hat und ihn überzeugen wollte auch teilzunehmen, hat sich Orhan beworben. „Ahmed hat mir alles über das Stipendium erzählt, wie es funktioniert und das hat mir gefallen.“Das war im Mai vergangenen Jahres. Seit September ist der Königsbrunner bei dem Bildungsprogramm, das über drei Jahre läuft, dabei.
Dieses Jahr wurden in Bayern 14 Stipendiaten ausgewählt. Eine demokratische Haltung zu fördern, ist das Hauptziel der Start-Stiftung. Dafür wird den Stipendiaten, die alle einen Einwanderungshintergrund haben und sich durch gute schulische Leistungen sowie soziales Engagement auszeichnen, ein vielfältiges Programm geboten: In Workshops, Vorträgen und Exkursionen können sich die Schülerinnen und Schüler zu Themen wie Rassismus, Cybermobbing, Klimawandel und Feminismus
weiterbilden. Dazu gibt es ein jährliches Fördergeld von 1000 Euro.
Die Veranstaltungen, die die Stipendiaten neben der Schule in ihrer Freizeit besuchen, sind alle freiwillig. „Im Halbjahr an mindestens zwei Veranstaltungen teilzunehmen, wäre aber gut“, sagt Orhan. Manche finden online statt, andere in Präsenz. Seine erste Veranstaltung war eine zweitägige Fortbildung in München. „Da haben wir ein Seminar über Demokratie gehabt, also was versteht man unter Demokratie und was sind die Werte von Demokratie.“Gemeinsam mit den anderen „Stipis“, wie sich die Teilnehmer untereinander nennen, hat er diese Werte erarbeitet und diskutiert. „Man trifft sehr nette Menschen, das ist wie eine große Familie.“
Das Seminar fand Orhan interessant
und hilfreich, vor allem die Kommunikation gefällt ihm. „Unser Landeskoordinator David hat gesagt: Ihr werdet euch als Person weiterentwickeln und neue Fähigkeiten entwickeln.“Erst habe der Jugendliche das unterschätzt. „Aber ich merke jetzt schon nach drei Veranstaltungen, wie es mich verändert“, beobachtet er. Die nächste Fortbildung ist in Leipzig, dann werden Diversität und Vielfalt thematisiert. Orhan freut sich schon: „Ich will mich in verschiedenen Bereichen weiterentwickeln und meine Kommunikationsfähigkeit
fördern. Da bekommt man viel mit.“Ob er etwas verändern will? „Momentan nicht, ich möchte noch Erfahrungen sammeln.“Über Politik zu reden, gefällt Orhan nicht. „Die Rolle der Popularität in der Politik gefällt mir nicht. Sie sollte nur ein Hilfsmittel sein, um den Menschen zu helfen“, betont er. Auch wenn es Sachen gebe, die nicht so gut sind, will er Deutschland nicht kritisieren. „Wir sind ja eingewandert, weil Deutschland ein gerechteres und sozial besseres Land ist als andere Länder.“Generell sollten junge Menschen seiner Meinung nach weniger über Politik reden – mehr über technologische Entwicklungen und Wissenschaft.
Wenn der Jugendliche nicht gerade in der Schule oder in Seminaren sitzt, spielt er Fußball beim TSV Haunstetten. „Früher habe ich Basketball und Fußball gespielt, jetzt nur noch Fußball.“Beides sei ihm zu viel geworden. In der Schule ist er gut, vor allem in naturwissenschaftlichen Fächern. „Ich habe Interesse an Physik, deswegen will ich Astrophysiker werden oder Ingenieur“, sagt der 16-Jährige. Er habe auch schon überlegt, erst Physik und dann Lehramt zu studieren. „Meine Eltern haben aber gesagt: Lass das lieber.“Sein größter Wunsch wäre, Astrophysik in den USA zu studieren, seine beiden Schwestern studieren ebenfalls dort. Es ist aber nicht so einfach, angenommen zu werden, weiß Orhan: „Soziale Aktivitäten verlangen die da zum Beispiel.“Jetzt arbeitet er aber erst mal auf das Abitur hin, mit einer individuellen Lernzeitverkürzung will er die 11. Klasse überspringen.
Politik sollte nur ein Hilfsmittel sein, um Menschen zu helfen.