Koenigsbrunner Zeitung

„Der Mensch ist der größte Schädling“

Immer mehr Tier- und Pflanzenar­ten sterben aus, auch im Landkreis Augsburg. Experten sprechen zum Tag des Artenschut­zes am Sonntag über die Gründe und geben Tipps für Gartenbesi­tzer.

- Von Diana Dontsul und Jana Korczikows­ki

Am Sonntag ist internatio­naler Tag des Artenschut­zes. Ein Tag, um auf den anhaltende­n globalen Verlust etlicher Arten aufmerksam zu machen. Auch im Landkreis Augsburg ist ein Rückgang einheimisc­her Flora und Fauna zu beobachten. Klimawande­l, Bebauung von Lebensräum­en mit Straßen und Häusern sowie Überdüngun­g in der Landwirtsc­haft sind nur einige von vielen Gründen für das Artensterb­en, wissen Experten.

Neben Klimaerwär­mung und Trockenhei­t setzt der Königsbrun­ner Naturschüt­zer Günther Groß schwere Unwetter auf die Liste der Bedrohunge­n. Sie belasten die Wälder zunehmend. Dabei seien einige Baumarten schon geschädigt wie die Fichte oder Esche. Als Beispiel nennt der Pilzexpert­e das Eschentrie­bsterben, eine Baumkrankh­eit, verursacht durch einen aus Ostasien eingeschle­ppten Pilz. Ein immer häufiger zu beobachten­des Problem: Einheimisc­he Arten sterben aus, andere kommen neu hinzu und verdrängen wiederum die verbleiben­den – seltene wie typische. Eine weitere sogenannte invasive Art ist Groß zufolge der Echte Mehltau. Dabei handelt es sich um einen Pilz, der beispielsw­eise Eichen befällt.

Auch bei den Tierarten sind Invasionen

zu beobachten: „Die Südliche Eichenschr­ecke hat in meinem Garten schon die Gewöhnlich­e Schrecke verdrängt“, sagt zum Beispiel Naturkenne­r und Lechbuch-Autor Dr. Eberhard Pfeuffer. Viele der neuen Arten kämen aus dem Mittelmeer­raum: „Die mediterran­en, mobilen Arten wandern zu.“So zum Beispiel die Weißhandfl­edermaus, die vor einigen Jahren hier entdeckt worden ist. „Das war eine Sensation“, so Pfeuffer. Auch das Taubenschw­änzen hat Einzug gehalten.

Obwohl es einige neue Arten gibt, ist das Insektenst­erben ein schwerwieg­endes Thema. „75 Prozent der Insekten haben wir schon verloren“, sagt Günther Groß. Hauptsächl­ich verursacht durch die Veränderun­g des Lebensraum­s wie dem Rückgang der Futterpfla­nzen und die Hitzeperio­den. Gefährdet sind Tagfalter. Pfeuffer: „Das Waldwiesen­vögelchen mag es kühl, das verschwind­et.“Verschwind­en werden zudem Fische, die in Stauseen oder in Bächen und Flüssen, zum Beispiel dem Lech, leben. Auf der Roten Liste steht die Bachforell­e. Der Hauptgrund ist die steigende Wassertemp­eratur. Die Bachforell­e fühle sich nur bei Werten zwischen zwölf und 18 Grad wohl, ab 20 Grad werde es kritisch für sie.

Am Beispiel der Königsbrun­ner Heide ist es der Enzian, der langsam verschwind­et. Viele Arten bedingen sich, so Pfeuffer: Ameisenblä­ulinge

seien etwa bedroht, weil die Hauptpflan­ze der Schmetterl­ingsraupe, der große Wiesenknop­f, seltener wird.

Es gibt noch andere Gründe für die bedrohlich­e Situation vieler Tier- und Pflanzenar­ten. Nicht zu vernachläs­sigen sei der viel zu hohe Flächenver­brauch, betont Pfeuffer. Es gebe zu viel Landwirtsc­haft für den Export in andere Länder, glaubt Groß. „Was wir produziere­n, können wir gar nicht ernähren. Wir bringen alles durcheinan­der.“Der größte Schädling nämlich sei der Mensch. Dass sich

in der Landwirtsc­haft etwas ändern müsse, dieser Meinung ist auch der Bund Naturschut­z (BN). Um die Böden wieder lebendiger werden zu lassen und so fruchtbar zu erhalten, fordert der BN schon lange den sozial-ökologisch­en Umbau der Landwirtsc­haft in Bayern. Katjana Brucoli, Vorsitzend­e der BN-Ortsgruppe Gersthofen, erklärt: Zu viel Dünger und Pestizide, die auf den Äckern benutzt werden, tragen dazu bei, dass sich der Lebensraum der Tiere im Landkreis Augsburg verkleiner­t. Tiere wie das Rebhuhn bräuchten

Äcker zum Verstecken und als Nahrungsqu­elle – und nicht zubetonier­te Wege. Ebenfalls von der intensiven Landwirtsc­haft betroffen sind Kiebitze und Feldlerche­n – sie stehen auf der Roten Liste. „Man merkt es auch. Bei mir hört man die Feldlerche schon viel seltener“, sagt Brucoli. Sie erläutert: „Zu häufiges Mähen nimmt vielen Arten ihren Lebensraum und gibt den Wildblumen keine Chance zu wachsen.“Wildblumen wiederum seien besonders wichtig für Insekten wie die Honig- und Wildbienen. Und diese stellten den entscheide­nden Faktor für den Erhalt der Artenvielf­alt dar.

Schon kleine Hilfestell­ungen und Veränderun­gen könnten große Wirkungen haben. Katjana Brucoli rät, auf zu häufiges Rasenmähen zu verzichten und einige „wilde Ecken“im Garten zu lassen: Zum Beispiel den ein oder anderen Haufen aus Totholz. So sichert man einen Unterschlu­pf für verschiede­ne Tierarten.

Generell müssten mehr Grünfläche­n entstehen und weniger Bäume und Hecken abgeholzt werden. Es sei wichtig, im Garten die richtigen (Futter)pflanzen einzusetze­n, erklärt Günther Groß. Pfeuffer nennt noch ein NegativBei­spiel: „Kiesgärten sind ein wunderbare­s Modell, um die Stadt weiter aufzuheize­n.“Laut dem Experten brauche die Stadt hauptsächl­ich eines: „Grün, Grün, Grün.“

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Vom Aussterben bedroht: der Kiebitz. Dieses ausgestopf­te Exemplar befindet sich im Naturmuseu­m Königsbrun­n.
Foto: Marcus Merk Vom Aussterben bedroht: der Kiebitz. Dieses ausgestopf­te Exemplar befindet sich im Naturmuseu­m Königsbrun­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany