Koenigsbrunner Zeitung

Er hat noch lange nicht fertig

Giovanni Trapattoni trainierte die Bayern, Inter, Juventus, Italien, Irland und den Vatikan. In Deutschlan­d erinnert man sich vor allem an seine Wutrede. Nun wird er 85 Jahre alt.

- Von Florian Eisele

Beinahe wäre diese Weltkarrie­re beendet gewesen, bevor sie überhaupt begonnen wurde. Als Giovanni Luciano Giuseppe Trapattoni 14 Jahre alt war, starb sein Vater. Das Geld war knapp in der Bauernfami­lie, in der Giovanni als jüngstes von fünf Kindern geboren wurde und nun zum Unterhalt beitragen musste. In der Druckerei, in der sein Bruder bereits arbeitete, sollte er 90.000 Lire verdienen. Von seinem damaligen Verein gab es nur 14.000 Lire, weswegen der talentiert­e Nachwuchsk­icker seinen damaligen Trainer bat, ihn freizugebe­n. Trainer Vianni leistete Überzeugun­gsarbeit und bat seinen Abwehrspie­ler, beim Fußball zu bleiben.

Es sollte sich auszahlen, wie Trapattoni Jahre später sagte: „Dafür bin ich ihm immer dankbar.“Wenn Giovanni Trapattoni am Sonntag seinen 85. Geburtstag feiert – vielleicht in Talamone in der Toskana, wo er auch eine Zweitwohnu­ng mit Blick auf den Yachthafen besitzt – wird er auf eine der größten Karrieren zurückblic­ken, die es im Fußball gegeben hat.

Trapattoni wurde zwar als Spieler mit dem AC Milan Meister und Nationalsp­ieler, fand seine Erfüllung aber an der Seitenlini­e. Er, den sie wegen seiner Disziplin „il tedesco“(den Deutschen) nennen, gilt bis heute als erfolgreic­hster italienisc­her Trainer, holte mit Juventus Turin und Inter Mailand sieben Mal den Scudetto, also den Meistertit­el in seiner Heimat. Dazu kommen der Landesmeis­tercup, gleich drei Mal der Uefa-Cup und Titel in Deutschlan­d, Portugal und Österreich. Aber, schon klar: An die denkt man zumindest in Deutschlan­d erst als Zweites und stattdesse­n an seine legendäre Wutrede bei einer Pressekonf­erenz als Trainer des FC Bayern. Nach einer Niederlage gegen den FC Schalke im März 1998 war „il Trap“der Kragen geplatzt. Weniger wegen der Pleite an und für sich und mehr wegen des Umstands, dass gleich mehrere Spieler seine Taktik kritisiert hatten: Mario Basler, Mehmet Scholl und eben Thomas Strunz, was im legendären „Was erlaube Strunz?!“gipfelte. Die Annahme,

dass die Bayern-Profis gespielt hätten „wie eine Flasche leer“fand ebenso Eingang in den allgemeine­n Sprachgebr­auch wie „Ich habe fertig.“

Ohnehin, die Sprache. Klar kann man über das Mischmasch aus Deutsch, Italienisc­h und Englisch schmunzeln, das Trapattoni auszeichne­te. Zur Wahrheit gehört es aber auch, dass der Lombarde mit 57 Jahren erstmals eine nicht-italienisc­he Mannschaft trainiert hatte und in diesem Alter sich an deutsche Vokabeln und Grammatik wagen musste. Als einer der begehrtest­en Trainer der Welt und erster Bundesliga-Italiener übernahm er 1994 den FC Bayern und mühte sich in seiner Zeit beim Rekordmeis­ter an Subjekt, Verb und Prädikat ab. Als er 1998 Abschied nahm, lautete sein Fazit trotz vieler gewonnen Herzen, der Meistersch­aft und des DFB-Pokals: „Bei allem, was ich Bayern München gezeigt und gegeben habe– mehr war einfach nicht mehr möglich. Auch weil ich sprachlich limitiert war.“

Das hielt Trapattoni aber nicht davon ab, in der Folge zum Wandervoge­l zu werden. Nach Stationen

in Florenz und als italienisc­her Nationaltr­ainer holte er mit Benfica Lissabon in Portugal den ersten Meistertit­el seit elf Jahren, versuchte sich nochmals in der Bundesliga beim VfB Stuttgart, gewann mit Lothar Matthäus als CoTrainer den ersten Ligatitel von Red Bull Salzburg und führte Irland mit 72 als Nationaltr­ainer zur Europameis­terschaft. Schon während seiner Zeit in Irland verantwort­ete der strenggläu­bige Katholik noch ab und an Spiele der Nationalma­nnschaft des Vatikans. Die entspannte Komponente: Weil nur ein paar Hundert Menschen die Staatsbürg­erschaft des kleinsten Landes der Welt haben und diese meist zu Hause gebraucht werden, ist an Auswärtssp­iele nicht zu denken.

Das wiederum sei mit seiner Ehefrau Paola Trapattoni gut zu vereinbare­n, die die Nase vom dauernden Reise gestrichen voll habe, verriet Trap selbst einmal. Gut möglich, dass statt in der Toskana im heimischen Cusano Milanino gefeiert wird. Eines ist sicher: Um Fußball wird es auch dann noch gehen.

 ?? Foto: Andreas Gebert, dpa ?? Giovanni Trapattoni gewann in Deutschlan­d auch die Herzen von Menschen, die es nicht so eng mit seinem Ex-Klub FC Bayern halten.
Foto: Andreas Gebert, dpa Giovanni Trapattoni gewann in Deutschlan­d auch die Herzen von Menschen, die es nicht so eng mit seinem Ex-Klub FC Bayern halten.

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