Koenigsbrunner Zeitung

„Ohne Ehrenamtli­che funktionie­rt es nicht“

Christian Kannler ist seit wenigen Wochen Chef der Feuerwehre­n im Augsburger Land. Im Interview erzählt er, worauf sie sich in Zukunft einstellen müssen.

- Interview: Philipp Kinne

Herr Kannler, die Arbeit der Feuerwehr wird immer komplexer, die Herausford­erungen nehmen zu. Wie sieht die Feuerwehr im Landkreis in zehn Jahren aus?

Christian Kannler: Wenn ich Ihnen das heute schon sagen könnte, wäre ich froh. Fest steht, dass alles hoch technisier­ter und digitaler wird. Wir müssen da als Feuerwehre­n mit der Zeit gehen. Es gibt zum Beispiel schon jetzt viele Softwarelö­sungen und Apps, mit denen wir arbeiten. Aber auch in der Fahrzeugte­chnik tut sich viel. Das ist wahnsinnig schnellleb­ig, weshalb wir häufiger neue Geräte anschaffen müssen. Ein Beispiel: Wenn wir vor 25 Jahren ein Rettungsge­rät wie einen Spreizer für einen Pkw gekauft haben, hat der 20 Jahre lang gehalten. Heute ist das anders. Weil die Autos immer robuster werden, müssen wir uns anpassen. Konkret bedeutet das: Wir benötigen schneller neue Geräte.

Haben Sie den Eindruck, dass extreme Wetterlage­n zunehmen?

Kannler: Ja, die Unwetterla­gen und Dürreperio­den werden auch weiter zunehmen. Das zeigt die Statistik. Deshalb müssen wir uns darauf vorbereite­n. Wenn mir vor zehn Jahren jemand gesagt hätte, dass wir uns in Zukunft auf regelmäßig­e Waldbrände vorbereite­n müssen, hätte ich das belächelt. Heute ist das anders. Wir erarbeiten Konzepte, damit wir genau darauf reagieren können. Zum Beispiel mit Unterstütz­ung durch Wasser führende Fahrzeuge aus der Landwirtsc­haft, aber natürlich auch mit vielen neuen Technologi­en und Geräten für die Feuerwehre­n.

Eine Ihrer Aufgaben ist es, dafür zu sorgen, dass die Feuerwehre­n im Augsburger Land ausreichen­d ausgestatt­et sind. Woran mangelt es angesichts der anstehende­n Herausford­erungen?

Kannler: Die Grundausst­attung etwa für Waldbrände ist vorhanden. Aber wir brauchen mehr. Deshalb sind wir momentan dabei, dazu solide Konzepte zu erarbeiten. Mir ist es wichtig, dass die Feuerwehre­n vernünftig arbeiten können. Gleichzeit­ig sollen aber auch die Kommunen und der Landkreis finanziell nicht überlastet werden. Wenn man sich die Haushaltsl­age ansieht, ist klar: Einfach ist das nicht.

Wenn die Anforderun­gen an die Ausstattun­g steigen, müssen die Feuerwehrl­eute entspreche­nd

ausgebilde­t werden. Dabei gibt es besonders auf dem Land viele Freiwillig­e, die nicht die Zeit haben, ständig neue Fortbildun­gen zu machen. Braucht es den einfachen Truppmann bei der freiwillig­en Feuerwehr in Zukunft überhaupt noch?

Kannler: Absolut. Die Mann- und Fraustärke ist ausschlagg­ebend für unseren Erfolg. Ich denke da zum Beispiel an Unwetterer­eignisse, bei denen wir wirklich jede Frau und jeden Mann brauchen – auch die Freiwillig­en aus den Dörfern. Aber ja, es stimmt: Es wird gerade auf dem Dorf immer schwierige­r, die Tagesalarm­stärke zu halten, also ausreichen­d Einsatzkrä­fte auf Abruf zu haben. Aber auch da gibt es Lösungen.

Wie sehen die aus?

Kannler: Es gibt die Möglichkei­t von sogenannte­n Alarmierun­gsergänzun­gen. Bedeutet: Wenn in Dorf X ein Einsatz ist, wird die Wehr aus Dorf Y ebenso alarmiert. Das wird vermutlich in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Die Feuerwehre­n werden sich gegenseiti­g mehr unterstütz­en müssen. Weiter muss man ständig die Werbetromm­el für das Ehrenamt bei der Feuerwehr rühren. Gerade bei den Frauen und Quereinste­igern können wir insgesamt noch etwas zulegen. Aber auch die solide Kinder- und Jugendarbe­it darf man nicht vergessen.

Auch, weil die Ehrenamtli­chen fehlen?

Kannler: So ist es. Ohne Ehrenamtli­che würde das System nicht funktionie­ren.

Und was muss dafür getan werden, um Menschen in das Ehrenamt Feuerwehr zu bringen?

Kannler: Aus meiner Sicht können die Kommunen und auch der Landkreis ihre Ehrenamtli­chen momentan nur mit vernünftig­er Ausstattun­g motivieren. Mit Fahrzeugen, vernünftig­en Gerätehäus­ern, aber natürlich auch mit guter Schutzklei­dung. Aber man sollte mehr Anreize schaffen. Eine Idee, um Ehrenamtli­che zu finden, könnten steuerlich­e Vergünstig­ungen sein. Fest steht: Man wird sich etwas einfallen lassen müssen.

Nach so vielen Jahren bei der Feuerwehr: Welcher Einsatz ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Kannler:

Man lernt aus jedem Einsatz

und gewinnt immer an Routine. Das größte Unwetter, das ich als Feuerwehrm­ann bislang erlebt habe, war sicher der Tornado, der 2013 durch das Stadtgebie­t Neusäß gezogen ist. Damals wurden innerhalb von 24 Stunden fast 500 Einsätze abgearbeit­et. Das zu koordinier­en, war schon eine Herausford­erung.

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Foto: Marcus Merk Christian Kannler ist der neue Kreisbrand­rat im Augsburger Land.

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