„Ohne Ehrenamtliche funktioniert es nicht“
Christian Kannler ist seit wenigen Wochen Chef der Feuerwehren im Augsburger Land. Im Interview erzählt er, worauf sie sich in Zukunft einstellen müssen.
Herr Kannler, die Arbeit der Feuerwehr wird immer komplexer, die Herausforderungen nehmen zu. Wie sieht die Feuerwehr im Landkreis in zehn Jahren aus?
Christian Kannler: Wenn ich Ihnen das heute schon sagen könnte, wäre ich froh. Fest steht, dass alles hoch technisierter und digitaler wird. Wir müssen da als Feuerwehren mit der Zeit gehen. Es gibt zum Beispiel schon jetzt viele Softwarelösungen und Apps, mit denen wir arbeiten. Aber auch in der Fahrzeugtechnik tut sich viel. Das ist wahnsinnig schnelllebig, weshalb wir häufiger neue Geräte anschaffen müssen. Ein Beispiel: Wenn wir vor 25 Jahren ein Rettungsgerät wie einen Spreizer für einen Pkw gekauft haben, hat der 20 Jahre lang gehalten. Heute ist das anders. Weil die Autos immer robuster werden, müssen wir uns anpassen. Konkret bedeutet das: Wir benötigen schneller neue Geräte.
Haben Sie den Eindruck, dass extreme Wetterlagen zunehmen?
Kannler: Ja, die Unwetterlagen und Dürreperioden werden auch weiter zunehmen. Das zeigt die Statistik. Deshalb müssen wir uns darauf vorbereiten. Wenn mir vor zehn Jahren jemand gesagt hätte, dass wir uns in Zukunft auf regelmäßige Waldbrände vorbereiten müssen, hätte ich das belächelt. Heute ist das anders. Wir erarbeiten Konzepte, damit wir genau darauf reagieren können. Zum Beispiel mit Unterstützung durch Wasser führende Fahrzeuge aus der Landwirtschaft, aber natürlich auch mit vielen neuen Technologien und Geräten für die Feuerwehren.
Eine Ihrer Aufgaben ist es, dafür zu sorgen, dass die Feuerwehren im Augsburger Land ausreichend ausgestattet sind. Woran mangelt es angesichts der anstehenden Herausforderungen?
Kannler: Die Grundausstattung etwa für Waldbrände ist vorhanden. Aber wir brauchen mehr. Deshalb sind wir momentan dabei, dazu solide Konzepte zu erarbeiten. Mir ist es wichtig, dass die Feuerwehren vernünftig arbeiten können. Gleichzeitig sollen aber auch die Kommunen und der Landkreis finanziell nicht überlastet werden. Wenn man sich die Haushaltslage ansieht, ist klar: Einfach ist das nicht.
Wenn die Anforderungen an die Ausstattung steigen, müssen die Feuerwehrleute entsprechend
ausgebildet werden. Dabei gibt es besonders auf dem Land viele Freiwillige, die nicht die Zeit haben, ständig neue Fortbildungen zu machen. Braucht es den einfachen Truppmann bei der freiwilligen Feuerwehr in Zukunft überhaupt noch?
Kannler: Absolut. Die Mann- und Fraustärke ist ausschlaggebend für unseren Erfolg. Ich denke da zum Beispiel an Unwetterereignisse, bei denen wir wirklich jede Frau und jeden Mann brauchen – auch die Freiwilligen aus den Dörfern. Aber ja, es stimmt: Es wird gerade auf dem Dorf immer schwieriger, die Tagesalarmstärke zu halten, also ausreichend Einsatzkräfte auf Abruf zu haben. Aber auch da gibt es Lösungen.
Wie sehen die aus?
Kannler: Es gibt die Möglichkeit von sogenannten Alarmierungsergänzungen. Bedeutet: Wenn in Dorf X ein Einsatz ist, wird die Wehr aus Dorf Y ebenso alarmiert. Das wird vermutlich in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Die Feuerwehren werden sich gegenseitig mehr unterstützen müssen. Weiter muss man ständig die Werbetrommel für das Ehrenamt bei der Feuerwehr rühren. Gerade bei den Frauen und Quereinsteigern können wir insgesamt noch etwas zulegen. Aber auch die solide Kinder- und Jugendarbeit darf man nicht vergessen.
Auch, weil die Ehrenamtlichen fehlen?
Kannler: So ist es. Ohne Ehrenamtliche würde das System nicht funktionieren.
Und was muss dafür getan werden, um Menschen in das Ehrenamt Feuerwehr zu bringen?
Kannler: Aus meiner Sicht können die Kommunen und auch der Landkreis ihre Ehrenamtlichen momentan nur mit vernünftiger Ausstattung motivieren. Mit Fahrzeugen, vernünftigen Gerätehäusern, aber natürlich auch mit guter Schutzkleidung. Aber man sollte mehr Anreize schaffen. Eine Idee, um Ehrenamtliche zu finden, könnten steuerliche Vergünstigungen sein. Fest steht: Man wird sich etwas einfallen lassen müssen.
Nach so vielen Jahren bei der Feuerwehr: Welcher Einsatz ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Kannler:
Man lernt aus jedem Einsatz
und gewinnt immer an Routine. Das größte Unwetter, das ich als Feuerwehrmann bislang erlebt habe, war sicher der Tornado, der 2013 durch das Stadtgebiet Neusäß gezogen ist. Damals wurden innerhalb von 24 Stunden fast 500 Einsätze abgearbeitet. Das zu koordinieren, war schon eine Herausforderung.