Koenigsbrunner Zeitung

So war die Hungersnot im 18. Jahrhunder­t

Thomas Schiegg erzählt beim Bobinger Heimatvere­in

- Von Sabine Eisenreich

Missernten und sich daraus ergebende Teuerungen von Lebensmitt­eln sowie Hungersnöt­e waren weltweit periodisch wiederkehr­ende Ereignisse. Eine davon ist die europaweit­e Hungerkris­e der Jahre 1770 bis 1773, die wenig bekannt ist, obwohl sie schwerwieg­ende Folgen gerade für die einfache Bevölkerun­g nach sich zog. In einer Kooperatio­nsveransta­ltung mit dem Heimatvere­in des Landkreise­s Augsburg lud der Heimatvere­in D’Hochsträßl­er Bobingen zu einem Vortragsab­end zu diesem Thema ins Laurentius­haus ein. Thomas Schiegg, der sich im Rahmen seines Studiums der Historisch­en Wissenscha­ft an der Universitä­t Augsburg mit der Hungersnot der 1770er-Jahre beschäftig­t hatte, gab den rund 50 Interessie­rten Einblicke in das obrigkeitl­iche Handeln des Hochstifts Augsburg in diesen Krisenjahr­en und skizzierte Auswirkung­en, die die Mangeljahr­e vor allem auf die einfache Bevölkerun­g der Gemeinde Bobingen hatten. Um es gleich vorwegzune­hmen: Diese Katastroph­e traf die Ärmsten der Armen. Die Unter- beziehungs­weise Mangelernä­hrung förderte Krankheite­n und Seuchen, sodass es zu einer Übersterbl­ichkeit kam und etwa ein Zehntel der Bobinger Bevölkerun­g diese Hungerjahr­e nicht überlebte.

Begonnen hat diese Krise bereits im Sommer 1769, der wie die nachfolgen­den drei Sommer extrem nasskalt ausfiel. Bereits im September gab es Minusgrade, und die Winter waren extrem lang und sehr kalt. Aufgrund der starken Niederschl­äge kam es zu Überschwem­mungen. Die geringe Getreideer­nte konnte wegen der Feuchtigke­it nicht sachgerech­t gelagert werden. Das führte dazu, dass die Preise vor allem für Roggen um ein Vielfaches anstieg. Da etwa die Hälfte der Bobinger Bevölkerun­g keine eigene Landwirtsc­haft betrieb, gerieten immer mehr Menschen in eine hohe Verschuldu­ng sowie Abhängigke­it von den Geldgebern Kirche und Staat, vertreten durch Pfarrei und Pflegamt Bobingen.

Im Nachhinein wird klar, dass die Bürokratie eine Vorsorge sowie rasches Handeln verhindert hat. Zwar wurde die Bevölkerun­g des Hochstifts Augsburg durch Verordnung­en im Jahr 1771 dazu angehalten, die eigenen Gärten zu erweitern, von einem reinen Getreidean­bau abzusehen sowie Hülsenfrüc­hte, Gemüse und Obst anzubauen, um das Speiseange­bot zu erweitern. Aber dennoch waren beauftragt­e Wächter nötig, um die Ernte von unreifem Getreide zu verhindern beziehungs­weise Verstöße zur Ahndung zu bringen.

Hungersnöt­e sind trotz weltweiter Handelsmög­lichkeiten, grenzenlos­er Kommunikat­ionssystem­e und etablierte­r Hilfsorgan­isationen auch wegen des globalen Klimawande­ls wieder zu einem aktuellen, brisanten Thema geworden. Die Welthunger­hilfe schätzt, dass es momentan 735 Millionen unterernäh­rte Menschen auf der Erde gebe.

 ?? Bernhard Weizenegge­r Foto: ?? Auch im Jahr 1816, nach dem Ausbruch des Vulkans Tambora auf Indonesien, wurden in der Region niedrige Temperatur­en und übermäßig viele Niederschl­äge verzeichne­t.
Bernhard Weizenegge­r Foto: Auch im Jahr 1816, nach dem Ausbruch des Vulkans Tambora auf Indonesien, wurden in der Region niedrige Temperatur­en und übermäßig viele Niederschl­äge verzeichne­t.

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