Der lustige Kafka
Die ARD startet ihre Miniserie über den vor 100 Jahren gestorbenen Schriftsteller. Hauptdarsteller ist Joel Basman, der von der Titelfigur zunächst nicht allzu viel wusste und darum viel zu entdecken hatte.
Wie gut haben Sie Franz Kafka gekannt, bevor Sie ihn für die MiniFernsehserie spielen durften?
Joel Basman: Ich hatte ein sehr oberflächliches Wissen. Sein Name war mir natürlich ein Begriff. Ich wusste schon, dass er „Die Verwandlung“geschrieben hat. Aber das war es auch schon.
Haben Sie gezögert, als Ihnen dann die Rolle angeboten wurde?
Basman: Nee, nicht gezögert. Als man mich kontaktierte und mir signalisierte, dass da ein Interesse besteht, habe ich mich erst einmal schnell über Kafka informiert. Und dann war klar: Ich will, dass ich bei der Produktion im Rennen bleibe. Da hat schon der Wikipedia-Eintrag gereicht, um zu sehen, dass Franz Kafka ein spannender Mensch war.
Der Wikipedia-Eintrag war wahrscheinlich nur der Anfang einer intensiven Begegnung mit Kafka.
Basman: Ein ganz kleines Schlüsselloch kann man das nennen.
Was für einen Franz Kafka haben Sie dann entdeckt? Was für einen Menschen?
Basman: Verschiedenste Menschen gab es da, verschiedenste Franz Kafkas. Auch wenn er sehr jung gestorben ist und verhältnismäßig wenig geschrieben hat, kann man selbst bei ihm eine Veränderung wahrnehmen, was ihn mehr beschäftigt hat: die Bürokratie, sprich seine Arbeit; dann stand die Krankheit im Zentrum und die Familie. Das waren doch auch Epochen, wie wir das ja auch zeigen in der Serie. Auf jeden Fall habe ich auch einen sehr lustigen Franz Kafka kennengelernt.
Das würde man gemeinhin nicht vermuten.
Basman: Ja und nein. Ich musste mein Vorurteil aufgeben, dass jemand, der so schreibt, nicht lustig sein kann. Wenn man den Humor hat, den ich jetzt bei Kafka entdeckt habe, muss man auch was im Kopf haben. Kafka hatte dazu auch ein Feingefühl, Empathie und die Fähigkeit, sich in Situationen und in andere hineinversetzen zu können. Auf andere allerdings muss er
teils absurd und harsch in seinen Reaktionen gewirkt haben.
Welche Ebenen bei Kafka waren Ihnen denn besonders wichtig?
Basman: Das Geschriebene war natürlich sehr wichtig, und da vor allem die Briefe. Mit ihnen war es möglich, noch mehr in das Private einzutauchen. Natürlich waren auch Fakten wichtig wie die, dass er der Erstgeborene war. Danach gab es zwei Söhne, die beide gestorben sind. Danach kamen noch drei Töchter, also drei Schwestern. Das hat ihn geprägt, da hat er sicher einen Prinzenstatus in der Familie gehabt. Wir wissen wenig über die Mutter, aber ganz sicher war sie sehr wichtig, sie muss eine essenzielle Rolle in seinem Leben
gespielt haben. Allein schon der Fakt, dass sie Kafkas Brief an den Vater abgefangen hat, sagt sehr viel über ihren Stellenwert aus. Die Mutter hat ihren Sohn da beschützt.
Wie haben Sie sich Ihrem Franz Kafka darstellerisch genähert?
Basman: Also, das ist am Ende natürlich mein Franz Kafka – und jeder darf seine eigene Vorstellung von Franz Kafka natürlich behalten. Für mich waren der Gang und die Sprache sehr wichtig. Wie läuft Franz Kafka? Er hat jeden Tag Sport gemacht, das heißt, er kann also nicht komplett wackelig auf den Beinen gewesen sein, eher das Gegenteil. Und dann war er schon auch eitel und mochte Etikette.
Unanständiges Verhalten fand er nicht so toll. Sich gut anzuziehen dagegen schon.
Das klingt nach dem Versicherungsangestellten Kafka.
Basman: Auf jeden Fall. Und wichtig, um ihn zu verstehen, ist auch, dass er jeden Tag zur Arbeit gegangen ist, dass er nie gefehlt hat, bis die Tuberkulose bei ihm diagnostiziert wurde. Und auch da wollte er noch arbeiten gehen. Krieg musste ausbrechen, dass er nicht zur Arbeit gehen konnte. Das habe ich mit reingenommen in die Rolle.
Wie hat es sich angefühlt, Franz Kafka zu sein?
Basman: Wunderschön, ehrlich gesagt. Er war ein sehr, sehr angenehmer Zeitgenosse. Aber einer, bei dem die Fragezeichen nicht weniger werden.
Was für eine Bedeutung hat Kafka heute für Sie?
Basman: Er fühlt sich familiär für mich an. Ich war jetzt wieder an seinem Grab, das erste Mal seit diesem Dreh. Das hat sich nach einem Ort angefühlt, an dem ich jemanden kenne. Ich habe mehr als ein Jahr jeden Tag mit diesem Menschen in meinen Kopf verbracht, mit seinem Leben und dann auch noch gedreht, also insgesamt anderthalb Jahre.
Wenn Sie jetzt nach den anderthalb Jahren jemandem erklären müssten, warum er so bedeutend ist als Schriftsteller, was würden Sie sagen?
Basman: Lies es, und dann können wir weiterreden. Lies die ersten zehn Seiten von „Die Verwandlung“. Und dann bekommen wir es hin, ein Gefühl zu bekommen, warum er noch heute so wichtig ist.
Was empfehlen Sie zu lesen?
Basman: Nimm dir ein Jahr frei, nimm dir einen PhilosophieCoach, nimm dir einen SchauspielCoach und lese alle Bücher von Rainer Stach. Seine Biografien sind ein Türöffner, aber sie haben auch einen großen Umfang, das kann auch einschüchtern. Jetzt muss ich doch Eigenwerbung machen: Schau die Serie. Das ist das Beste, um den Anschluss zu bekommen.