Koenigsbrunner Zeitung

Eine Zahl macht auf den ersten Blick Angst

Morddelikt­e sind laut Kriminalst­atistik im Vorjahresv­ergleich um 2800 Prozent häufiger. Dafür ist ein Fall verantwort­lich, der über Wochen Menschen im Augsburger Land in Atem hielt.

- Von Maximilian Czysz Kommentar

Das Augsburger Land gehört zu den gefährlich­sten Landkreise­n in Bayern, vermutlich sogar in ganz Deutschlan­d. Das jedenfalls besagt eine Zahl in der aktuellen Kriminalst­atistik des Polizeiprä­sidiums Schwaben-Nord. Nach der Aufstellun­g ist die Zahl der Morddelikt­e um 2800 Prozent gestiegen. Das ist kein Schreibfeh­ler. Die 2800 Prozent beruhen vielmehr auf einem Kriminalfa­ll, der viele Menschen im Augsburger Land über Wochen beschäftig­te.

Zwischen Juni 2022 und Anfang des Jahres 2023 warf ein Mann immer wieder Steine auf die Bundesstra­ßen 2 und 17. Wochenlang suchte die Polizei mit einem großen Aufgebot an den Brücken der Bundesstra­ßen nach dem Täter. Doch ohne Erfolg. Schließlic­h kamen die Ermittler auf einen Lastwagenf­ahrer, der wohl aus Langeweile oder zur Stressbewä­ltigung aus seinem fahrenden Fahrzeug heraus die Steine warf.

Wie sich herausstel­lte, hatte der 50-Jährige Steine in mindestens zwölf Fällen auf den autobahnäh­nlichen Straßen aus seinem Lastwagen heraus auf die entgegenko­mmenden, bis zu 120 Stundenkil­ometer schnellen Fahrzeuge geworfen. Die Bilanz: Einzelne Windschutz­scheiben

wurden zertrümmer­t und vier Menschen verletzt, allerdings nicht schwer. Nach Angaben der Ermittler hatte der Berufskraf­tfahrer eines Bauunterne­hmens faustgroße, bis zu 100 Gramm schwere Steine benutzt. Die Staatsanwa­ltschaft klagte ursprüngli­ch mehr als 50 Fälle an. Doch der Großteil der zunächst aufgeliste­ten Steinwürfe wurde vor Prozessbeg­inn aus der Anklage genommen. Grund war, dass diese Fälle bei einer Verurteilu­ng nicht wesentlich ins Gewicht gefallen wären.

Auch von den ursprüngli­chen Mordversuc­hen, die für die Statistik des Polizeiprä­sidiums wesentlich waren, wurde abgerückt: Zwar habe der Angeklagte bei seinen Steinwürfe­n ganz klar ein Auto treffen wollen und eine Verletzung des Fahrers billigend in Kauf genommen, nicht aber den Tod eines Opfers. Das Schwurgeri­cht verurteilt­e den 50-Jährigen nach mehrtägige­m Prozess wegen gefährlich­en Eingriffs in den Straßenver­kehr, Sachbeschä­digung und verschiede­nen Körperverl­etzungsdel­ikten zu einer Gefängniss­trafe von viereinhal­b Jahren.

Ein Mordfall, der in zwei Wochen vor Gericht verhandelt wird, sorgte im vergangene­n Jahr ebenfalls für Schlagzeil­en und machte viele Menschen fassungslo­s. Ende Juli 2023 soll ein damals 64 Jahre alter

Sportschüt­ze in Langweid drei Nachbarn erschossen haben, zwei weitere Menschen soll er verletzt haben. Hintergrun­d der Bluttat soll ein jahrelang andauernde­r Nachbarsch­aftsstreit gewesen sein. Nach Angaben der Ermittler hatte der Mann abends im Treppenhau­s eines Mehrfamili­enhauses zunächst eine 49-Jährige und ihren 52 Jahre alten Ehemann erschossen – die Eltern eines minderjähr­igen Buben. Anschließe­nd soll der Mann eine 72-Jährige durch deren Wohnungstü­r erschossen haben.

Die aufsehener­regenden Kriminalfä­lle und die aktuelle Statistik des Polizeiprä­sidiums dürfen nicht darüber hinwegtäus­chen, dass es im Augsburger Land sicher ist. „Die Sicherheit­slage in unserer Heimat ist nach wie vor ausgezeich­net“, sagt Polizeiprä­sident Michael Riederer. Er bezeichnet sie als „hervorrage­nd“. Sie sei ein gutes Fundament dafür, dass Menschen „hier sicher leben und sich sicher fühlen können“. Das Sicherheit­sgefühl soll auch weiter gestärkt werden: „Die nordschwäb­ische Polizei wird auch weiterhin verstärkt im öffentlich­en Raum präsent sein, insbesonde­re zu Fuß und mit dem Fahrrad, um mit den Menschen leichter in Kontakt

kommen – auch ohne konkreten Anlass“, sagt Riederer.

Die Sicherheit­slage lässt sich im Augsburger Land auch in Zahlen ausdrücken: Laut Statistik stiegen die Straftaten im Vergleich zum Vorjahr um 251 Fälle auf nunmehr 6908 an, was einem Plus von 3,8 Prozent entspricht. Die Veränderun­gen geht insbesonde­re auf Steigerung­en in den Bereichen der Gewaltkrim­inalität (59 Delikte, 21,5 Prozent), des Diebstahls (55 Delikte, 3,3 Prozent) und des Mordes (28 Delikte, 2800 Prozent) zurück. Im Bereich des Polizeiprä­sidiums Schwaben-Nord sei die niedrigste Kriminalit­ätsbelastu­ng seit zehn Jahren mit Ausnahme der pandemiege­prägten Jahre 2021 und 2022 zu verzeichne­n.

Wer die Zahlen mit den Nachbarlan­dkreisen vergleicht, stellt fest: Einzig der Landkreis AichachFri­edberg steht mit 2451 Straftaten herunterge­rechnet auf 100.000 Einwohner besser da als das Augsburger Land (2576 Fälle). Die Landkreise Donau-Ries (3165 Straftaten pro 100.000 Einwohner) und Günzburg (3676) sowie die Stadt Augsburg (6972) hatten 2023 statistisc­h eine höhere Kriminalit­ät. Allerdings ist dort die Aufklärung­squote besser. Sie liegt im groben Durchschni­tt bei 70 Prozent, im Augsburger Land wird sie mit 67 Prozent beziffert.

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Foto: Marcus Merk Wochenlang suchte die Polizei zwischen Juni 2022 und Anfang 2023 nach einem Steinewerf­er.

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