Mirjam Steiner zelebriert Märchen
Die gelernte Geschichtenerzählerin bringt Märchen aus verschiedenen Ländern in die Stadtbücherei mit – und ein ungewöhnliches Instrument.
„Es war einmal ein Schneider. Der fand in einem Tuchwarengeschäft einen wunderschönen Stoff.“So startete die gelernte Geschichtenerzählerin Mirjam Steiner vom Ammersee ihre Geschichte in der Königsbrunner Stadtbücherei vor rund 20 Zuhörerinnen und Zuhörern. Wer sich nun entspannt nach hinten zurücklehnte und auf den Fortgang des „Tapferen Schneiderleins“wartete, hatte sich geirrt. Denn am „Weltgeschichtentag“, welcher jährlich am 20. März global gefeiert wird, fand keine schriftliche Hinterlassenschaft der Gebrüder Grimm den Weg in die Stadtbücherei. Steiners Geschichte war eine andere.
Die Botschaft der traditionellen
Märchen könne keineswegs nur in Deutschland oder Europa gefunden werden. „Dieselben Motive sind über die ganze Welt verbreitet“, so Steiner, die an diesem besonderen Abend wie zum Beweis je einen Text aus Portugal, Schottland und Italien zum Besten gab. Weil Steiner noch nicht jedem im Raum bekannt war, wurde sie von Hildegard Häfele vorgestellt – die ebenfalls als Märchenerzählerin unterwegs ist und den letztjährigen Weltgeschichtentag vor Ort gestaltet hatte.
In langsamen Sätzen vermittelte Steiner sodann eine Auswahl literarischer Schätze. Das Umständliche, Weitschweifige gehöre zu ihrem Handwerk dazu, meinte sie. Die gebürtige Pfälzerin fabuliert recht häufig: auf Firmenfesten, Seminaren und Feiern aller Art. Ihr beruflicher Weg führte die Märchenfee
zunächst allerdings über die sehr harte Realität einer Münchner Pflegestation. Dort begleitete sie eine betagte Patientin in den letzten Wochen ihres Lebens. Nach dem Tod der Frau erfuhr Steiner, dass diese eine begabte Märchenerzählerin gewesen sei. Zum Dank „für die gute Betreuung durch die Pflegenden und Ärzte erzählte uns ihre Freundin und Kollegin drei Märchen.“
Von da an war die energische Krankenschwester von der Welt des Wunderbaren fasziniert. Sie begann, in bunten Worten zu reden, etwa „vom Mantel, der leuchtet in Farben des Himmels und der Erde“– wie es in einem Märchen heißt, das sie in die Stadtbücherei mitgebracht hat. Es ist ihr ein Anliegen, von der zweieinhalbjährigen Ausbildung an einer Schule für Erzählkultur in der Schweiz zu
berichten. Jeweils an den Wochenenden erfuhr die Mutter von drei erwachsenen Kindern und mittlerweile Großmutter dort alles, was ein sogenannter „Storyteller“so wissen muss.
Im Märchen „Das Zauberschloss“berichtete Steiner von einem für dumm gehaltenen Jungen, der über einige Umwege schließlich eine Königin zur Frau erhält. Nicht schlecht für einen Ziegenhirten, für den sich seine Familie anfangs schämt. Aber es ist ja ein Märchen, da ist so etwas möglich. In unauffälliges Schwarz gekleidet, wiegte sich die Interpretin mit geschlossenen Augen hin und her, um die Stärke der Liebe zu verdeutlichen. Es folgte der Bericht von Tan Lin, ein Beitrag aus Schottland. Zuletzt hörten die Besucher der Veranstaltung einen Text aus den Dolomiten mit dem Titel „Bartoldo“. Der bemerkenswerte Held baut darin schließlich sogar eine Verbindung ins Jenseits – womit das Motto des diesjährigen Weltgeschichtentags, „Brücken bauen“, bestens aufgegriffen wurde.
Zwischen den Märchen griff die Referentin zu einem kleinen ovalen Holzinstrument. Welches nach der Veranstaltung zum Hauptziel der Neugier wurde. So beugten sich etwa Elli Hilgers und Elisabeth Leitschuh über das Ding, mit dem die Märchenfee beseelte Töne erzeugt. „Das ist eine Sansula“, berichtete Steiner, und musste die unbekannte Bezeichnung mehrfach wiederholen: Mit ihrem rätselhalften Namen passte die Sansula jedenfalls bestens zum Rest des Abends. Der Schneider, von dem anfangs die Rede war, hat übrigens nach einigen Umwegen natürlich die schöne Prinzessin bekommen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute ...