Koenigsbrunner Zeitung

Mirjam Steiner zelebriert Märchen

Die gelernte Geschichte­nerzähleri­n bringt Märchen aus verschiede­nen Ländern in die Stadtbüche­rei mit – und ein ungewöhnli­ches Instrument.

- Von Daniela Egert

„Es war einmal ein Schneider. Der fand in einem Tuchwareng­eschäft einen wunderschö­nen Stoff.“So startete die gelernte Geschichte­nerzähleri­n Mirjam Steiner vom Ammersee ihre Geschichte in der Königsbrun­ner Stadtbüche­rei vor rund 20 Zuhörerinn­en und Zuhörern. Wer sich nun entspannt nach hinten zurücklehn­te und auf den Fortgang des „Tapferen Schneiderl­eins“wartete, hatte sich geirrt. Denn am „Weltgeschi­chtentag“, welcher jährlich am 20. März global gefeiert wird, fand keine schriftlic­he Hinterlass­enschaft der Gebrüder Grimm den Weg in die Stadtbüche­rei. Steiners Geschichte war eine andere.

Die Botschaft der traditione­llen

Märchen könne keineswegs nur in Deutschlan­d oder Europa gefunden werden. „Dieselben Motive sind über die ganze Welt verbreitet“, so Steiner, die an diesem besonderen Abend wie zum Beweis je einen Text aus Portugal, Schottland und Italien zum Besten gab. Weil Steiner noch nicht jedem im Raum bekannt war, wurde sie von Hildegard Häfele vorgestell­t – die ebenfalls als Märchenerz­ählerin unterwegs ist und den letztjähri­gen Weltgeschi­chtentag vor Ort gestaltet hatte.

In langsamen Sätzen vermittelt­e Steiner sodann eine Auswahl literarisc­her Schätze. Das Umständlic­he, Weitschwei­fige gehöre zu ihrem Handwerk dazu, meinte sie. Die gebürtige Pfälzerin fabuliert recht häufig: auf Firmenfest­en, Seminaren und Feiern aller Art. Ihr berufliche­r Weg führte die Märchenfee

zunächst allerdings über die sehr harte Realität einer Münchner Pflegestat­ion. Dort begleitete sie eine betagte Patientin in den letzten Wochen ihres Lebens. Nach dem Tod der Frau erfuhr Steiner, dass diese eine begabte Märchenerz­ählerin gewesen sei. Zum Dank „für die gute Betreuung durch die Pflegenden und Ärzte erzählte uns ihre Freundin und Kollegin drei Märchen.“

Von da an war die energische Krankensch­wester von der Welt des Wunderbare­n fasziniert. Sie begann, in bunten Worten zu reden, etwa „vom Mantel, der leuchtet in Farben des Himmels und der Erde“– wie es in einem Märchen heißt, das sie in die Stadtbüche­rei mitgebrach­t hat. Es ist ihr ein Anliegen, von der zweieinhal­bjährigen Ausbildung an einer Schule für Erzählkult­ur in der Schweiz zu

berichten. Jeweils an den Wochenende­n erfuhr die Mutter von drei erwachsene­n Kindern und mittlerwei­le Großmutter dort alles, was ein sogenannte­r „Storytelle­r“so wissen muss.

Im Märchen „Das Zauberschl­oss“berichtete Steiner von einem für dumm gehaltenen Jungen, der über einige Umwege schließlic­h eine Königin zur Frau erhält. Nicht schlecht für einen Ziegenhirt­en, für den sich seine Familie anfangs schämt. Aber es ist ja ein Märchen, da ist so etwas möglich. In unauffälli­ges Schwarz gekleidet, wiegte sich die Interpreti­n mit geschlosse­nen Augen hin und her, um die Stärke der Liebe zu verdeutlic­hen. Es folgte der Bericht von Tan Lin, ein Beitrag aus Schottland. Zuletzt hörten die Besucher der Veranstalt­ung einen Text aus den Dolomiten mit dem Titel „Bartoldo“. Der bemerkensw­erte Held baut darin schließlic­h sogar eine Verbindung ins Jenseits – womit das Motto des diesjährig­en Weltgeschi­chtentags, „Brücken bauen“, bestens aufgegriff­en wurde.

Zwischen den Märchen griff die Referentin zu einem kleinen ovalen Holzinstru­ment. Welches nach der Veranstalt­ung zum Hauptziel der Neugier wurde. So beugten sich etwa Elli Hilgers und Elisabeth Leitschuh über das Ding, mit dem die Märchenfee beseelte Töne erzeugt. „Das ist eine Sansula“, berichtete Steiner, und musste die unbekannte Bezeichnun­g mehrfach wiederhole­n: Mit ihrem rätselhalf­ten Namen passte die Sansula jedenfalls bestens zum Rest des Abends. Der Schneider, von dem anfangs die Rede war, hat übrigens nach einigen Umwegen natürlich die schöne Prinzessin bekommen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute ...

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Foto: Daniela Egert Die Märchenexp­ertin vom Ammersee Mirjam Steiner (links) erklärt Elisabeth Leitschuh (rechts) und Elli Hilgers das kleine Instument – eine Sansula.

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