Jedes zehnte Wirtshaus hat zugesperrt
Rund 14.000 Gaststätten gaben im vergangenen Jahr auf. Woran das liegt und was die Branche von der Politik erhofft.
Die Gastronomie kommt nicht aus der Krise. Etwa 14.000 Betriebe mussten allein im vergangenen Jahr schließen und damit fast jede zehnte Gastwirtschaft in Deutschland. Das ergab eine Erhebung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform. Ein Ende des Wirtshaussterbens ist nicht absehbar.
Viele Betriebe hätten das Dauertief der vergangenen Jahre nie überwunden, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch von Creditreform. Erst brachen die Einnahmen durch Corona ein. Dann folgte die Inflation, die Kaufkraft schwand – und mit ihr schwanden auch die Kundinnen und Kunden. Der Umsatz lag im vergangenen Jahr preisbereinigt 13 Prozent unter dem Wert vor der Pandemie. Viele Gaststätten konnten sich zuletzt nur mit Staatshilfen über Wasser halten. Als diese wegfielen, gaben noch mehr Wirte auf. Obendrauf kommt die erhöhte Mehrwertsteuer, die seit Januar wieder beim ursprünglichen Satz von 19 Prozent liegt. Dadurch dürfte die Zahl der Schließungen weiter steigen, prognostizieren Experten.
Immerhin: In Bayern ist die Dichte an Wirtshäusern immer noch hoch, sagt Hantzsch. Doch auch hier verschwinden Lokale – besonders auf dem Land. „In der Stadt sind die Menschen im Allgemeinen eher bereit – auch aufgrund der durchschnittlich höheren Kaufkraft – die gestiegenen Preise zu zahlen“, erklärt der Experte. „Auf dem Land dagegen erfüllt das Wirtshaus eine noch größere gesellschaftliche Funktion als Begegnungsort“, sagt er. „Doch kann schon seit Jahren beobachtet werden, dass die Konsumenten weniger essen und trinken gehen als noch vor 20 Jahren.“Jüngere Menschen nutzten das WirtshausAngebot zudem deutlich seltener als ältere Generationen.
All das lässt den Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) wenig optimistisch in die Zukunft blicken. Überrascht von den massenhaften Schließungen ist man dort nicht. „Wir haben schon vor der Mehrwertsteuer-Erhöhung darauf hingewiesen, dass das passieren wird“, sagt Angela Inselkammer, Dehoga-Präsidentin in Bayern. Ihre Forderung: „Wir müssen unbedingt auf die sieben Prozent Mehrwertsteuer zurück.“Das Bundesfinanzministerium lehnt dies ab. Die Absenkung sei eine „von vornherein befristete Maßnahme“gewesen, um die Folgen der Coronakrise abzumildern, sagt ein Sprecher des Ministeriums.
Doch nicht nur die Steuer macht den Wirten zu schaffen. „Da ist zum Beispiel die überbordende Bürokratie“, sagt Inselkammer. „Die Summe an Formularen und Aufgaben, die Gastronomen jeden Tag abarbeiten müssen, ist eine enorme Belastung.“Außerdem werde es zunehmend schwer, Arbeitskräfte zu finden. „Wir müssen schauen, dass viel mehr Menschen, die nach Deutschland kommen, auch hier arbeiten können“, fordert sie. „Da tut die Bundesregierung einfach zu wenig.“
Das Bundeswirtschaftsministerium weist die Kritik auf Anfrage zurück. Man habe unter anderem mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf die Bedürfnisse der Gastwirtschaft reagiert. „So dürfen zum Beispiel Nicht-EUAusländerinnen einfacher Nebenjobs ausüben und erhalten mehr Zeit, um ihre berufliche Qualifikation anerkennen zu lassen“, sagt ein Sprecher des Ministeriums. Weitere Maßnahmen sollen folgen. „Auch mit dem Wachstumschancengesetz und dem Bürokratieentlastungsgesetz sind Erleichterungen vorgesehen, von denen das Gastgewerbe profitieren wird.“Wie und wann solche Maßnahmen wirken, bleibt erst einmal offen.
Hantzsch hat für das anstehende Jahr wenig Hoffnung, dass die Zahl der Schließungen zurückgeht: „Die Welle hat gerade erst begonnen“.