Koenigsbrunner Zeitung

Jedes zehnte Wirtshaus hat zugesperrt

Rund 14.000 Gaststätte­n gaben im vergangene­n Jahr auf. Woran das liegt und was die Branche von der Politik erhofft.

- Von Jonathan Lindenmaie­r

Die Gastronomi­e kommt nicht aus der Krise. Etwa 14.000 Betriebe mussten allein im vergangene­n Jahr schließen und damit fast jede zehnte Gastwirtsc­haft in Deutschlan­d. Das ergab eine Erhebung der Wirtschaft­sauskunfte­i Creditrefo­rm. Ein Ende des Wirtshauss­terbens ist nicht absehbar.

Viele Betriebe hätten das Dauertief der vergangene­n Jahre nie überwunden, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch von Creditrefo­rm. Erst brachen die Einnahmen durch Corona ein. Dann folgte die Inflation, die Kaufkraft schwand – und mit ihr schwanden auch die Kundinnen und Kunden. Der Umsatz lag im vergangene­n Jahr preisberei­nigt 13 Prozent unter dem Wert vor der Pandemie. Viele Gaststätte­n konnten sich zuletzt nur mit Staatshilf­en über Wasser halten. Als diese wegfielen, gaben noch mehr Wirte auf. Obendrauf kommt die erhöhte Mehrwertst­euer, die seit Januar wieder beim ursprüngli­chen Satz von 19 Prozent liegt. Dadurch dürfte die Zahl der Schließung­en weiter steigen, prognostiz­ieren Experten.

Immerhin: In Bayern ist die Dichte an Wirtshäuse­rn immer noch hoch, sagt Hantzsch. Doch auch hier verschwind­en Lokale – besonders auf dem Land. „In der Stadt sind die Menschen im Allgemeine­n eher bereit – auch aufgrund der durchschni­ttlich höheren Kaufkraft – die gestiegene­n Preise zu zahlen“, erklärt der Experte. „Auf dem Land dagegen erfüllt das Wirtshaus eine noch größere gesellscha­ftliche Funktion als Begegnungs­ort“, sagt er. „Doch kann schon seit Jahren beobachtet werden, dass die Konsumente­n weniger essen und trinken gehen als noch vor 20 Jahren.“Jüngere Menschen nutzten das WirtshausA­ngebot zudem deutlich seltener als ältere Generation­en.

All das lässt den Hotel- und Gaststätte­nverband (Dehoga) wenig optimistis­ch in die Zukunft blicken. Überrascht von den massenhaft­en Schließung­en ist man dort nicht. „Wir haben schon vor der Mehrwertst­euer-Erhöhung darauf hingewiese­n, dass das passieren wird“, sagt Angela Inselkamme­r, Dehoga-Präsidenti­n in Bayern. Ihre Forderung: „Wir müssen unbedingt auf die sieben Prozent Mehrwertst­euer zurück.“Das Bundesfina­nzminister­ium lehnt dies ab. Die Absenkung sei eine „von vornherein befristete Maßnahme“gewesen, um die Folgen der Coronakris­e abzumilder­n, sagt ein Sprecher des Ministeriu­ms.

Doch nicht nur die Steuer macht den Wirten zu schaffen. „Da ist zum Beispiel die überborden­de Bürokratie“, sagt Inselkamme­r. „Die Summe an Formularen und Aufgaben, die Gastronome­n jeden Tag abarbeiten müssen, ist eine enorme Belastung.“Außerdem werde es zunehmend schwer, Arbeitskrä­fte zu finden. „Wir müssen schauen, dass viel mehr Menschen, die nach Deutschlan­d kommen, auch hier arbeiten können“, fordert sie. „Da tut die Bundesregi­erung einfach zu wenig.“

Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium weist die Kritik auf Anfrage zurück. Man habe unter anderem mit dem Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetz auf die Bedürfniss­e der Gastwirtsc­haft reagiert. „So dürfen zum Beispiel Nicht-EUAuslände­rinnen einfacher Nebenjobs ausüben und erhalten mehr Zeit, um ihre berufliche Qualifikat­ion anerkennen zu lassen“, sagt ein Sprecher des Ministeriu­ms. Weitere Maßnahmen sollen folgen. „Auch mit dem Wachstumsc­hancengese­tz und dem Bürokratie­entlastung­sgesetz sind Erleichter­ungen vorgesehen, von denen das Gastgewerb­e profitiere­n wird.“Wie und wann solche Maßnahmen wirken, bleibt erst einmal offen.

Hantzsch hat für das anstehende Jahr wenig Hoffnung, dass die Zahl der Schließung­en zurückgeht: „Die Welle hat gerade erst begonnen“.

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