Koenigsbrunner Zeitung

Eine Auslieferu­ng wäre unverantwo­rtlich

- Von Simon Kaminski

Der Fall Julian Assange ist aus juristisch­er Sicht ein schrilles Beispiel für Maßlosigke­it und ein Rechtsvers­tändnis, das kalte Rache zum Prinzip erhöht. Seit 13 Jahren ist der 53-Jährige seiner Freiheit beraubt – bei einer Ausweisung in die USA drohen dem Wikileaks-Gründer, der auf Fotos wie ein gebrochene­r Mann wirkt, weitere zig Jahre in Haft. Die USRegierun­g hat dem Whistleblo­wer nicht verziehen, dass er schwerste Kriegsverb­rechen ihrer Streitkräf­te öffentlich gemacht hat – genau dies ist jedoch ein Verdienst dieses Mannes. Gleichzeit­ig blieben USSoldaten, die Gräueltate­n begangen haben, weitgehend straffrei.

Doch auch den Unterstütz­ern von Assange sind die Maßstäbe verrutscht. Tatsächlic­h hat der Egoman mit der Art und Weise seiner Veröffentl­ichungen auch Informante­n gefährdet. Er agierte als Aktivist, setzte Enthüllung­en ein, um Politik zu machen. Je spektakulä­rer seine Erfolge, desto irrlichter­nder, intranspar­enter und selbstherr­licher steuerte er seine Plattform – ihn einen seriösen Journalist­en zu nennen, ist abenteuerl­ich. Zum Helden taugt Julian

Assange nicht. Und doch droht ein Dammbruch für den investigat­iven Journalism­us, sollte Assange in den USA wegen Spionage verurteilt werden. Männer wie Donald Trump hätten ein neues Instrument in der Hand, unliebsame Medien auszuschal­ten.

Auch wenn seine Anhänger falschlieg­en, wenn sie ihr Idol mit Alexej Nawalny vergleiche­n, wirft die Jagd auf Assange einen Schatten darauf, wie auch westliche Demokratie­n bisweilen mit unbequemen Widersache­rn umgehen. Eine Auslieferu­ng würde der Glaubwürdi­gkeit des Westens weiteren schweren Schaden zufügen.

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