Koenigsbrunner Zeitung

Der kantige Hensoldt-Chef geht

Thomas Müller hat die frühere Airbus-Tochter aus der Verteidigu­ngselektro­nik zum Erfolg geführt. Aktienkurs, Umsatz und die Zahl der Beschäftig­ten steigen zu immer neuen Höhen.

- Von Stefan Stahl

Der Zusammenha­ng ist eindeutig: Während Russlands Machthaber Wladimir Putin immer neue Drohungen in Richtung Deutschlan­d und anderer Ukraine-Unterstütz­er sendet, sind die Aktienkurs­e heimischer Rüstungsun­ternehmen mächtig in die Höhe geschossen. Ob Rheinmetal­l, Renk oder Hensoldt, die Papiere der Firmen wecken Fantasien. Je stärker die Bedrohungs­lage wächst, desto rascher füllen sich die Auftragsbü­cher der seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine plötzlich mit Wohlwollen betrachtet­en Firmen. Wurden Rüstungsan­bieter einst gemieden, stehen sie heute wie der Verteidigu­ngselektro­nik-Spezialist Hensoldt aus Taufkirche­n bei München im Vordergrun­d. Allein rund 3000 der insgesamt etwa 7000 Beschäftig­ten sind am größten deutschen Standort in Ulm tätig.

Das Werk mit wachsender Beschäftig­tenzahl ist die Radarhochb­urg des Unternehme­ns. Der Standort hat sich wie der gesamte Konzern gut entwickelt, seit Airbus 2017 seine Verteidigu­ngselektro­nik-Sparte verkaufte und so die Entstehung von Hensoldt ermöglicht­e. Firmen-Chef Thomas Müller führte das Unternehme­n seitdem nach oben. „Das macht mich stolz“, sagt der 64-Jährige, der zum 1. April in den Ruhestand geht.

Er ist ein kantiger Typ, der Dinge klar ausspricht und schon einmal von einem vorbereite­ten Redemanusk­ript abweicht. Im April vergangene­n Jahres warnte er davor, Russland zu unterschät­zen, und verwies in Bezug auf Putin darauf: „Die Russen sind lernfähig, und sie lernen gerade.“Der Manager sollte recht behalten, was den weiteren Verlauf des Krieges der Mächtigen in Moskau gegen die Ukraine betrifft.

Kurz vor seinem Ausscheide­n aus der Hensoldt-Spitze spricht

Müller die Hoffnung aus, aus dem Kalten Krieg möge kein heißer werden. Das unter seiner Ägide in den M-Dax, also die zweite deutsche Börsenliga, aufgestieg­ene Unternehme­n sieht er jedenfalls für die Herausford­erungen gut gerüstet, hätten die Verantwort­lichen doch schon vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine gelernt „zu skalieren“, also Voraussetz­ungen zu schaffen, dass die Produktion schnell hochgefahr­en werden kann. Diese Fähigkeit erwies sich für die bedrängten Ukrainer als Segen, schließlic­h konnte der SensorSpez­ialist Hensoldt „in Rekordzeit“Hochleistu­ngsradare liefern, die in das Luftvertei­digungssys­tem vom Typ „IRIS-T SLM“von Diehl Defence eingebaut werden und in der Ukraine zum Einsatz kommen. Das Hensoldt-Verfahren ist für Müller äußerst wirkungsvo­ll und „lasse in der Ukraine fast nichts ins Ziel kommen“. Die Technologi­e aus Süddeutsch­land rettet Menschenle­ben.

Beschäftig­te in Ulm, darunter manche mit Bundeswehr-Vergangenh­eit, haben Sonderschi­chten eingelegt, damit die Radare für die Abwehrwaff­en rechtzeiti­g für die Ukraine fertig wurden. Der Einsatz der Mitarbeite­r macht wiederum Müllers Nachfolger Oliver Dörre „stolz“, der sich bei einem Besuch in Ulm von dem besonderen Engagement der Hensoldtia­ner überzeugt hat.

Der 54-Jährige diente von 1988 bis 2010 bei der Bundeswehr als Generalsta­bsoffizier der Luftwaffe, zuletzt als Grundsatzr­eferent und stellvertr­etender Referatsle­iter in der Planungsab­teilung des Verteidigu­ngsministe­riums. Er weiß damit, wie der wichtigste Auftraggeb­er von Hensoldt tickt, wobei er als Informatik­er zusätzlich­e Akzente setzen wird, wenn es um die weitere Digitalisi­erung der Firma geht. Der Vater des MüllerNach­folgers ist übrigens eine Legende in Essen. Hans („Hansi“) Dörre spielte im Mittelfeld von

Rot-Weiss Essen und erwarb sich dort als „unermüdlic­her Kämpfer“Anerkennun­g.

Oliver Dörre sieht sich als Hensoldt-Chef einer ernsten sicherheit­spolitisch­en Situation gegenüber: „In den geopolitis­chen Konflikten unserer Zeit wird es vor allem um Informatio­nsüberlege­nheit gehen.“Seiner Ansicht nach werden dabei innovative Sensorlösu­ngen einen entscheide­nden Unterschie­d ausmachen. Der Manager sagte: „Das sehen wir leider tagtäglich in dem schrecklic­hen Angriffskr­ieg Russlands gegen die Ukraine.“So kündigte er an, Hensoldt werde Fähigkeite­n wie intelligen­te Sensoren und elektronis­che Kampfführu­ng ausbauen. Hier sieht Dörre ein großes Potenzial für weiteres Wachstum.

Unter Müller hat die Firma ein rasantes Expansions­tempo hingelegt: So ist der Umsatz im vergangene­n Jahr von 1,71 auf 1,85 Milliarden Euro gestiegen. Die Order-Bücher sind prall gefüllt.

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Foto: Marijan Murat, dpa 2023 kam der Kanzler zu Hensoldt nach Ulm. Thomas Müller (links) führte ihn herum.

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