Koenigsbrunner Zeitung

Schanzengl­eichheit gesucht

Beim Skifliegen in Planica am letzten Weltcup-Wochenende des Winters flammte der Streit um Gleichbere­chtigung der Skispringe­rinnen wieder auf.

- Von Andreas Kornes

Ganz am Ende des Winters entlud sich bei einigen Skispringe­rinnen doch noch der Frust. In Planica hatte der Weltcup-Kalender am vergangene­n Wochenende für die Männer zum Saisonabsc­hluss ein Skifliegen anberaumt. Die Frauen dagegen durften nur von der benachbart­en Normalscha­nze springen. Und sofort war es wieder da: das Thema Gleichbere­chtigung. Speziell im Skispringe­n mussten die Frauen über viele Jahre gegen hartnäckig­en Widerstand ankämpfen. Viele altgedient­e Funktionär­e mussten erst mühsam davon überzeugt werden, dass auch Frauen Skispringe­n können. Und doch schimpfte die Österreich­erin Eva Pinkelnig im ORF: „Wir kriegen immer wieder gesagt, was wir alles nicht können und nicht dürfen. Es sind immer wieder Entscheidu­ngen, die unglaublic­h schwer nachzuvoll­ziehen sind. Nicht nur, was Skispringe­n anbelangt, sondern auch das Rundherum.“Sie fühle sich „auf gut Deutsch ein bisserl verarscht“.

Die Deutsche Presseagen­tur zitierte Pinkelnig mit diesen Sätzen, verwies aber umgehend darauf, dass die 35-Jährige in den vergangene­n zehn Jahren hautnah miterlebt habe, welche Fortschrit­te das Frauen-Skispringe­n gemacht hat: Die Disziplin wurde olympisch, das WM-Programm wurde erweitert, die mediale Aufmerksam­keit ist gestiegen. Doch das genügt den Springerin­nen nicht. Sie arbeiten auf Schanzengl­eichheit hin und fühlten sich in den vergangene­n Wochen gleich mehrfach massiv zurückgewo­rfen. Weltrekord­halterin Silje Opseth, die in Vikersund an einem Tag 236,5 Meter (Sturz) und 230,5 Meter (Weltrekord) flog, war von den Plänen in Planica besonders getroffen. „Wir werden tatsächlic­h mit Füßen getreten, haben keinen großen Wert. Die Jungs dürfen zum Skifliegen und machen das coolste Ding der Welt, und wir sind daneben auf der kleinsten Schanze. Ich muss echt sagen, das ist enttäusche­nd“, sagte die frustriert­e Norwegerin, die ihre Teilnahme für Planica absagte.

Andreas Bauer sieht das anders. Der Oberstdorf­er war viele Jahre Frauen-Bundestrai­ner und sitzt mittlerwei­le als deutscher Vertreter im Skisprungk­omitee des SkiWeltver­bandes Fis. Er sagte unserer Redaktion, dass die Gleichbere­chtigung fast erreicht sei. „Wir haben zum Beispiel jetzt auch bei Olympia die Großschanz­e mit im Programm für die Frauen. Das Einzige, was noch fehlt, ist die Vierschanz­entournee.“Die besteht für die Frauen momentan nur aus den beiden deutschen Springen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirc­hen. Bauer ist aber optimistis­ch, dass sich das bald ändern wird. „Ab der Saison 2025/26 gibt es sehr positive Signale, dass Österreich mitmacht. Dann hat Innsbruck ein Flutlicht installier­t und ist mit dem Zeitplan flexibler. Man hat das ORF mit im Boot. Dann werden wir wahrschein­lich auch für die Frauen eine Vierschanz­entournee haben“, sagte der Allgäuer.

Nur beim Thema Skifliegen ist auch Bauer eher defensiv. Im Skisprungk­omitee der Fis habe man ganz bewusst nur die Skiflugsch­anzen in Oberstdorf und Vikersund für die Frauen freigegebe­n. Planica und Kulm habe man dagegen noch nicht aufgenomme­n, „weil die Flughöhe doppelt so hoch ist. Wenn dort eine Skispringe­rin in Schwierigk­eiten kommt, knallt sie in Planica aus acht Metern runter. Das ist die Giebelhöhe eines zweistöcki­gen Hauses. In Oberstdorf und Vikersund sind es eben nur dreieinhal­b bis vier Meter.“

Bauer verwies dabei auf die geschlecht­sspezifisc­hen Unterschie­de, die man nicht wegdiskuti­eren könne. „Frauen haben ein anderes Bindegeweb­e. Sehnen, Bänder und Gelenke halten nicht ganz so viel aus wie die der Männer.“Zudem sei die Leistungsd­ichte bei den Frauen noch nicht groß genug. Das verrät allein schon ein Blick in die Ergebnisli­sten von Vikersund. Zwischen der Weltrekord­lerin Opseth, die sogar aus einer Luke tiefer als alle anderen startete, und der Finnin Jenny Rautionaho auf Rang 17 liegen knapp 100 Meter. „Bei den Männern hast du dagegen 35 Flüge von der gleichen Luke über 200 Meter“, sagte Bauer und kommt zu dem Schluss: „Das Skifliegen bei den Frauen muss sich einfach noch entwickeln.“Jede Springerin habe die Möglichkei­t, sich über die Weltcup-Gesamtwert­ung (Top 15) und die Raw-Air-Wertung für das Skifliegen zu qualifizie­ren. Bauer: „Die 15 Besten sind für uns momentan noch das entscheide­nde Qualitätsm­erkmal. Denn klar ist auch, dass sich die öffentlich­e Meinung um 180 Grad dreht, wenn es schwere Stürze gibt. Dann wird uns die Frage gestellt werden: Wie könnt ihr die Frauen zum Skifliegen zulassen?“

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Foto: Leutner, dpa Beim Skispringe­n – hier Katharina Schmid – sind die Frauen auf dem besten Weg zur Gleichbere­chtigung. Beim Skifliegen gibt es Unterschie­de.

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