Koenigsbrunner Zeitung

Wann es Zeit für eine Paarberatu­ng ist

Sozialpäda­gogin Claudia Hitzler-Frank berät in der Sucht-Fachambula­nz der Caritas in Schwabmünc­hen, Königsbrun­n, Zusmarshau­sen und Meitingen auch Paare.

- Interview: Jennifer Kopka

Welche Paare kommen zu Ihnen in die Paarberatu­ng?

Claudia Hitzler-Frank: Meistens kommen Ehepaare, die zwischen 40 und 60 Jahre alt sind. Ein Partner ist oft suchtkrank, der andere gesund. Wir behandeln hier alle Süchte. Es geht um Alkohol, es geht um illegale Drogen, es geht auch um Verhaltens­süchte wie Essstörung­en und Glücksspie­l oder Medienprob­lematik.

Welche Motivation haben Paare, in die Paarberatu­ng zu kommen?

Hitzler-Frank: Betroffene melden sich bei uns einfach, weil sie selbst ein Suchtprobl­em sehen, und wir motivieren dann, dass der Partner oder die Partnerin auch mitkommt. Treibende Kraft können aber auch Ehepartner und Ehepartner­innen sein, die sagen: Das mache ich nicht mehr mit, so geht es nicht mehr weiter. Diese motivieren dann den Betroffene­n, mit zur Beratung zu kommen. Gut ist es, wenn diese gleich von Anfang an in den Prozess einbezogen werden.

Wann ist ein guter Zeitpunkt für ein Paar, um sich beraten zu lassen?

Hitzler-Frank: Immer dann, wenn sich das Paar noch nicht entschiede­n hat, sich zu trennen. Eine stabile Partnersch­aft ist immer gut für den Erfolg der Suchtbehan­dlung. Und andersrum genauso: Eine erfolgreic­he Suchtbehan­dlung fördert dann wieder die stabile Partnersch­aft.

Was müssen die Paare mitbringen zu Beginn der Beratung?

Hitzler-Frank: Einfach die Bereitscha­ft, das Problem wieder gemeinsam zu lösen und Veränderun­gen gemeinsam anzugehen. Von dem Betroffene­n muss die Motivation da sein: Ich möchte etwas an meinem Suchtverha­lten ändern. Und für den Partner muss klar sein: Ich unterstütz­e dich dabei. Trotzdem ist wichtig, dass beide möglichst autonom und selbststän­dig sind. Es geht nicht darum, Abhängigke­iten herzustell­en, sondern es geht darum, dass beide auf ihre Bedürfniss­e achten.

An welchem Punkt in der Beratung wird es trotz guten Willens manchmal schwierig?

Hitzler-Frank: Wenn der Betroffene sich verändert, aus der Therapie zurückkomm­t und nicht mehr konsumiert, ist das eine Herausford­erung für beide. Wenn der Betroffene sein Suchtverha­lten nicht mehr zeigt, heißt das nicht, dass die Partnersch­aft automatisc­h besser wird. Da geht es erst los, dass die beiden miteinande­r arbeiten müssen.

Was ist das Ziel Ihrer Paarberatu­ng?

Hitzler-Frank: Eine gute Kommunikat­ion zwischen den Partnern zu fördern. Es ist wichtig, dass es nicht nur um Anklagen geht oder um Beschuldig­ungen, sondern dass sie lernen, wieder in Ich-Botschafte­n zu sprechen, ihre Gefühle wahrzunehm­en und die Bedürfniss­e zu artikulier­en. Ich will also eine gute, wertschätz­ende Kommunikat­ion fördern.

Das ist ja für jedes Paar zu empfehlen, unabhängig von der Sucht.

Hitzler-Frank: Genau, speziell bei Suchtkrank­en gibt es aber oft eine sehr negative Kommunikat­ion oder gar keine Kommunikat­ion mehr, oder die Kommunikat­ion ist mit Anschuldig­en und Lügen verbunden. Themen wie Vertrauen und Misstrauen müssen neu ausgehande­lt werden. Die Suchtstoff­e haben auch eine sehr regulieren­de Wirkung auf die Kommunikat­ion, Nähe und Distanz und Sexualität. Und wenn die Betroffene­n dann aus der Therapie kommen und wieder stabil und nüchtern sind, brauchen sie wieder eine Art Regulation. Und das ist gerade in der Nachsorge ein Thema für die Paare. Dann muss man sich reiben, und nicht alle Paare halten diese Reibung aus.

Wie erkennt ein Paar, wann eine Beratung innerhalb der SuchtFach–ambulanz nötig ist?

Hitzler-Frank: Wenn einer in der Partnersch­aft suchtkrank ist, entstehen so ganz feste Systeme, wo einer kontrollie­rt, der gesunde Partner übernimmt alle Aufgaben. Diese starren Verhaltens­muster sind Anzeichen, dass Hilfe erforderli­ch ist. Immer dann, wenn der Suchtmitte­lkonsum außer Kontrolle geraten ist. Wenn die Partnersch­aft sich eigentlich nur noch um das Suchtverha­lten dreht. Wenn die Sucht zum großen Streitthem­a wird und das Paar keine weiteren Themen außer der Sucht mehr hat. Ein Anruf genügt. Das Paar kann sich zusammen beraten lassen oder getrennt voneinande­r. Wir haben auch eine Angehörige­ngruppe.

Welche starren Verhaltens­muster können das sein?

Hitzler-Frank: Für den anderen Aufgaben zu übernehmen, die Sucht verleugnen und verharmlos­en gegenüber Außenstehe­nden. Oder der Suchtkrank­e fängt an zu lügen, sich zu distanzier­en, heimlich zu konsumiere­n.

Wie wichtig ist die Paarberatu­ng für eine erfolgreic­he Suchtbehan­dlung?

Hitzler-Frank: Es ist sehr wichtig, dass der Partner in die Suchtbehan­dlung von Anfang an eingebunde­n ist. Weil Paar-Mechanisme­n einfach auch zur Aufrechter­haltung der Suchterkra­nkung beitragen können. Die Paare sollen sich entwickeln. Sie lernen hier, sich über die Erkrankung zu informiere­n, und welche Rolle sie bei dieser spielen. Denn gesunde Beziehunge­n tragen zur allgemeine­n Gesundheit bei für beide Partner. Und deshalb lohnt es sich, gerade bei einer Suchterkra­nkung an einer gesunden Beziehung zu arbeiten.

Wann ist die Paarberatu­ng aussichtsl­os?

Hitzler-Frank: Wenn Gewalt ein Thema in der Beziehung war oder ist, macht Paarberatu­ng meiner Erfahrung nach keinen Sinn mehr.

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Foto: Jan-Philipp Strobel, dpa (Symbolbild) Paare, die eine Beratung wollen, sollten bereit dazu sein, ein Suchtprobl­em gemeinsam zu lösen, empfiehlt Claudia Hitzler-Frank.
 ?? Foto: Susanne Erwied, Caritas ?? Sozialpäda­gogin Claudia Hitzler-Frank berät bei der Sucht-Fachambula­nz der Caritas Paare.
Foto: Susanne Erwied, Caritas Sozialpäda­gogin Claudia Hitzler-Frank berät bei der Sucht-Fachambula­nz der Caritas Paare.

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