Wann es Zeit für eine Paarberatung ist
Sozialpädagogin Claudia Hitzler-Frank berät in der Sucht-Fachambulanz der Caritas in Schwabmünchen, Königsbrunn, Zusmarshausen und Meitingen auch Paare.
Welche Paare kommen zu Ihnen in die Paarberatung?
Claudia Hitzler-Frank: Meistens kommen Ehepaare, die zwischen 40 und 60 Jahre alt sind. Ein Partner ist oft suchtkrank, der andere gesund. Wir behandeln hier alle Süchte. Es geht um Alkohol, es geht um illegale Drogen, es geht auch um Verhaltenssüchte wie Essstörungen und Glücksspiel oder Medienproblematik.
Welche Motivation haben Paare, in die Paarberatung zu kommen?
Hitzler-Frank: Betroffene melden sich bei uns einfach, weil sie selbst ein Suchtproblem sehen, und wir motivieren dann, dass der Partner oder die Partnerin auch mitkommt. Treibende Kraft können aber auch Ehepartner und Ehepartnerinnen sein, die sagen: Das mache ich nicht mehr mit, so geht es nicht mehr weiter. Diese motivieren dann den Betroffenen, mit zur Beratung zu kommen. Gut ist es, wenn diese gleich von Anfang an in den Prozess einbezogen werden.
Wann ist ein guter Zeitpunkt für ein Paar, um sich beraten zu lassen?
Hitzler-Frank: Immer dann, wenn sich das Paar noch nicht entschieden hat, sich zu trennen. Eine stabile Partnerschaft ist immer gut für den Erfolg der Suchtbehandlung. Und andersrum genauso: Eine erfolgreiche Suchtbehandlung fördert dann wieder die stabile Partnerschaft.
Was müssen die Paare mitbringen zu Beginn der Beratung?
Hitzler-Frank: Einfach die Bereitschaft, das Problem wieder gemeinsam zu lösen und Veränderungen gemeinsam anzugehen. Von dem Betroffenen muss die Motivation da sein: Ich möchte etwas an meinem Suchtverhalten ändern. Und für den Partner muss klar sein: Ich unterstütze dich dabei. Trotzdem ist wichtig, dass beide möglichst autonom und selbstständig sind. Es geht nicht darum, Abhängigkeiten herzustellen, sondern es geht darum, dass beide auf ihre Bedürfnisse achten.
An welchem Punkt in der Beratung wird es trotz guten Willens manchmal schwierig?
Hitzler-Frank: Wenn der Betroffene sich verändert, aus der Therapie zurückkommt und nicht mehr konsumiert, ist das eine Herausforderung für beide. Wenn der Betroffene sein Suchtverhalten nicht mehr zeigt, heißt das nicht, dass die Partnerschaft automatisch besser wird. Da geht es erst los, dass die beiden miteinander arbeiten müssen.
Was ist das Ziel Ihrer Paarberatung?
Hitzler-Frank: Eine gute Kommunikation zwischen den Partnern zu fördern. Es ist wichtig, dass es nicht nur um Anklagen geht oder um Beschuldigungen, sondern dass sie lernen, wieder in Ich-Botschaften zu sprechen, ihre Gefühle wahrzunehmen und die Bedürfnisse zu artikulieren. Ich will also eine gute, wertschätzende Kommunikation fördern.
Das ist ja für jedes Paar zu empfehlen, unabhängig von der Sucht.
Hitzler-Frank: Genau, speziell bei Suchtkranken gibt es aber oft eine sehr negative Kommunikation oder gar keine Kommunikation mehr, oder die Kommunikation ist mit Anschuldigen und Lügen verbunden. Themen wie Vertrauen und Misstrauen müssen neu ausgehandelt werden. Die Suchtstoffe haben auch eine sehr regulierende Wirkung auf die Kommunikation, Nähe und Distanz und Sexualität. Und wenn die Betroffenen dann aus der Therapie kommen und wieder stabil und nüchtern sind, brauchen sie wieder eine Art Regulation. Und das ist gerade in der Nachsorge ein Thema für die Paare. Dann muss man sich reiben, und nicht alle Paare halten diese Reibung aus.
Wie erkennt ein Paar, wann eine Beratung innerhalb der SuchtFach–ambulanz nötig ist?
Hitzler-Frank: Wenn einer in der Partnerschaft suchtkrank ist, entstehen so ganz feste Systeme, wo einer kontrolliert, der gesunde Partner übernimmt alle Aufgaben. Diese starren Verhaltensmuster sind Anzeichen, dass Hilfe erforderlich ist. Immer dann, wenn der Suchtmittelkonsum außer Kontrolle geraten ist. Wenn die Partnerschaft sich eigentlich nur noch um das Suchtverhalten dreht. Wenn die Sucht zum großen Streitthema wird und das Paar keine weiteren Themen außer der Sucht mehr hat. Ein Anruf genügt. Das Paar kann sich zusammen beraten lassen oder getrennt voneinander. Wir haben auch eine Angehörigengruppe.
Welche starren Verhaltensmuster können das sein?
Hitzler-Frank: Für den anderen Aufgaben zu übernehmen, die Sucht verleugnen und verharmlosen gegenüber Außenstehenden. Oder der Suchtkranke fängt an zu lügen, sich zu distanzieren, heimlich zu konsumieren.
Wie wichtig ist die Paarberatung für eine erfolgreiche Suchtbehandlung?
Hitzler-Frank: Es ist sehr wichtig, dass der Partner in die Suchtbehandlung von Anfang an eingebunden ist. Weil Paar-Mechanismen einfach auch zur Aufrechterhaltung der Suchterkrankung beitragen können. Die Paare sollen sich entwickeln. Sie lernen hier, sich über die Erkrankung zu informieren, und welche Rolle sie bei dieser spielen. Denn gesunde Beziehungen tragen zur allgemeinen Gesundheit bei für beide Partner. Und deshalb lohnt es sich, gerade bei einer Suchterkrankung an einer gesunden Beziehung zu arbeiten.
Wann ist die Paarberatung aussichtslos?
Hitzler-Frank: Wenn Gewalt ein Thema in der Beziehung war oder ist, macht Paarberatung meiner Erfahrung nach keinen Sinn mehr.