Spiel und Spaß inklusive
Für das Fritz-Felsenstein-Haus in Königsbrunn entstehen in Augsburg innovative Maschinen für mehr Lebensqualität. Alltagshelfer und Spielgeräte sind darunter.
Königsbrunn/Augsburg Eine Bohrmaschine, die per Knopfdruck auf die Arbeitsfläche heruntergefahren werden kann, das wär’s. Da sind sich die drei jungen Erwachsenen einig, die mit ihren Rollstühlen vom Parkplatz aus auf Gebäude E der Technischen Hochschule Augsburg zufahren. Livia Stötzer, Daniel Lerchenmüller und Noell Ziegler sind aus Königsbrunn zu Gast. Dort besuchen sie die FritzFelsenstein-Schule. Heute soll es darum gehen, sich mit Mechatronik-Studierenden im sechsten Semester über Alltags-, Arbeits- und Unterhaltungsgeräte auszutauschen. Sie sollen für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungsformen oder gesundheitlichen Einschränkungen nutzbar gemacht werden, ihnen eine aktivere Teilnahme am Leben ermöglichen.
Kräne, ein elektrisches Rollbrett für Rollstühle, Sägen, die sich per Taster bedienen lassen, ein fastautomatisches „Vier Gewinnt“, sogar ein Dosenschießen mit Rakete – das sind nur einige Beispiele für bisherige Anfertigungen.
Seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es das Projekt mit dem Motto „Mechatronik hilft Menschen mit Handicap“. Mitinitiiert haben es Roland Salvamoser vom Fritz-Felsenstein-Haus (FFH) und Elektrotechnik-Professor Martin Bayer, der mittlerweile im Ruhestand, aber hier immer noch an Bord ist. Praktische Projekte haben die Studierenden schon immer machen müssen, erklärt Bayer. Am Ende des Semesters seien die dann oft wieder zerlegt worden. „Da kam die Idee, etwas zu machen, das einen Nutzen hat.“So steige die Motivation für Studierende.
Professor Christoph Zeuke, der das Projekt jetzt leitet, betont den praktischen Nutzen für die jungen Tüftlerinnen und Tüftler: „Man muss es gemacht haben, um zu wissen, wie es funktioniert.“Die genauen Ideen werden im Austausch mit dem FFH entwickelt. Ein Beispiel: Studierende wollten unbedingt eine Rakete bauen. Daraus entstand die Idee für eine Interpretation des klassischen Dosenwerfens. Vom FFH kam der Wunsch: Für einen möglichst großen Unterhaltungswert müsse es laut scheppern. Das Dosenschießen war geboren. Untertitel: „jetzt aber wilder“. Für Unterhaltung sorgt auch ein Brettspiel, das mit
einem Mausklick in Gang gesetzt wird und dann den Rest selbst übernimmt – vom Würfeln bis zum Vorrücken der Figuren.
Für die Studierenden geht es nicht nur um Spaß, sondern auch um die Note. Ein Semester haben sie Zeit für das Projekt. Am Ende gebe es fast immer eine 1 bis 1,7, erzählt Zeuke. „Aber das entspricht auch der Arbeit.“In den fertigen Maschinen stecken laut den Professoren oft Hunderte Stunden davon.
Auch die Professoren stecken viel Herzblut in das Projekt, betont Martina Königbauer. „Einfach,
weil es Spaß macht.“Die Professorin für Systematische Produktentwicklung berät die Studierenden bei der Kostenplanung, der Zeitplanung. Und bei der Kommunikation mit dem FFH, untereinander, und mit Unternehmen, die benötigtes Material liefern. Für Student Daniel Duschl ist das praktische Projekt attraktiver als eine schriftliche Prüfung. Er sagt, er freue sich darauf, mit seinen Jungs zusammenzuarbeiten, die er schon das ganze Studium kenne.
Mit Dutzenden anderen Studierenden und den Professoren wartet er in einem Hörsaal im dritten
Stock auf den Besuch aus Königsbrunn. Unten drückt Daniel Lerchenmüller den Knopf des Aufzuges. „Daniel ist sehr technikaffin“, sagt Salvamoser über den 18-Jährigen mit der Brille und der BaseballMütze. Für ihn wäre eine Bohrmaschine, die er per Taster bedienen kann, besonders hilfreich.
„In zwölf Jahren haben wir über 50 Maschinen und Spielgeräte bekommen“, sagt Salvamoser. Besonders häufig sei aktuell das elektrische Rollbrett für Rollstuhlfahrer im Einsatz: „Das ist echt faszinierend, das können wir jeden Tag nutzen.“Noell Ziegler erinnert sich
besonders gerne an ein Spiel: „Ich mag das Mensch-Ärgere-DichNicht, das sich quasi selbst spielt. Das ist ziemlich cool“, erzählt er im Hörsaal vor den Studierenden. Zeuke verrät mit einem Lächeln: Es sei sogar dahingehend „optimiert“worden, dass Spielerinnen und Spieler häufiger eine Sechs würfeln.
Für die neuen Projekte haben die Studierenden bis Sommer Zeit. Ob dann auch eine Bohrmaschine dabei ist? Das zeigt sich spätestens Mitte Juli. Dann werden die Geräte im FFH ausgestellt und ausprobiert.