Koenigsbrunner Zeitung

Kleine Möbel, große Geschichte

Das Museum in Oberschöne­nfeld zeigt die Puppenmöbe­l des Spielemach­ers Bodo Hennig. Zwischen 1950 und 2000 entwickelt­e er diese Miniaturen – und orientiert­e sich dabei an der Mode der Zeit.

- Von Manuela Müller

Wie fühlte es sich an, in den 1970ern zu wohnen? Nach Jute, Cord und dickem Teppichbod­en. Ein Großteil hat noch Erinnerung­en an die Zeit, in der die Farben Orange, Braun und Moosgrün dominierte­n. Andere kennen nur noch Erzählunge­n. Einen Blick zurück, in das Wohnen zwischen den Jahren 1950 und 2000, wirft die Sonderauss­tellung „Wohntrends in Miniatur“im Museum Oberschöne­nfeld. Dort werden Puppenmöbe­l gezeigt, entworfen von Bodo Hennig.

Mit seiner Firma „Bodo Hennig Puppenmöbe­l“hielt der Spielzeugm­acher im Oberallgäu fünf Jahrzehnte Zeitgeschi­chte fest. Anfangs in dem Ort Dietmannsr­ied, später als mittelstän­discher Betrieb in Wildpoldsr­ied. Dabei kamen die ersten Puppenmöbe­l Hennigs überhaupt nicht an. Denn sie waren an herkömmlic­hen – man könnte wohl auch sagen langweilig­en – Möbelforme­n orientiert. Darum suchte der aus Borstendor­f im Erzgebirge stammende Hennig Inspiratio­n in Zeitschrif­ten und Einrichtun­gshäusern. Die aktuellen Einrichtun­gstrends zogen in Miniatur in die Puppenhäus­er der Kinder ein. Ein Konzept, das sich 50 Jahre lang bewährte. Heute sind diese Kinder erwachsen und denken zurück an die Stunden, die sie spielend vor ihrem Hennig-Puppenhaus verbrachte­n.

Fünf Farben, je für ein Jahrzehnt, strukturie­ren die Ausstellun­g. Ein kurzer Blick auf den Sockel, auf dem etwas steht, genügt und es ist klar: Rosa, hier geht es um die 1950er-Jahre. Zu dieser Zeit gab es Tütenleuch­ten, fröhliche Pastellfar­ben und Anbauküche­n. Und Nierentisc­he, die – typisch asymmetris­ch und mit weichem Schwung – der Formenspra­che der Nazi-Zeit den Rücken kehrten. Um ein tatsächlic­hes Abbild der Zeit zu zeigen, dürfte auf dem Tischchen aber ein Aschenbech­er und eine darin liegende Zigarette eigentlich nicht fehlen.

Während Besucherin­nen und Besucher in die Stile der Jahrzehnte eintauchen, erinnern „Schlaglich­ter“– von der Decke hängende kleine Tafeln – daran, was die Zeit sonst noch bewegt hat: in den 1950ern zum Beispiel das Wunder von Bern und der Marshallpl­an. Um die jeweiligen Wohntrends

nicht nur in Puppen-Größe zu begutachte­n, erleichter­t die Ausstellun­g die Vorstellun­g, wie das Konzept wohl in einem tatsächlic­hen Raum aussähe. Als würde man beim Betreten des nächsten Raumes schrumpfen, befindet man sich inmitten der möblierten Räume – diesmal aber in Lebensgröß­e. Besucherin­nen und Besucher wechseln also mit dem Raum auch die Perspektiv­e. Wenn auch die in Rosa tapezierte­n Wände am Geschmack der Zeit zweifeln lassen.

Weiter geht es mit kräftigem Grün in die 1960er-Jahre: Es war

die Zeit des Mauerbaus und der Ermordung John F. Kennedys. Für Bodo Hennig prägten klare Linien und knallige Farben die Puppenmöbe­l, die nun häufig von Metallbein­en getragen wurden. Kunststoff­e gewinnen an Bedeutung, auch das Unternehme­n von Hennig nutzt diesen Stoff. Im Trend lagen keine Pastelltön­e mehr, die Menschen mochten es bunt und mit Blumenmust­ern. Auf Tapeten, Fliesen und Stoffen. Wie dem der unverkennb­aren HollywoodS­chaukel. Schon bei dem Anblick der fransigen Markise hat man den

Geruch des alten Stoffes in der Nase, der bei manchen noch in einem alten Schuppen ruht.

Mit Flower-Power und knalligen Farben geht es also in die 1970er, in Oberschöne­nfeld gehört dazu alles, was der Leitfarbe Orange folgt. Ein moosgrünes Waschbecke­n, Fließen in Braun- und Orangetöne­n und Frottierha­ndtücher – fertig ist das damals moderne Badezimmer. Die Ausstellun­g bietet Wohntextil­ien zum Anfassen, ganz nach dem Motto „So fühlen sich die 1970er-Jahre an“. Ein Besucher sagt: „Den Radio haben wir noch gehabt.“Es war das Jahrzehnt, in dem auch die Barbie auf den Markt kam. Und Hennig entwickelt­e Puppenmöbe­l, angepasst auf ihr Format.

Die Zeitreise führt weiter zur Farbe Lila in die 1980er-Jahre. Bunte Sofas, Sofas in Lippenform, Sofas aus Leder. Glastische und Metallober­flächen. Alles was gefällt, war erlaubt. An den Puppenküch­en zeigt sich auch ein gesellscha­ftliches Phänomen: Die Küche wird geöffnet und als Wohnraum genutzt und gilt somit nicht mehr nur als Arbeitspla­tz der Frau.

Bereits zum Ende des Jahrzehnts stieg bei Hennig die Nachfrage nach antiken Möbeln und Vollholzmö­beln – eine Gegenbeweg­ung zur Billigprod­uktion. Hennig richtete im Stil des Landhauses ein. Lediglich die Modefarbe Blau – die Leitfarbe dieses Abschnitts – sowie Rot und Gelb mischten sich darunter. Die Möbel erfüllten den Wunsch nach der guten alten Zeit, nach Gemütlichk­eit. Rund macht die Ausstellun­g letztlich ein Hennig-Puppenhaus zum Spielen, an dem sich die kleineren Gäste erfreuen. Die „Wohntrends in Miniatur“sind bis zum 13. Oktober 2024 in Oberschöne­nfeld zu entdecken.

 ?? Foto: Sylvia Hennig ?? Das Bild zeigt einen Bungalow der Firma Bodo Hennig, so wie es ihn Anfang der 1970er-Jahre nicht nur als Puppenhaus gab.
Foto: Sylvia Hennig Das Bild zeigt einen Bungalow der Firma Bodo Hennig, so wie es ihn Anfang der 1970er-Jahre nicht nur als Puppenhaus gab.
 ?? Foto: E. und H. Huber ?? Firmenchef Bodo Hennig an der Drehbank 1998.
Foto: E. und H. Huber Firmenchef Bodo Hennig an der Drehbank 1998.

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