Furore um ein Holz-Hybrid-Haus
Um Klimaschutz-Anforderungen gerecht zu werden, setzen neue Bürogebäude auf nachhaltige Materialien. In München wird bald der erste Mix aus Holz und Beton fertiggestellt.
Auf den ersten Blick sieht das Haus in der Nähe der Münchner S-Bahn-Station Hirschgarten aus wie ein normaler Rohbau: Betonfundament, Betondecke, ein paar tragende Säulen aus Beton und drumherum ein Baugerüst. Ein künftiges Bürogebäude eben. Auf der ersten Etage ist aber doch etwas anders. Denn hier sind Decken und Wände aus Holz. Aber nicht wie bei alten Fachwerkhäusern. Der Beton geht viel mehr in das Holz über. Wer nicht genau hinsieht, merkt die Veränderung gar nicht. Dieses Gebäude ist das erste Holz-Hybrid-Haus in München – und Vorlage für die Bürogebäude der Zukunft.
Zum Bürogebäude der Zukunft gehört natürlich sämtlicher Schnickschnack, den die neue Arbeitswelt verlangt. Eine Dachterasse mit einem kleinen Kletterturm und Tischkicker sind genauso eingeplant wie eine Fahrradgarage und Fitnessgeräte. Dazu kommt intelligente Technik, die beispielsweise die Beleuchtung und die Außenjalousien
an das Wetter und die Raumnutzung anpasst. Das an sich ist jedoch noch nicht das Besondere. Entscheidend ist die Bausubstanz, die die Branche grundlegend an Klimaschutz-Anforderungen anpassen will.
Holz ist dafür sehr gut geeignet. Es ist ein nachwachsender Rohstoff, der einfach zu transportieren und schnell zu verarbeiten ist. Zudem bindet Holz CO2. Bei der Herstellung von Zement – neben Wasser der Hauptbestandteil von Beton – entsteht hingegen jede Menge CO2-Emission. Dafür wird nämlich unter anderem Kalkstein gemahlen und bei über 1400 Grad gebrannt. Und weil gebrannter Kalkstein besonders viel CO2 freisetzt, ist Beton für acht Prozent der weltweiten CO2-Emission verantwortlich. „Wenn wir die Klimaschutzziele ernst nehmen und auch nur annähernd erreichen wollen, dann ist ein Umdenken der etablierten Bauweisen, insbesondere durch den Einsatz nachwachsender Rohstoffe, dringend erforderlich“, sagt Thomas Lenzen, Geschäftsführer Architektur und Technik der Bayerischen Architektenkammer.
Ganz ohne Beton kommt aber auch das Holz-Hybrid-Haus nicht aus. Aus Brandschutzgründen muss die untere Etage hauptsächlich daraus bestehen. Immerhin wird in München auch recycelter Beton verwendet. Der Rest ist Fichtenund Baubuchenholz. „Baubuchenholz ist Buchenholz, das in einem speziellen Verfahren geschichtet wird. Dadurch hat es quasi die gleiche Statik wie Beton“, sagt Klemen Domjan. Er ist Projektmanager des Münchner Immobilienunternehmens Accumulata, einem der Bauherren des Gebäudes. Das Trí, wie das Holz-HybridHaus heißt, kann, je nach Nutzerverhalten, komplett CO2-neutral betrieben werden. Es verfügt über eine Geothermie-Anlage und eine Wasser-Wärmepumpe, die mit einer Solaranlage auf dem Dach betrieben wird. Die Geothermie-Anlage heizt und kühlt das Gebäude mit Grundwasser.
Der Holz-Hybrid-Bau wird in absehbarer Zeit der neue Standard für Bürogebäude, sagt Thomas Lenzen: „Da Bauholz in Bayern derzeit mehr als ausreichend verfügbar ist, dürfte sich der HolzHybridbau
dauerhaft etablieren und wegen seiner ökologischen Vorteile auch gegenüber der klassischen Betonbauweise weiter durchsetzen.“Für Wohnraum ist er hingegen noch eine Ausnahme. Das liege auch daran, dass Bürogebäude heute gar nicht mehr darauf ausgerichtet sind, Hunderte von Jahren zu halten. Viel wichtiger ist es, den Anforderungen einer schnelllebigen Arbeitswelt gerecht zu werden. Wer weiß schon, wie viele Menschen in zwanzig oder dreißig Jahren überhaupt noch in ein Büro gehen? Darum ist es wichtig, den Rückbau direkt mitzudenken. „Cradle to cradle“heißt das Prinzip dahinter (sinngemäß „vom Ursprung zum Ursprung“). Die Holzbalken, die im Trí verbaut sind, sollen so wie sie sind wiederverwendet oder kompostiert werden können.
Wer von den neuen Büros in dem Münchner Holz-Hybrid-Haus profitieren kann, wird sich noch zeigen. Mieter müssen noch gefunden werden, man sei in Verhandlungen, sagt Markus Diegelmann. Im Frühjahr 2025 soll das Trí bezugsfertig sein.