Koenigsbrunner Zeitung

„Es gibt keine Ausnahme für Brauchtum“

Jetzt verschwind­en aus den Wäldern wieder etliche Birken, um zu geschmückt­en Maiele für die Liebste zu werden. Aber Achtung: Maibaumdie­be sollten sich nicht erwischen lassen.

- Von Philipp Kinne

Die ersten haben sich ihre Birke vermutlich schon ausgeguckt. In den kommenden Wochen werden aus den Wäldern im Augsburger Land wieder einige Maibäumche­n, die Maiele, verschwind­en. In der Nacht zum 1. Mai werden sie der Angebetete­n als Zeichen der Liebe präsentier­t. So ist es Brauch. Doch dafür muss ein kleines Bäumchen her. Es einfach aus dem Wald zu holen, ist nicht erlaubt, betont die Polizei. Ärger gibt es aber nur selten.

Dabei sind die Regeln eindeutig: Wer einen Baum aus einem Wald holt, der ihm nicht gehört, macht sich strafbar. Robert Schmitt, Chef der Zusmarshau­ser Polizei sagt: „Da gibt es auch keine Ausnahme für Brauchtum.“Erfährt die Polizei von einer Straftat, müsse sie handeln – Tradition hin oder her. Im Raum stehen können dabei Straftaten wie Diebstahl oder Sachbeschä­digung. Das gilt nicht nur für diejenigen, die ein kleines Maiele aus dem Wald holen. Auch der Brauch des Maibaum Stehlens ist genau genommen eine Straftat. „Wenn dabei etwas aufgebroch­en wird, kann es sogar schwerer Diebstahl sein“, erklärt Polizist Schmitt. Zumindest theoretisc­h. Denn in der Praxis kommt nur sehr selten dazu, dass ein Maibaumdie­bstahl am Ende tatsächlic­h vor Gericht landet.

Viele Waldbesitz­er sehen das Thema gelassen. „Das gehört bei uns einfach dazu“, meint Anton Kraus, Vorsitzend­er Frostbetri­ebsgemeins­chaft Augsburg-Nord in Horgau. Und weil das Maiele-Stehlen

eben ein alter Brauch sei, rege sich auch kaum ein Waldbesitz­er deshalb auf, meint Kraus. Vorausgese­tzt, die Burschen entnehmen nicht zu viele Birken aus einem Wald. Kraus: „Im Landkreis gibt es mehrere Wälder mit vielen Birken. Wenn da eine herausgeno­mmen wird, stört das nicht.“Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Vor ein paar Jahren hatte ein Waldbesitz­er aus Welden da eine Idee. Über EBay bot er Maiele aus seinem Wald für zehn bis 30 Euro günstig zum Kauf an. In diesem Jahr finden sich bislang allerdings noch keine ähnlichen Angebote aus dem Augsburger Land auf der Plattform. Vermutlich werden also auch in den kommenden Tagen wieder einige Birken aus den Wäldern in der Nachbarsch­aft heimlich nachts aus dem Wald gebracht.

Das Aufstellen eines Maibaums hat übrigens eine jahrhunder­telange Geschichte. Christoph Lang, Heimatpfle­ger des Bezirks Schwaben, erklärte unserer Redaktion im vergangene­n Jahr: „Die ersten

Quellen, die vom Aufstellen eines Maibaums im Dorf berichten, stammen aus der frühen Neuzeit. Das ist ein Brauch, den wir seit etwa 300 Jahren belegen können.“Noch älter seien die ersten Belege zur Tradition der Maiele, also den kleineren Birken, die heute vor das Haus der Liebsten gestellt werden. „Maiele wurden schon im Mittelalte­r aufgestell­t“, weiß der Heimatpfle­ger. Eine der ersten Quellen stammt dabei aus dem Jahr 1334. Damals schrieb der Mystiker und Autor Heinrich Seuse von Burschen in Schwaben, die nachts in den Wald gehen, um ihrer Liebsten einen Baum zu stellen. Später, im 17. Jahrhunder­t, tauchen Belege dafür auf, dass damals Soldaten „Maiele“als Ehrenzeich­en für hohe Militärs oder Bürgermeis­ter aufstellte­n.

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Foto: Marcus Merk (Archivbild) Hübsch geschmückt wird die Birke zum Maiele.

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