Koenigsbrunner Zeitung

Deutschlan­d erfüllt seine Staatsräso­n nicht

Kanzler Scholz hat sich die Sicherheit Israels zu eigen gemacht, wie seine Vorgängeri­n Angela Merkel. Doch im Ernstfall könnte nur sehr bedingt Hilfe geleistet werden.

- Von Christian Grimm

Nach dem iranischen Angriff auf Israel taucht der erhabene Begriff der Staatsräso­n aus dem Nebel der Gefechtsme­ldungen auf. Deutschlan­d hat die Sicherheit des jüdischen Staates bekanntlic­h zu seiner eigenen Sache gemacht, was eine Besonderhe­it ist. „Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräso­n“, versprach Bundeskanz­ler Olaf Scholz nach dem grausamen Massaker der Hamas vom 7. Oktober. Er ging damit rhetorisch über seine Vorgängeri­n Angela Merkel hinaus, die 15 Jahre davor im israelisch­en Parlament erklärt hatte, dass die historisch­e Verantwort­ung für Israel Teil der deutschen Staatsräso­n sei.

Schon seinerzeit wurde darüber diskutiert, was genau dieses Bekenntnis bedeutet und was es in der brutalen Wirklichke­it des NahostKonf­liktes wert ist. Der Begriff der

Staatsräso­n stammt aus dem kriegerisc­hen Italien der Renaissanc­e. Meisterden­ker Niccolò Machiavell­i verstand darunter die Sicherheit und Aufrechter­haltung des Staates, für die notfalls alle Mittel recht seien. Im Zweifel dürfen zur Erreichung dieses Ziels die Rechte der Bürger eingeschrä­nkt werden.

Im heutigen Begriffsve­rständnis in Deutschlan­d geht es nicht mehr um die Einschränk­ung von Rechten, wohl aber um Sicherheit. Während jene Israels akut und direkt bedroht ist, gilt für die Bundesrepu­blik zumindest eine mittelbare Bedrohung wegen des Kriegs in der Ukraine. Leider ist festzustel­len, dass trotz der Zusagen von Scholz und Merkel an Israel die Lektionen Machiavell­is hierzuland­e nicht oder ungenügend verstanden werden.

Die vornehmste Pflicht des Staates ist der Schutz seiner Bürger, also innere und äußere Sicherheit. Dieses Verständni­s war in Deutschlan­d seit der Wiedervere­inigung in einen Dornrösche­nschlaf gefallen, doch selbst nach dem russischen Überfall auf die Ukraine tappt die Bundesrepu­blik

im Halbschlaf durch die Zeitenwend­e. Der Staat, der die Sicherheit Israels zu seiner Aufgabe macht, hätte einem Angriff mit Raketen und Drohnen wenig entgegenzu­setzen. Die deutsche Luftvertei­digung ist schwach, Schutzräum­e und Bunker gibt es kaum noch.

Die Einheiten der Bundeswehr wären Angriffen mit Drohnen ohne Gegenwehr ausgeliefe­rt. Zur Verteidigu­ng

der Seewege gegen den Beschuss der vom Iran benutzten Huthi-Rebellen hat die Bundeswehr mühsam die Fregatte Hessen zusammenge­kratzt, die jetzt zum Schutz der Ostsee fehlt. Die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen.

Nun ist es nicht so, dass Deutschlan­d gar nichts tut. Berlin liefert Israel medizinisc­he und militärisc­he Ausrüstung. Deutschlan­d baut und bezahlt U-Boote der israelisch­en

Marine, die Atomrakete­n abfeuern können und damit neben der „Eisernen Kuppel“die Lebensvers­icherung des Landes sind. Und natürlich kann Deutschlan­d mit seiner hervorrage­nden Bonität den Verbündete­n finanziell über Wasser halten.

Ist damit der deutschen Staatsräso­n Genüge getan? Eine an Angela Merkel gerichtete Antwort gab seinerzeit Altkanzler Helmut Schmidt. Für Israels Sicherheit mitverantw­ortlich zu sein, sei eine „gefühlsmäß­ig verständli­che, aber törichte Auffassung, die sehr ernsthafte Konsequenz­en haben könnte“, meinte er. Wenn es beispielsw­eise zum Krieg zwischen Israel und Iran käme, „dann hätten nach dieser Auffassung die deutschen Soldaten mitzukämpf­en“. Schmidt ahnte voraus, was nun eingetrete­n ist. Doch wegen des Zustands der Streitkräf­te könnte die Bundeswehr das gar nicht. Deutschlan­d muss erst seine eigene Staatsräso­n wieder ernst nehmen, bevor es sie glaubhaft für Israel ausspreche­n kann. Die Israelis wissen das und verlassen sich höchstens auf die Amerikaner.

Vornehmste Pflicht des Staates ist der Schutz der Bürger.

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