Eine verwunschene Ruheinsel
Ein Landschaftsarchitekt kommt Karin und Ulf nicht in den Garten. Er würde die wilde Schönheit ordnen. Doch die ist gerade das Besondere.
Ein Landschaftsarchitekt kommt Karin und Ulf nicht in den Garten. Womöglich würde er die wilde Schönheit ordnen. Doch die ist gerade das Besondere.
Der kalte Wind, der manchmal über die Ebenen der südschwedischen Provinz Östergötlands fegt, hat im Garten von Familie Lorin keine Chance. Hohe Kastanien und dichte Hecken schirmen die 1.800 Quadratmeter große Fläche nach allen Seiten hin ab. Sie sind nahezu das Einzige, was vorhanden war, als Karin und Ulf 2004 in das kleine Örtchen Maspelösa nahe Linköping zogen. Nicht nur das Wohnhaus, das Ende des 19. Jahrhunderts erbaut worden war, bedurfte erst einmal einer Renovierung. „Das Grundstück lag völlig brach, vermutlich schon seit den 1960er-Jahren“, erinnert sich Karin. Sieben Jahre brauchte sie, um daraus das grüne Paradies zu erschaffen, das der Garten heute ist. Prall gefüllte Gemüsebeete, blühende Blumeninseln, englischer Rasen und lauschige Sitzecken wechseln sich ab, durchzogen von niedrigen Steinwällen, die langsam von Rosen und Gräsern erobert werden. Unter einer Kastanie saugen Bienen eifrig den Nektar aus einem Meer von Katzenminze. „Ich liebe es, immer wieder Neues anzupflanzen! Blumen, Gemüse, Beeren, Früchte – einfach alles. Manchmal bin ich so damit beschäftigt, dass ich vergesse zu ernten“, sagt Karin lachend. Doch ihre Töchter erinnern sie daran. Kartoffeln, Bohnen, Erdbeeren, Dill: Der Küchengarten gibt genug
her, um die Familie zu ernähren. Flankiert wird er von Apfelbäumen der Sorten Ingrid Marie, Aroma und Weißer Klarapfel. Jetzt, im dritten Sommer seit der Anpflanzung, tragen sie endlich Früchte. Karin stellt einen frisch gepflückten Strauß aus pinkfarbenen Pfingstrosen und einen Teller mit selbstgebackenen, krossen Macarons auf den Gartentisch, dessen weiße Farbe schon abblättert und ihm einen Shabby-Charme verleiht. Der Platz, an dem er steht, ist eher zufällig entstanden. Nachdem sie ein kleines, baufälliges Gartenhaus abgerissen hatten, entschlossen sie sich, Steinplatten an der Stelle zu verlegen und eine Art Patio mitten im Grünen zu kreieren. „Inzwischen ist es eine Spezialität von mir, aus Vorhandenem etwas Neues zu schaffen“, erklärt die Hobbygärtnerin. Aus Steinen, die sie im alten Hühnerhaus fanden, errichtete sie zum Beispiel eine dekorative Mauer; die Stufen zu einem Regal mit Gartenutensilien zimmerte Ulf aus einer alten Eiche, die der Sturm gefällt hatte. Aus dem verwilderten Grundstück ist so ein traumhafter Garten entstanden, dessen Charme die Unvollkommenheit ausmacht. Ein Garten zum
„Englische Gärten inspirieren mich. Sie sind so herrlich prunkvoll und doch in gewisser Weise wild.“
Genießen und Leben. Leicht war der Anfang jedoch nicht. „Ich biss die Zähne zusammen und legte erst einmal die Blumenrabatte rechts und links vom Hauseingang an“, erzählt Karin. Stück für Stück eroberte sie sich, legte Inseln mit Waldmeister oder Weichem Frauenmantel an, Rabatten mit Rosen und Rittersporn, und steckte immer wieder Rückschläge ein. Glück hatte sie mit Funkien und Pfingstrosen, die sich selbst überlassen werden können. Letztere gehören neben Mohn zu Karins Lieblingsblumen. Ihr Tipp: „Frühe und späte Sorten nebeneinander pflanzen, so hat man den ganzen Sommer über eine bezaubernde Blütenpracht.“Eine Sache gibt es, ohne die sie nie mehr leben könnte: „Eine gute Schaufel“, sagt sie lachend. Die braucht sie auch für ihr nächstes Projekt, einen weiteren Steinwall an der Nordseite des Gartens.
„Ein Gartentagebuch zu führen ist sehr hilfreich. Man erinnert sich besser, was man gepflanzt hat.“