Zu Besuch bei Sebastian Kneipp
„Die Natur ist die beste Apotheke“war Sebastian Kneipp überzeugt. Ganz besonders schwor er auf die Heilkraft des Wassers. In seiner Heimatstadt Bad Wörishofen hat Landleben-Redakteurin Doro Bitz-Volkmer einige der Anwendungen ausprobiert.
„Die Natur ist die beste Apotheke”, davon war
Kneipp überzeugt. Unsere Redakteurin hat es getestet.
Pünktlich um vier Uhr morgens wird die Klinke zu meinem Zimmer heruntergedrückt und das Licht geht an. „Jetscht gibt’s de Heusack“, schwäbelt eine der wenigen Ordensfrauen, die hier im Hotel KurOase noch arbeiten und bittet mich, mein Schlafanzugoberteil auszuziehen. Dann legt sie mir einen wirklich heißen Wickel um den Nacken, breitet ein Tuch darüber, deckt mich fürsorglich zu und geht wieder. Wie die meisten anderen in unserer 13-köpfigen Kneipp-Gruppe habe ich mich für die Heuanwendung entschieden.
Wärme und ätherische Öle der Wiesenkräuter sollen meinen angespannten Nacken lockern. Und wirklich, als Schwester Johanna den Wickel nach einer Dreiviertelstunde wieder abholt, fühlt er sich etwas weicher an. Zu der Alternative, einer kalten Oberkörperwaschung hätte ich mich, von der nachtschlafenden Zeit einmal abgesehen, nicht durchringen können. Doch es geht hier ja auch nicht um Wellness. Wer zum Kneippen nach Bad Wörishofen kommt, will sich weniger verwöhnen, als von den diversen Beschwerden kurieren lassen.
Wie so eine Kur aussieht, davon bekommen meine Kolleginnen und ich an diesem Wochenende einen kleinen Einblick. Wir entschließen uns, auf Kneipps Spuren durch das idyllische Bad Wörishofen zu laufen und an den verschiedenen GussStationen Halt zu machen. Bei 13 Grad Außentemperatur krempeln
wir tapfer die Ärmel hoch, um uns das kalte Wasser über den Arm laufen zu lassen. Schließlich wollen wir die Wirkung des Gusses spüren und testen auch später noch einmal den Kältereiz am Bein. Denn darum geht es, erklärt die Kneippspezialistin Ines Wurm-Fenkl. Da unser Körper warm ist, setzt das kalte Wasser eine besondere Reaktion in Gang, so regt der Armguss die Blutzirkulation an und hat auch reflektorische Wirkung auf den Herzmuskel. Weil er so erfrischend ist, nennen ihn Insider den „Kneippschen Espresso.“Der kalte Knieguss wiederum durchblutet die
Unterschenkel, regt die Organe des Unterleibs an und heizt insgesamt ein. Wer ihn regelmäßig anwendet, hat keine kalten Füße mehr und beugt Krampfadern vor, versichert Ines Wurm-Fenkl. Über 100 verschiedene Anwendungen beinhaltet die Kneipp-Wassertherapie mittlerweile. Die können wir natürlich nicht alle ausprobieren, aber das Tautreten auf dem Barfußpfad haben wir uns für den Vormittag vorgenommen. Mutig entledigen wir uns unserer Schuhe und stapfen zunächst über die Wiese – kein Problem – dann über
Kies – schon nicht mehr ganz so angenehm – und schließlich über Holzpellets – schmerzhaft. Nicht von ungefähr wird man am Ende des Parcours von einem anerkennenden Schild „Du hast es geschafft“empfangen. So sind wir alle froh, als wir wieder in unsere Schuhe schlüpfen können. Neben Wasser, dem Kernelement der Kneipp- Therapie,
erfahren wir, dass es noch vier weitere Säulen der Gesundheit zu beachten gilt. Kräuter etwa, wie sie im Heusack stecken.
Kneipp setzte sie in Tees, Salben, Tinkturen oder Badezusätzen ein, die er seinen Patienten äußerlich und auch innerlich verabreichte.
Die gesunde Ernährung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Auf dem Speiseplan stehen viel Obst und Gemüse, Vollkornprodukte und wenig Fleisch. Dazu empfahl Kneipp schon damals mindestens eineinhalb Liter Wasser zu trinken. Den Säulen vier und fünf, der inneren Balance und der Bewegung, wenden wir uns bei unserer Achtsamkeitswanderung zu. Wir beginnen mit einer Atemübung, atmen tief ein und aus, schon breitet sich Ruhe im Körper und in den Gedanken aus. Wir spüren die Rinden der Bäume, lauschen den Geräuschen im Wald und lassen seine Farben auf uns wirken. Zu guter letzt erfahren wir im Kneipp-Museum, dass Sebastian Kneipp aus ärmsten Verhältnissen stammte, dank der Fürsprache eines Bischofs Pfarrer werden durfte und sich mit seiner Wassertherapie selbst von der Schwindsucht kuriert hat. Trotz des weltweiten Ruhmes , den er bereits zu Lebzeiten mit seiner Gesundheitslehre errungen hat, ist er ein bescheidener Mann geblieben, der ganz in seiner Arbeit aufging. Auch wenn die Hotels in Bad Wörishofen heute allen modernen Komfort bieten, an den Anwendungen und Kneippschen Grundsätzen hat sich nichts geändert. Sie sind so erfolgreich wie zu seiner Zeit.
„Lernt das Wasser richtig kennen, und es wird euch ein verlässlicher Freund sein“