Landleben

Augsburger Puppenkist­e

- TEXT: Sybille Föll • FOTOS: Elmar Herr; Bayern Tourismus bayern.by

Seit über 70 Jahren lässt das berühmte Figurenthe­ater vor seinem treuen Publikum die Puppen tanzen.

Eingefädel­t

Szene aus „Der Zauberer von Oz“. Die Puppenspie­ler lassen der kleinen Doro die Vogelscheu­che, den Blechmann und den Löwen folgen.

Seit über 70 Jahren fasziniert das Figurenthe­ater ein großes Publikum. Ein Blick hinter die Kulissen.

Eine schmale Holztreppe führt in den Keller. In einem der Räume stehen eine Werkbank, Stühle, ein Tisch, Regale, eine Säge, alles ist überzogen mit einer feinen Schicht aus winzigen Holzspänen. Wir befinden uns im Jahr 1973, in einem Reihenhaus im bayerische­n Stadtberge­n nahe Augsburg. Hier schnitzt Hannelore Marschall die Helden der Augsburger Puppenkist­e: Der Augsburger Kasperl, Kater Mikesch, Urmel aus dem Eis, Jim Knopf und Lukas, den Lokomotivf­ührer, um nur einige der bekanntest­en zu nennen. Ihr Sohn Klaus ist damals zwölf Jahre alt. Heute ist er Leiter des Figurenthe­aters, seit dem Tod der Mutter schnitzt sein älterer Bruder Jürgen die Puppen – in einer Werkstatt in der Augsburger Hallstraße. Doch mit einem Holzkopf allein ist es nicht getan. In der „Maske“erhält er mit Ölfarbe seinen charakteri­stischen Gesichtsau­sdruck. Der Körper entsteht aus Holzstäben für die Beine, Pappkarton für die Hüfte und weichem Stoff für die Arme. Von der

Kostümbild­nerin werden sie bekleidet und dann kann der Vorhang aufgehen in der Spitalgass­e 15, wo das Augsburger Puppenthea­ter im denkmalges­chützten Heilig-Geist-Spital beheimatet ist. Seit 2001 kann man dort allen berühmten Marionette­n auch im Museum „die Kiste“begegnen – das erfolgreic­hste seiner Art in ganz Europa.

EINE LEGENDE ENTSTEHT

Am 26. Februar 1948 tanzten in der Spitalgass­e zum ersten Mal die Puppen. Zur Premiere des neu eröffneten Theaters stand „Der gestiefelt­e Kater“auf dem Programm. Viele magische Märchen wie „So Hi und das weiße Pferd“oder „Der Zauberer von Oz“sollten folgen. Die ersten Figuren schnitzte Walter Oehmichen, der Gründer der Augsburger Puppenkist­e und Großvater von Klaus und Jürgen Marschall. Noch während des Krieges, 1943, hatte Oehmichen seine Puppenspie­lerkarrier­e mit seinem mobilen „Puppenschr­ein“begonnen, den man in jedem beliebigen Türrahmen montieren konnte. Heute, über 70 Jahre

später, ist die Augsburger Puppenkist­e weltweit berühmt – nicht zuletzt wegen seiner Verfilmung­en bekannter Kinderbüch­er, etwa Max Kruses „Urmel aus dem Eis“. „Auf der Bühne war die Geschichte nie zu sehen, der technische Aufwand zur Umsetzung wäre zu hoch gewesen“, erklärt Klaus Marschall. Der 59-Jährige, der heute die Fäden hinter der Bühne zieht, stand früher selbst auf der Spielbrück­e. „Meine letzte Rolle war die des Kapitän Tiphys in ‘Der Prozess um des Esels Schatten’ nach Friedrich Dürrenmatt“, erzählt er. Denn auch für Erwachsene bietet die Augsburger Puppenkist­e ein anspruchsv­olles Programm, meist abends.

DIE PUPPEN TANZEN WEITER

Das Spielkreuz mit den zehn Fäden zu beherrsche­n ist nicht einfach. Drei Jahre dauert es etwa, um die Grundlagen zu erlernen. Klaus Marschall ist damit aufgewachs­en. Und er hofft, dass sich die Augsburger Puppenkist­e noch viele Male öffnen und schließen wird. Weitere Infos findet man online auf www.augsburger-puppenkist­e.de

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Der ‘Vater’ der Figuren: Jürgen Marschall hat die Kunst des Puppenschn­itzens von seiner Mutter gelernt.
Kreativ Der ‘Vater’ der Figuren: Jürgen Marschall hat die Kunst des Puppenschn­itzens von seiner Mutter gelernt.
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Die Nase ist schon aus dem Stück Holz herausgear­beitet. Mit Ölfarbe wird dem Gesicht Leben eingehauch­t, zum Schluss ist Kleideranp­robe angesagt.
Fertig! Die Nase ist schon aus dem Stück Holz herausgear­beitet. Mit Ölfarbe wird dem Gesicht Leben eingehauch­t, zum Schluss ist Kleideranp­robe angesagt.
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 ??  ?? Die Stars
Die Szenerie im Museum „die Kiste“vereint alle Figuren und Schauplätz­e von „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivf­ührer“.
Die Stars Die Szenerie im Museum „die Kiste“vereint alle Figuren und Schauplätz­e von „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivf­ührer“.
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Weil die Beine beweglich sein müssen, bestehen sie aus mit Draht verbundene­n Holzstäben. Schuhe gibt es nicht immer. Hier entstehen sie – plus Gamaschen – einfach durch aufgeklebt­en Stoff.
Outfit Weil die Beine beweglich sein müssen, bestehen sie aus mit Draht verbundene­n Holzstäben. Schuhe gibt es nicht immer. Hier entstehen sie – plus Gamaschen – einfach durch aufgeklebt­en Stoff.
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Für eine düstere Atmosphäre in einer Szene sorgt nicht nur die Kulisse. Auch die Beleuchtun­g trägt einen wesentlich­en Teil dazu bei.
Spot an! Für eine düstere Atmosphäre in einer Szene sorgt nicht nur die Kulisse. Auch die Beleuchtun­g trägt einen wesentlich­en Teil dazu bei.
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Der Augsburger Kasperl, von Anfang an dabei und bekannt für sein loses Mundwerk, freut sich auf ein Wiedersehe­n.
Servus Der Augsburger Kasperl, von Anfang an dabei und bekannt für sein loses Mundwerk, freut sich auf ein Wiedersehe­n.
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Nord-, Westund Südhexe heißen die charmanten Damen. In Spielpause­n warten sie unter Plastikhau­ben auf den nächsten Einsatz.
Kostbar Nord-, Westund Südhexe heißen die charmanten Damen. In Spielpause­n warten sie unter Plastikhau­ben auf den nächsten Einsatz.

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