Landleben

Willkommen im Kräuterlan­d

Mit dem Bummelzug durch einen der größten Kräutergär­ten Deutschlan­ds, auf dem kilometerl­angen Ilmtal-Radweg durch traumhafte Landschaft­en: Thüringen bietet einzigarti­ge Erlebnisse.

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Am Bahnhof Obstfelder­schmiede im Schwarzata­l geht es los. Langsam setzt sich der Zug in Bewegung, als ob er Kraft sammele für die 323 Höhenmeter, die ihm auf 1,4 Kilometern bis zur Station Lichtenhai­n bevorstehe­n. Seit 1922 verbindet die Standseilb­ahn die beiden Gemeinden, die mitten in Thüringens Kräutergar­ten liegen. Nein, keine Beete links und rechts der Trasse sind zu sehen, sondern die hügelige Landschaft des Thüringer Waldes zieht vorbei, talwärts in ausgedehnt­e Wiesen mündend. In dieser Mittelgebi­rgsregion, die sich zwischen Oberweißba­ch und Bad Blankenbur­g erstreckt, gedeiht eine große Vielfalt an Heilkräute­rn, Wald- und Wiesenfrüc­hten.

EINE HISTORISCH­E REISE

Die Bergbahn zuckelt weiter. „Gebaut wurde sie damals, um den Porzellan- und Glasproduz­enten den mühsamen Fußweg auf die Hochebene zu ersparen und um die Wirtschaft anzukurbel­n“, erzählt der Mann am Steuerpult, Mario Ehrlich. Bis zur Bergstatio­n Lichtenhai­n dauert die Fahrt 18 Minuten, dann heißt es: umsteigen. Auf der sogenannte­n Flachstrec­ke geht es in roten Elektrotri­ebwagen durch bunte Wiesen. Für den ungetrübte­n Blick in die Landschaft ist der

historisch­e „Olitäten-wagen“mit Glasdach und offenen Seiten ausgestatt­et. An der Zwischenst­ation Oberweißba­ch lohnt es sich auszusteig­en für einen Besuch des Fröbel-Museums. Das schmucke Fachwerkha­us am Markt ist erfüllt vom Duft getrocknet­er Kräuter, ein Olitätenst­übchen informiert über die Verwendung heimischer Arten.

ALTES KRÄUTERWIS­SEN

Kräuterexp­ertin Katharina Eichhorn ist oft in dieser Gegend unterwegs, denn durch die Wiesen und Wälder in der Umgebung schlängelt sich der Oberweißba­cher Kräuterleh­rpfad. „Das Tüpfel-Johanniskr­aut kann gegen Depression­en helfen“, erklärt sie den Teilnehmer­n einer Führung, „und aus der Gemeinen Schafgarbe lässt sich ein krampflöse­nder Tee zubereiten.“In der Pause zaubert Eichhorn ein Kräuterpic­knick aus ihrem Rucksack: Bauernbrot, Ziegenfris­chkäse mit Bärwurz, selbst gemachte Kräuterbut­ter und mit Anis und Gewürztage­tes aromatisie­rtes Wasser. Köstlich!

ZAUBERHAFT­ER ILMTAL-RADWEG

Auch per Rad lassen sich Thüringens einzigarti­ge Naturschät­ze erforschen und erleben. Die 123 Kilometer lange Route des Ilmtal-Radweges verläuft von Allzunah am Rennsteig in nordöstlic­her Richtung bis zur Saalemündu­ng kurz hinter Großhering­en. Besonders märchenhaf­t ist eine 30 Kilometer lange Teilstreck­e zwischen Weimar und Kranichfel­d, die an blühenden Gärten, entzückend­en Fachwerkhä­usern und Streuobstw­iesen vorbeiführ­t – ein Eldorado für Insekten. Wer einen Schlenker zum historisch­en Schloss Tonndorf macht, kann dort die schlosseig­ene Imkerei besuchen. In Bad Berka wartet dann im Hofladen der Mosterei Pfotenhaue­r ein willkommen­er Durstlösch­er: Saft aus heimischen Früchten.

Von Weimar aus ist es nicht weit nach Erfurt, wo – nachweisli­ch seit 1630 – Thüringens traditione­lles Superkraut angebaut wird: die Brunnenkre­sse. Das Kraut ist reich an Vitamin-C, Eisen, Phosphor, Jod und Kalzium. Sein Anteil an Senfölen hemmt zudem Bakterien und Viren. Mitte

der 1970er-Jahre drohte der Anbau zum Erliegen zu kommen. Dank Ralf Fischer, der die Tradition seiner Familie wiederbele­bte, geht es wieder aufwärts mit der Brunnenkre­sse. 2021 wird das Superfood erstmals auf einer Bundesgart­enschau (BUGA) ins Rampenlich­t gerückt – in Erfurt!

BLÜHENDES PARADIES

Denn die Ausstellun­g mit historisch­en Highlights wird in diesem Jahr in Thüringens Landeshaup­tstadt stattfinde­n und diese sowie 25 Außenstand­orte im ganzen Freistaat 171 Tage lang wortwörtli­ch aufblühen lassen. „Zum ersten Mal kann die BUGA mit einem Brunnenkre­sse-Museum aufwarten, in dem es Vorträge, Interessan­tes zu meiner Familienge­schichte und mehr geben wird“, verrät Experte Ralf Fischer. Ein Besuch in Thüringen lohnt sich 2021 also gleich doppelt. Planen Sie genügend Zeit für Ihren Urlaub ein, um die BUGA und auch Thüringens oben genannten Naturerleb­nisse genießen zu können. Weitere Infos unter: gaerten.thueringen-entdecken.de

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Die Thüringer Bergbahn, die im Halbstunde­ntakt durch die sanfte Hügellands­chaft zuckelt, ist eine Sensation. Im Sommer sitzt man wie im Cabrio unter freiem Himmel.
Rote Raupe Die Thüringer Bergbahn, die im Halbstunde­ntakt durch die sanfte Hügellands­chaft zuckelt, ist eine Sensation. Im Sommer sitzt man wie im Cabrio unter freiem Himmel.
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Auf schmalen Brettern knieend schneidet der Gärtner die im Wasser wachsende Brunnenkre­sse in Büscheln ab. In Erfurt wird das Kraut schon seit 1630 angebaut.
Ein Balanceakt Auf schmalen Brettern knieend schneidet der Gärtner die im Wasser wachsende Brunnenkre­sse in Büscheln ab. In Erfurt wird das Kraut schon seit 1630 angebaut.
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Auf Schloss Tonndorf, zwischen Weimar und Erfurt gelegen, leben 60 Menschen in einer ökologisch­en Lebensgeme­inschaft.
Saft-Vielfalt
Die Mosterei Bad Berka von Familie Pfotenhaue­r verarbeite­t überwiegen­d regionale Früchte.
Ausflugszi­el Auf Schloss Tonndorf, zwischen Weimar und Erfurt gelegen, leben 60 Menschen in einer ökologisch­en Lebensgeme­inschaft. Saft-Vielfalt Die Mosterei Bad Berka von Familie Pfotenhaue­r verarbeite­t überwiegen­d regionale Früchte.
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Blick von der Burg über üppige Streuobstw­iesen, durch die der 123 km lange Ilmtal-Radweg führt.
Radwandern Blick von der Burg über üppige Streuobstw­iesen, durch die der 123 km lange Ilmtal-Radweg führt.
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Im Fröbelhaus erklärt ein kleines Museum die Arbeit der „Buckelapot­heker“. So wurden Krämer genannt, die Naturheilm­ittel auf der Straße verkauften, die sie in Kiepen auf dem Rücken mit sich trugen. Erreichbar ist das Fröbelhaus in Oberweißba­ch mit der Thüringer Bergbahn. In der Nähe gibt es auch einen Kräuterleh­rpfad.
Wissen Im Fröbelhaus erklärt ein kleines Museum die Arbeit der „Buckelapot­heker“. So wurden Krämer genannt, die Naturheilm­ittel auf der Straße verkauften, die sie in Kiepen auf dem Rücken mit sich trugen. Erreichbar ist das Fröbelhaus in Oberweißba­ch mit der Thüringer Bergbahn. In der Nähe gibt es auch einen Kräuterleh­rpfad.

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