Schöne Aussichten
Skispringen Die Vierschanzentournee dürfte spannend wie selten werden. Der Pole Stoch und der Österreicher Kraft werden sich wohl ein Duell um den Gesamtsieg liefern. Bei den Deutschen läuft es mit einer Ausnahme eher mäßig
Garmisch Partenkirchen Die Vierschanzentournee wird zum Krimi. Der Pole Kamil Stoch und der Österreicher Stefan Kraft liefern sich ein Duell um den Gesamtsieg. Die beiden Kontrahenten trennen nach den ersten zwei Wettbewerben in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen nur 0,8 Punkte, was etwa einem halben Meter entspricht.
Den Tagessieg beim gestrigen Neujahrsspringen sicherte sich der Norweger Daniel Andre Tande vor Stoch und Kraft. Bester Deutscher war Markus Eisenbichler als Vierter
(siehe Artikel unten). In den Zweikampf an der Spitze wird er aber kaum mehr eingreifen können. Dafür müssten Stoch, Kraft und nicht zuletzt der drittplatzierte Tande extrem patzen. Das aber ist unwahrscheinlich, zu stabil springen vor allem die ersten beiden.
Und auch die Spielchen drumherum beherrschen sie perfekt. Als Erstes schlendert Stoch gestern Abend zur Pressekonferenz. Entspannt drapiert er seine Mütze mit dem Logo des Sponsors gut sichtbar auf dem Tisch. Ein Griff in die Frisur, dann checkt der Pole sein Handy, ehe er sich in die Ergebnisliste vertieft. Kraft kommt aufs Podium. Mindestens genauso entspannt. Kurzer Gruß. Stoch setzt seine Mütze wieder auf. Beide studieren eifrig die Ergebnisliste. Kein Smalltalk. Dann beginnt die Pressekonferenz. Tande wird zuerst interviewt. Daneben plaudern Stoch und Kraft dann doch. Im Flüsterton. Beide grinsen, gestikulieren.
Dann muss Stoch antworten. Ob er jetzt der große Favorit auf den Gesamtsieg sei? Nein, sagt Stoch. „Es können noch viele nach ganz vorne kommen. Es reicht, wenn einer mal etwas mehr Glück hat und ich nicht.“
Der Pole hat fast alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. OlympiaGold, Weltmeister, Weltcupgesamtsieg – nur die Vierschanzentournee fehlt ihm noch in seiner Titelsammlung. Diesen Gedanken allerdings will er gar nicht erst in seinen Kopf lassen. „Ich strebe jetzt nicht mit aller Gewalt nach diesem Sieg. Ich will immer zu den Besten gehören, aber ich muss nicht immer gewinnen.“Spätestens jetzt ist klar: Stoch hat sich für die Taktik des Understatements entschieden.
Kraft hört seinem Kontrahenten konzentriert zu. Er hat ihm diesen einen Sieg, der für viele der wichtigste im Skispringen ist, voraus. Vor zwei Jahren gewann er die Tournee und schickt sich nun an, diesen Triumph zu wiederholen. Seine Taktik in der Außendarstellung ist offensiver. „Ich bin super zufrieden mit meinen beiden Sprüngen hier“, sagt er. Dabei liege ihm die Schanze in Garmisch-Partenkirchen eigentlich gar nicht. Gerne hätte er seine Führung in der Gesamtwertung verteidigt, „aber das ist sich knapp nicht ausgegangen. 0,8 Punkte Rückstand sind so gut wie nichts. Außerdem ist erst die Hälfte absolviert. Da kann noch viel passieren.“
Dann ist die Pressekonferenz zu Ende. Kurzer Handschlag. Knappe Gespräche mit Journalisten aus der Heimat, und schon sind die beiden Kontrahenten weg. Stattdessen steht Heinz Kuttin, Cheftrainer der Österreicher, da und attestiert Kraft, dass er „ruhiger geworden“ist. „Er wollte es am Anfang der Saison ein bisschen zu sehr erzwingen.“Mit Krafts gestriger Leistung ist er trotzdem nicht ganz zufrieden. „Das war gut, aber nicht sehr gut. Am Absprung hat er Höhe verschenkt. Aber was er dann im fliegerischen Bereich noch daraus gemacht hat, war phänomenal.“
Nicht ganz so phänomenal ist, was die deutsche Mannschaft (abgesehen von Eisenbichler) bisher zeigt. Überraschend ist der Auftritt von Stephan Leyhe, der zur Tourneehälfte den zehnten Platz belegt. Ihm folgt auf Rang elf Andreas Wellinger. Bundestrainer Werner Schuster zieht ein durchwachsenes Zwischenfazit. „Wenn mir vor der Saison jemand gesagt hätte, dass wir zwei Leute unter den Top Ten haben und die beiden heißen nicht Freund, Freitag oder Wellinger – das hätte ich nicht geglaubt.“
Jetzt ist aber genau das passiert und der Umkehrschluss liegt auf der Hand: Bei den arrivierten Kräften läuft es nicht rund. „Wir haben noch Potenzial und wollen das natürlich in Österreich ausschöpfen“, sagt Schuster. „Für Markus haben wir noch die Hoffnung, dass er aufs Podium kommt. Daher ist es für mich bisher in Ordnung, auch wenn das herausragende Ergebnis noch fehlt.“