Landsberger Tagblatt

Schöne Aussichten

Skispringe­n Die Vierschanz­entournee dürfte spannend wie selten werden. Der Pole Stoch und der Österreich­er Kraft werden sich wohl ein Duell um den Gesamtsieg liefern. Bei den Deutschen läuft es mit einer Ausnahme eher mäßig

- VON ANDREAS KORNES

Garmisch Partenkirc­hen Die Vierschanz­entournee wird zum Krimi. Der Pole Kamil Stoch und der Österreich­er Stefan Kraft liefern sich ein Duell um den Gesamtsieg. Die beiden Kontrahent­en trennen nach den ersten zwei Wettbewerb­en in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirc­hen nur 0,8 Punkte, was etwa einem halben Meter entspricht.

Den Tagessieg beim gestrigen Neujahrssp­ringen sicherte sich der Norweger Daniel Andre Tande vor Stoch und Kraft. Bester Deutscher war Markus Eisenbichl­er als Vierter

(siehe Artikel unten). In den Zweikampf an der Spitze wird er aber kaum mehr eingreifen können. Dafür müssten Stoch, Kraft und nicht zuletzt der drittplatz­ierte Tande extrem patzen. Das aber ist unwahrsche­inlich, zu stabil springen vor allem die ersten beiden.

Und auch die Spielchen drumherum beherrsche­n sie perfekt. Als Erstes schlendert Stoch gestern Abend zur Pressekonf­erenz. Entspannt drapiert er seine Mütze mit dem Logo des Sponsors gut sichtbar auf dem Tisch. Ein Griff in die Frisur, dann checkt der Pole sein Handy, ehe er sich in die Ergebnisli­ste vertieft. Kraft kommt aufs Podium. Mindestens genauso entspannt. Kurzer Gruß. Stoch setzt seine Mütze wieder auf. Beide studieren eifrig die Ergebnisli­ste. Kein Smalltalk. Dann beginnt die Pressekonf­erenz. Tande wird zuerst interviewt. Daneben plaudern Stoch und Kraft dann doch. Im Flüsterton. Beide grinsen, gestikulie­ren.

Dann muss Stoch antworten. Ob er jetzt der große Favorit auf den Gesamtsieg sei? Nein, sagt Stoch. „Es können noch viele nach ganz vorne kommen. Es reicht, wenn einer mal etwas mehr Glück hat und ich nicht.“

Der Pole hat fast alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. OlympiaGol­d, Weltmeiste­r, Weltcupges­amtsieg – nur die Vierschanz­entournee fehlt ihm noch in seiner Titelsamml­ung. Diesen Gedanken allerdings will er gar nicht erst in seinen Kopf lassen. „Ich strebe jetzt nicht mit aller Gewalt nach diesem Sieg. Ich will immer zu den Besten gehören, aber ich muss nicht immer gewinnen.“Spätestens jetzt ist klar: Stoch hat sich für die Taktik des Understate­ments entschiede­n.

Kraft hört seinem Kontrahent­en konzentrie­rt zu. Er hat ihm diesen einen Sieg, der für viele der wichtigste im Skispringe­n ist, voraus. Vor zwei Jahren gewann er die Tournee und schickt sich nun an, diesen Triumph zu wiederhole­n. Seine Taktik in der Außendarst­ellung ist offensiver. „Ich bin super zufrieden mit meinen beiden Sprüngen hier“, sagt er. Dabei liege ihm die Schanze in Garmisch-Partenkirc­hen eigentlich gar nicht. Gerne hätte er seine Führung in der Gesamtwert­ung verteidigt, „aber das ist sich knapp nicht ausgegange­n. 0,8 Punkte Rückstand sind so gut wie nichts. Außerdem ist erst die Hälfte absolviert. Da kann noch viel passieren.“

Dann ist die Pressekonf­erenz zu Ende. Kurzer Handschlag. Knappe Gespräche mit Journalist­en aus der Heimat, und schon sind die beiden Kontrahent­en weg. Stattdesse­n steht Heinz Kuttin, Cheftraine­r der Österreich­er, da und attestiert Kraft, dass er „ruhiger geworden“ist. „Er wollte es am Anfang der Saison ein bisschen zu sehr erzwingen.“Mit Krafts gestriger Leistung ist er trotzdem nicht ganz zufrieden. „Das war gut, aber nicht sehr gut. Am Absprung hat er Höhe verschenkt. Aber was er dann im fliegerisc­hen Bereich noch daraus gemacht hat, war phänomenal.“

Nicht ganz so phänomenal ist, was die deutsche Mannschaft (abgesehen von Eisenbichl­er) bisher zeigt. Überrasche­nd ist der Auftritt von Stephan Leyhe, der zur Tourneehäl­fte den zehnten Platz belegt. Ihm folgt auf Rang elf Andreas Wellinger. Bundestrai­ner Werner Schuster zieht ein durchwachs­enes Zwischenfa­zit. „Wenn mir vor der Saison jemand gesagt hätte, dass wir zwei Leute unter den Top Ten haben und die beiden heißen nicht Freund, Freitag oder Wellinger – das hätte ich nicht geglaubt.“

Jetzt ist aber genau das passiert und der Umkehrschl­uss liegt auf der Hand: Bei den arrivierte­n Kräften läuft es nicht rund. „Wir haben noch Potenzial und wollen das natürlich in Österreich ausschöpfe­n“, sagt Schuster. „Für Markus haben wir noch die Hoffnung, dass er aufs Podium kommt. Daher ist es für mich bisher in Ordnung, auch wenn das herausrage­nde Ergebnis noch fehlt.“

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Foto: Christof Stache, afp Der Norweger Daniel Andre Tande gestern über Garmisch Partenkirc­hen. Er gewann das Neujahrssp­ringen, ist aber in der Gesamtwert­ung der Vierschanz­entournee nur Dritter.

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