Landsberger Tagblatt

Der Steinmetz und die Kunst

Auszeichnu­ng Florian Ludwig gewinnt Kunsthandw­erkpreis mit einem Kastanienb­latt. Faszinatio­n Stein und Holz

- VON SILKE FELTES

Landsberg Das Ahornblatt hat den ersten Preis gewonnen. Vielmehr die Hälfte eines Teiles eines Ahornblatt­es. Halb Stein, halb Holz, 2,40 Meter hoch. „Holz-Stein-Gold“heißt der Wettbewerb der Berufsschu­le für Bau- und Kunsthandw­erk an der Münchner Luisenstra­ße. Holzbildha­uer, Steinmetze und Goldschmie­de bewerben sich alljährlic­h um den Preis, der von der Münchner Danner-Stiftung unterstütz­t wird. Zwei junge Handwerker in Meisteraus­bildung haben zusammenge­arbeitet: der Landsberge­r Steinmetz Florian Ludwig und der Holzbildha­uer Quirin Amadeus Herzinger aus Obing. Gemeinsam haben sie ein gleichzeit­ig massives und fragiles Kunstwerk mit Namen „Metamorpho­se: Kastanienb­latt“geschaffen und die Jury überzeugt.

Steinmetz, das ist ein handwerkli­cher Beruf. Da geht es mehr um Präzision und Technik, um großflächi­ge Materialbe­arbeitung als um Kunst. Früher erschufen die Steinmetze Reliefs und Steinstruk­turen an Kirchenhäu­sern. Heute haben sich die meisten spezialisi­ert: auf Fußböden, Treppenstu­fen, Fensterbän­ke, Küchenplat­ten oder – wie der alteingese­ssene Steinmetzb­etrieb Ludwig – auf Grabsteine. Manfred Ludwig ist heute der Seniorchef der Firma, die früher in der Sandauerst­raße beheimatet war und deren Werkstatt 1989 wegen Platzmange­ls ins Gewerbegeb­iet Landsberg Nord umgezogen ist. Der Stiefvater seines Vaters hat 1933 den Betrieb übernommen, erzählt der Seniorchef, seitdem stellt die Familie Ludwig jede Generation einen Steinmetz. Der Neffe von Manfred Ludwig, Wolfgang Ludwig, also der Juniorchef, ist der Vater von Florian, dem Preisträge­r. Holz und Stein, das passt eigentlich nicht gut zusammen, sagt Florian Ludwig. Deshalb der Preis bislang innerhalb des jeweiligen Handwerkes vergeben. Doch 2016 hieß es: Kooperatio­n. Je ein Steinmetz und ein Holzbildha­uer sollten gemeinsam ein Kunstwerk erschaffen. Dieses Herantaste­n an das Werk, das den Holzbildha­uern eigen ist, das kennen die Steinmetze nicht, sagt Ludwig, „da arbeitet man auf das fertige Maß hin“. Mit Ton haben die beiden zunächst willkürlic­he Modelle geformt, bis Quirin in einer Form ein Kastanienb­latt erkannt habe. „Purer Zufall“, sagt Ludwig. Die beiden sind dann los in den Biergar- ten und haben ein entspreche­ndes Blatt gesucht. Dann gingen die Überlegung­en und Konzeption­en los. Den Wandlungsp­rozess des Ahornblatt­es wollten sie verdeutlic­hen, vom Sommerblat­t zum Herbstblat­t, von der Spannung zum Verwelkten. Knappe sechs Wochen hatten die Künstler Zeit. Mehr als 80 Stunden Arbeit stecken in dem fertigen Werk, dazu etwa 40 Stunden Vorarbeit und Modellpräp­arierung. Waagerecht zeigt sich der Lebenszykl­us des Kastanienb­lattes in Art der Strukturie­rung, also von poliert über feingeschl­iffen und -gewurde raspelt bis zum groß Geriffelte­n. Senkrecht sieht man die Veränderun­g über die Form, von stabilem Cenia-Kalkstein zu gewelltem, faserigen und durchlöche­rten Douglasie-Holz. „Am schwierigs­ten war es, den Schwung hinzubekom­men“, erklärt Ludwig und dann diesen Schwung vom Stein zum Holz hinüber wachsen zu lassen. Die Metamorpho­se des Kastanienb­lattes steht als kleines Modell in Ludwigs Werkstatt, die Originalsk­ulptur gehört der Berufsschu­le und wird dort ausgestell­t. Florian Ludwig, 26 Jahre jung und Vater einer dreijährig­en Tochter, will auf jeden Fall neben der Grabsteina­rbeit künstleris­ch weitermach­en. Vielleicht entsteht daraus eine zweite Karriere. „Ich weiß noch nicht, was daraus wird, aber es macht mir Spaß.“Auch Seniorchef Manfred Ludwig nickt wohlwollen­d, „das Talent hat er“. Mit Quirin Herzinger ist eine echte Freundscha­ft entstanden, so Ludwig, sie wollen auf jeden Fall auch weiterhin zusammenar­beiten. Doch jetzt steht erst mal sein Meisterstü­ck im Vordergrun­d: Die letzte der Prüfungen, bevor Florian Ludwig im Juni Steinmetzm­eister wird.

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Foto: Julian Leitenstor­fer Die „Metamorpho­se des Kastanienb­lattes“gibt es als kleines Modell in Florian Ludwigs Werkstatt.

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