Flüchtlinge zieht es vor allem nach Deutschland
Die Zahl der neuen Asylbewerber ging 2016 stark zurück. Doch es gibt mehr Anträge als in allen anderen EU-Ländern zusammen
Im vergangenen Jahr kamen etwas mehr als 300000 Flüchtlinge nach Deutschland. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle im Jahr 2015 waren es mit rund 890 000 fast dreimal so viele. Gleichzeitig ist die Zahl der Ausländer, die das Land entweder freiwillig wieder verlassen haben oder abgeschoben wurden, auf knapp 80 000 gestiegen. „Netto“liegt die Zahl der Neuankömmlinge damit bei etwa 220 000 – also knapp über der von CSU-Chef Horst Seehofer geforderten Obergrenze. Die endgültigen Zahlen legt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) nächste Woche vor.
In den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres wurden im sogenannten „Easy-System“der Bundesländer, in denen die Flüchtlinge bei ihrer Erstaufnahme registriert werden, knapp 305 000 Personen erfasst. Allerdings verweisen Experten darauf, dass die tatsächliche Zahl etwas niedriger sein dürfte. Das liegt einerseits an Fehl- und Mehrfachregistrierungen, andererseits wird nicht erfasst, wie viele Flüchtlinge Deutschland nur als Durchgangsstation nutzen und beispielsweise nach Skandinavien weiterreisen. Knapp 20000 Ausländern wurde die Einreise in die Bundesrepublik schon an der Grenze verweigert.
Im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das für die Bearbeitung der Asylverfahren zuständig ist, schlugen die Folgen der großen Flüchtlingswelle erst im vergangenen Jahr voll durch. Bis November wurden 723 072 Anträge auf Asyl gestellt, das sind 70,1 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Über 615 527 Anträge wurde entschieden – eine Zunahme von 156,4 Prozent. Die Behörde arbeitet damit zumindest langsam den Berg des vergangenen Jahres ab. Im November wurde über die Rekordzahl von 86000 Anträgen entschieden, während „nur“noch 26 438 neue Verfahren dazukamen. Die meisten Asylbewerber, die einen Antrag gestellt haben, kamen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. In Deutschland wurden mehr Asylanträge gestellt als in allen anderen 27 EU-Staaten zusammen. Das bestätigte die europäische Statistikbehörde Eurostat. Die Anerkennungsquote lag bei 63,3 Prozent.
Trotz allem stapeln sich beim Bamf noch immer unerledigte Altfälle. „Wir gehen davon aus, dass wir mit etwa 400 000 anhängigen Verfahren ins Jahr 2017 gestartet sind“, sagte eine Sprecherin der Behörde auf Anfrage unserer Zeitung. Die Verfahrensdauer lag im Durchschnitt
Die Verfahren werden jetzt viel schneller bearbeitet
bei 5,2 Monaten, ist aber gegen Ende des Jahres wieder gestiegen. „Das ist darauf zurückzuführen, dass das Bundesamt momentan viele ältere, oftmals komplexe Verfahren abarbeitet, die mehr Zeit in Anspruch nehmen“, erklärt die Sprecherin. Im Übrigen liegt die durchschnittliche Verfahrensdauer bei Anträgen, die seit Juni gestellt wurden, nur noch bei 2,0 Monaten.
Ende Oktober waren 206 000 Personen ausreisepflichtig, weil ihr Antrag auf Asyl oder nachrangigen subsidiären Schutz abgelehnt wurde – allerdings besaßen 153 700 von ihnen eine Duldung. Knapp 20 888 Ausländer wurden abgeschoben. Um noch mehr Personen zu bewegen, das Land zu verlassen, will der Staat mit „Bonuszahlungen“von insgesamt 40 Millionen Euro weitere finanzielle Anreize schaffen.
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