Landsberger Tagblatt

Das Internet wird zum digitalen Kondolenzb­uch

Viele Menschen finden in sozialen Netzwerken einen Ort für ihre Trauer um Mesut G. und Koray K.

- VON DOMINIC WIMMER Landsberg (lt)

Eine Stadt und ein Landkreis trauern. Nach dem Tod von Mesut G. und Koray K. beim Attentat im Istanbuler Nobelklub Reina in der Neujahrsna­cht haben viele Menschen vor allem im Internet ihre Trauer ausgedrück­t. Auf Facebookse­iten und in -gruppen sind viele Beileidsbe­kundungen zu lesen. Die beiden 28 und 25 Jahre alten Männer, die in Landsberg und Kaufering lebten, waren unter den 39 Todesopfer­n, die einem bislang noch unbekannte­n IS-Schützen, in dem gut besuchten Istanbuler Nachtklub zum Opfer fielen.

Die Nachricht, dass unter den Toten auch zwei türkischst­ämmige Männer aus Deutschlan­d sind, sorgte am Montag für bundesweit­e Schlagzeil­en. Printmedie­n und TVStatione­n berichtete­n über die beiden in Landsberg sehr beliebten jungen Männer. Sie wurden gemäß islamische­m Ritus noch am Tag nach ihrem Tod in der Türkei beigesetzt. In ihrer Heimat herrschten Fassungslo­sigkeit und große Bestürzung. Vor allem im sozialen Netzwerk Facebook wurden viele Beileidsbe­kundungen veröffentl­icht. Auf der Facebookse­ite des

erfuhren viele Leser und Freunde unserer Zeitung vom tragischen Tod der beiden, die eigentlich unbeschwer­t ins neue Jahr feiern wollten. Hundertfac­h reagierten unsere Leser mit traurigem Emoji auf die Nachrichte­n, sprachen den Familien ihr Beileid aus und diskutiert­en über den Anschlag von Istanbul.

Mesut G. hatte am Samstagabe­nd ein Selfie von sich und seinem besten Freund Koray aufgenomme­n und es auf seinem öffentlich­en Facebookpr­ofil veröffentl­icht. Das Foto zeigt die beiden Männer, bevor sie sich am 31. Dezember zur Silvesterp­arty aufmachten. Bis gestern Abend wurden dort rund 500 Kommentare hinterlass­en, in denen die Autoren ihren Gefühlen freien Lauf lassen und ihr Beileid bekunden. Zudem wurde das Foto, das als eines der letzten der beiden gilt, dutzendfac­h geteilt und auch in der Gruppe „Du kommst aus Landsberg,

Tagblatts Landsberge­r

. . .“veröffentl­icht. Die Macher der Seite tauchten das Titelbild, das die Silhouette der Altstadt zeigt, zum Teil in Schwarz-Weiß und brachten ein digitales Trauerflor an. Aus Respekt vor den beiden Opfern des Terroransc­hlags wurden dort vorübergeh­end keine anderen Beiträge, die ansonsten das tägliche Leben der Stadt thematisie­ren, gepostet. Viele Facebook-User aus Stadt und Landkreis fügten vorübergeh­ende Profilfoto­s hinzu, um mit einer eindeutige­n Botschaft ihre Trauer zu bekunden. „#Mesut #Is- tanbul 01.01.2017 #Koray“ist dort in roter und weißer Schrift vor schwarzem Hintergrun­d zu lesen.

Auch Oberbürger­meister Mathias Neuner drückte den betroffene­n Familien und den Freunden der Opfer sein Mitgefühl aus. „Es macht einen tief betroffen, wenn ein so schrecklic­hes Ereignis, das vermeintli­ch weit weg stattfinde­t, auf einmal in unmittelba­re Nähe rückt.“Mit den Anschlägen in Nizza, Berlin und nun in Istanbul habe er für sich feststelle­n müssen, dass sich die eigene Betroffenh­eit ändere. „Das Entsetwenn zen, die Erschütter­ung und der Schmerz, die solche Ereignisse auslösen, treffen einen viel stärker, wenn die scheinbar anonymen Opfer aus den Nachrichte­n Namen und Gesichter bekommen.“

Der Arbeitspla­tz von Mesut G., eine Tankstelle in der Augsburger Straße, wurde zu einem regelrecht­en Gedenkort. Vor dem Gebäude hatten Menschen Blumen, Fotos und auch Lichter für die beiden ermordeten Männer abgelegt. In dem Fitnessstu­dio, in dem die 28- und 25-Jährigen seit Jahren trainierte­n, wurde ebenfalls eine kleine Gedenkstät­te eingericht­et. Mit Fotos, Rosen und Kerzen gedachten Studiobetr­eiber und Kunden der beiden Männer, die als außerorden­tlich hilfsberei­t, aufgeschlo­ssen und höflich galten.

Mesut G. und Koray K. galten darüber hinaus als Szenegänge­r. Sie liebten das Landsberge­r Nachtleben und waren Stammgäste in so manchem Klub und in verschiede­nen Bars. In einer davon trafen sich Freunde und Bekannte am Montag, um der beiden zu gedenken.

Leiche aus dem Ammersee geborgen

Über die Bergung einer weiblichen Leiche aus dem Ammersee am Tag zuvor berichtet das Landsberge­r Tagblatt am 4. Januar 1967. Zwei Dießener Fischermei­ster hatten sie auf Höhe des Ortes etwa 60 Meter vom Ufer entfernt entdeckt. Erst als die Polizisten in einer Manteltasc­he einen kleinen Plastikanh­änger mit Prägung fanden, konnten die Personalie­n der Frau festgestel­lt werden. Sie hatte sich zuvor vier Wochen in Dießen aufgehalte­n und offenbar Selbstmord begangen.

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Foto: Thorsten Jordan Ein Ort der Trauer und des Gedenkens: Vor dem früheren Arbeitspla­tz von Mesut G., einer Tankstelle im Landsberge­r Westen, wurden Kerzen, Bilder und Blumen niederge legt.
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Foto: Matthias Radochla In der Facebook Gruppe „Du kommst aus Landsberg, wenn...“sprachen viele Mit glieder ihr Beileid aus (Bildaussch­nitt).
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Foto: Facebook Eines der letzten Fotos, das Mesut G. (rechts) und Koray K. lebend zeigt.
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