Die Grünen suchen nach innerer Ruhe
In Berlin präsentieren sich die Bewerber für die Wahl der Spitzenkandidaten ein letztes Mal der Basis. Der jüngste Shitstorm und die mauen Umfragewerte zeigen Wirkung
Berlin Niemand soll denken, dass die Grünen beim Thema innere Sicherheit nach dem Krach der vergangenen Tage verschreckt sind. Eigentlich sollen sich die vier Kandidaten, die ihre Partei in den Bundestagswahlkampf führen wollen, nur kurz vorstellen. Stattdessen reden drei von ihnen erst einmal ungefragt und ausführlich über Polizei, Terrorabwehr und Zuwanderungspolitik.
Beim letzten Vorstellungstermin vor dem Ende der Spitzenwahl wird sofort sichtbar: Die Partei steht unter gewaltigem Druck. Die Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter teilen gegen die Union aus, Parteichef Cem Özdemir spricht über Prävention. Mehr und besser ausgestattete Polizisten, klare Zuständigkeiten der Sicherheitsbehörden, Vorsorge nicht auf Kosten von Bürgerrechten, so lässt sich das zusammenfassen.
Über Simone Peter spricht keiner – die Parteichefin, die in den letzten Tagen einen gewaltigen Shitstorm über sich und damit auch die Partei gebracht hat. Oder doch? Robert Habeck, der Landesminister aus Schleswig-Holstein, nennt zwar keine Namen, teilt aber ordentlich aus. „Ich will, dass die Partei eine Aufstellung findet, die uns nicht bei neun Prozent verrecken lässt“, wettert er mit Blick auf eine jüngste Umfrage. Die Grünen hätten es nicht verdient, „mit einer zerstrittenen Führung“in die Bundestagswahl zu gehen.
Özdemir hört sich das lächelnd an. Die Doppelspitze habe den Vorteil, dass man sich Termine einteilen könne, sagt er etwas später. Doppelspitze, das Prinzip gilt auch für die Spitzenkandidatur. Am 18. Januar steht fest, mit wem Göring-Eckardt – die einzige Bewerberin auf den Frauenplatz – die Grünen in den Wahlkampf führt. Es kandidieren ein Linker (Hofreiter) und zwei vom Realo-Flügel (Özdemir und Habeck). Zu den Realos wird auch Göring-Eckardt gezählt. Von dem Spitzenduo erhofft sich die Partei auch, dass wieder eine klare politische Linie erkennbar wird. Alle vier versichern bei jeder Gelegenheit, dass das mit einer Richtungsentscheidung für Schwarz-Grün oder Rot-Rot-Grün nichts zu tun habe.
Fest steht für sie nur: Nach den enttäuschenden 8,4 Prozent vom letzten Mal soll es diesmal besser laufen. Danach sieht es derzeit aber nicht aus, von 13 Prozent ist die Partei in den Umfragen seit Sommer auf neun abgerutscht. Den Grund sieht Habeck, wie viele andere in der Partei, in den internen Streitereien zwischen den Flügeln bis hinauf zu den Vorsitzenden. Dass der Parteilinke und Ex-Umweltminister Jürgen Trittin im Spiegel zu Protokoll gibt, er würde auch wieder Regierungsverantwortung übernehmen, ärgert den Landesminister aus dem Norden sichtlich: Das sei eine „milieuinterne Diskussion“, die außerhalb der Partei überhaupt niemanden interessiere. Ansonsten geht es aber wie schon bei den letzten Veranstaltungen dieser Art ziemlich friedlich zu. Bei grünen Kernthemen wie Energiewende und nachhaltiger Landwirtschaft liegen die Kandidaten inhaltlich nah beieinander.
Sie habe während dieses Wahlkampfes gelernt, „dass drei Männer total nett zueinander sein können“, sagte Göring-Eckardt kürzlich. Es werde keine Verlierer geben, versichern Özdemir, Hofreiter und Habeck. Aber Spitzenkandidat wird nur einer. Wer, das steht vielleicht sogar schon fest, denn knapp die Hälfte der fast 61 000 Grünen-Mitglieder hat schon gewählt.
Ein Paar aus Berlin, das nur wegen der Urwahl in die Partei eingetreten ist, muss sich noch entscheiden. Sie sagt über das letzte UrwahlForum: „Das hat mir nicht geholfen. Ich hätte mehr inhaltliche Abgrenzung erwartet.“Er sagt: „In der Partei herrscht schon genug Streit.“
Teresa Dapp, dpa