Der Weg zum Maestro führt über Natalia
Eine Greifenbergerin ist seit 20 Jahren die persönliche Assistentin des Dirigenten Zubin Mehta
Greifenberg Wer etwas von dem Dirigenten Zubin Mehta will, muss in einem Dorf am Ammersee anrufen: bei Natalia Ritzkowsky, seiner persönlichen Assistentin. Sie kennt seine Termine, weiß, wann der Maestro ansprechbar ist, welche Anfragen überhaupt eine Chance haben. Sie ist seine Ratgeberin und manchmal auch „der Drache vor seiner Tür“. Natalia Ritzkowsky lebt mit Mann und zwei Söhnen seit 2011 in Greifenberg. Familie, Kindererziehung, Arbeit für den Maestro und der Einsatz für Flüchtlinge prägen ihren Alltag.
2017 feiern sie das 20. Jubiläum ihrer Arbeitsbeziehung: Maestro Zubin Mehta und Natalia Ritzkowsky aus Greifenberg. Inzwischen haben sie auch eine enge private Bindung, die Familien kennen sich, sie wissen viel voneinander. Zubin Mehta war auch schon zu Besuch in Greifenberg. Wie kommt man an einen so spannenden Job? „Das ist eine längere Geschichte“, schmunzelt Natalia Ritzkowsky.
Die Musik wurde ihr in die Wiege gelegt, der Vater der gebürtigen Schwäbin war Solohornist beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, ihre Mutter spielte Violine. Natalia selbst lernte Querflöte. Später am Gymnasium belegte sie den Musik-Leistungskurs. Nach dem Abitur jobbte sie beim ARD-Musikwettbewerb. „Das Leben in einem Musikerhaushalt hat mich geprägt, ich habe von Kindheit an immer klassische Musik gehört und auch gemocht und auch viel von den schönen und schweren Seiten des Berufes mitbekommen“, so Natalia Ritzkowsky. Nach dem Abitur ging sie ins Ausland, nach England, Israel und Frankreich. Danach folgte ein Praktikum bei der Staatsoper. „Ich habe als Küken in den verschiedenen Abteilungen im ganzen Haus gearbeitet“, erinnert sie sich. Ab April 1995 folgte die Festanstellung an der Oper, wo sie zunächst für Sir Peter Jonas im Intendanzbüro arbeitete, den Betrieb von der Pike auf kennenlernte.
1996 sollte die junge Frau auf Anweisung von Sir Peter Maestro Zu- bin Mehta vom Münchner Flughafen abholen. Der Dirigent sollte zehn Tage in München weilen, und sie sollte für ihn arbeiten. „Ich war aufgeregt, hatte Herzklopfen“, bekennt Natalia Ritzkowsky. Der Flieger hatte drei Stunden Verspätung, was die Aufregung nicht geringer werden ließ. Doch der Maestro machte es ihr leicht, als er lächelnd sagte: „Wir schaffen das schon!“Er hatte recht. Und so arbeitete sie ab 1997 ausschließlich für Zubin Mehta, der dann von 1998 bis 2006 Generalmusikdirektor an der Staatsoper München war.
Bei der Geburt ihres ersten Sohnes Yannick 2003 setzte Natalia für sechs Monate aus; Zubin Mehta und die Bayerische Staatsoper ermöglichten ihr, in Teilzeit zu arbeiten. Nach dem gemeinsamen Abschied von der Staatsoper 2006 machte sie sich selbstständig und setzte die Arbeit für den Maestro vom eigenen Büro aus fort. Alle Anfragen laufen über sie, sie handelt auch die Gagen aus, die Organisation des täglichen Ablaufes mit Proben, Interviews, Reisen, Visa etc. liegt in ihrer Hand. Eine Agentur hat Zubin Mehta nicht. „Die braucht der Maestro auch nicht, er muss sich ja nicht verkaufen, sondern er sucht aus den vielen Angeboten die für ihn passenden aus.“
Maestro – so spricht sie ihn an. Umgekehrt sagt der Maestro schlicht „Natalia“zu ihr. Die Kommunikation läuft auf Deutsch, das Zubin Mehta perfekt beherrscht, er kann sogar Wiener Dialekt. Der gebürtige Inder hat selbst einmal gesagt, er sei eigentlich ein zufällig in Bombay geborener Wiener. In der österreichischen Hauptstadt hatte er ab 1954 Musik studiert, die Stadt hat ihn geprägt.
„Ich habe so viel Glück gehabt. Diese Arbeit ist ein großes Geschenk. Ich bin mit meinem Chef auf einer Wellenlänge und wir verstehen uns prima. Er hat auch immer Verständnis für meine familiäre Situation“, sagt Ritzkowskiy. Sie genieße große Freiheit in der Strukturierung ihrer Arbeit, die weit in die Zukunft reicht: „Wir planen gerade 2020!“Normalerweise sieht sie ihren Chef alle sechs bis acht Wochen, aber wenn er in München ist, so wie die ersten Monate des Jahres 2016, manchmal auch täglich.
Zubin Mehta ist auf Lebenszeit Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestra, seit 1985 Chefdirigent an der Oper in Florenz, arbeitet jedes Jahr mit den Wiener und Berliner Philharmonikern und den Orchestern und Opernhäusern, mit denen er seit vielen Jahren verbunden ist, wie Los Angeles Philharmonic, Teatro alla Scala oder die Münchner Philharmoniker. Da kommt auch Natalia Ritzkowsky viel herum, manchmal begleitet sie ihren Chef auch, 2016 war sie mit ihm in Bombay oder auch in Wien, wo er am 29. April seinen 80. Geburtstag feierte.
Im November 2016 dirigierte Zubin Mehta zwei Konzerte: eines in München und ein Benefizkonzert für Flüchtlinge in Rosenheim. Das Thema Flüchtlinge liegt nicht nur Natalia Ritzkowsky, sondern auch Zubin Mehta am Herzen. Die Einstellung der Bundeskanzlerin und der Deutschen zur Flüchtlingsproblematik findet Zubin Mehta übrigens „großartig“. Darüber tauscht er sich auch mit seiner Assistentin aus, deren Großeltern ebenfalls eine Fluchtgeschichte haben. „Meine Großmutter ist mit fünf Kindern aus Ostpreußen geflohen.“
Die Erzählungen aus dieser Zeit haben die Enkelin geprägt, wie auch das offene Elternhaus, in dem sie früh viel Austausch mit allen Nationen und Religionen erlebt hat. „Uns geht es so gut, wir haben ein riesiges Glück, dass wir hier in Deutschland geboren sind und hier leben“, sagt sie, die sich seit einigen Jahren am Ammersee für Flüchtlinge engagiert. Der Erlös von Zubin Mehtas Rosenheimer Konzert im November ist Flüchtlingen zugutegekommen. Natalia überrascht dieses Engagement nicht: „Mein Chef ist ein so warmherziger Mensch, unkompliziert, offen für alle Menschen, er ist einfach ein großartiger Musiker und Mensch.“