Höchste Zeit
Im Umgang mit sogenannten Gefährdern gerät der Rechtsstaat an seine Grenzen. Gegen Personen, die als radikale Islamisten bekannt sind, denen die Behörden einen Akt des Terrors jederzeit zutrauen, denen aber strafrechtlich – bislang – nichts nachzuweisen ist, gibt es kaum eine Handhabe. Vor allem gilt dies, wenn es sich um deutsche Staatsbürger handelt wie bei der Mehrzahl der Gefährder. Dass der Staat bisher auch meist tatenlos zusehen musste, wenn Ausländer, die in Deutschland vorgeblich Schutz suchen, in Wirklichkeit tödliche Angriffe im Schilde führen, ist besonders schwer erträglich. Es ist fraglich, ob etwa eine elektronische Fußfessel den als Gefährder längst bekannten Tunesier Anis Amri davon abgehalten hätte, mit einem Lastwagen über den Berliner Weihnachtsmarkt zu rasen und zwölf Menschen zu töten. Keine der gestern verkündeten Maßnahmen wird Anschläge in Zukunft völlig ausschließen können. Doch es war höchste Zeit, dass sich die Bundesregierung auf konkrete Schritte einigt. Gegen Gefährder, die Tod und Terror verbreiten wollen, müssen alle Maßnahmen ergriffen werden, die rechtsstaatlich möglich sind. Seit 2011 haben deutsche Gerichte die Möglichkeit, so festzulegen, wo sich etwa verurteilte Kinderschänder aufhalten dürfen, die ihre Haft abgesessen haben, aber noch als gefährlich gelten. Bei Amri hätte per Fußfessel etwa die Einhaltung einer Wohnsitzauflage kontrolliert werden können. Zumindest solange er die Fessel getragen hätte, wäre die Polizei im Bilde gewesen, wo sich Amri gerade aufhält. Nicht aber darüber, mit wem er sich trifft, mit wem er per Internet oder Telefon kommuniziert, was er plant. Doch wie ein Kenner der Materie unserer Zeitung sagte, lässt sich das Halteband des Peilsenders am Knöchel ganz einfach mit einem normalen Kabelschneider durchtrennen. In der Überwachungszentrale werde dann zwar Alarm ausgelöst, doch bis die Polizei reagieren kann, vergehe natürlich einige Zeit.
Zeit, die Amri hätte nutzen können, um abzutauchen oder einen Anschlag zu begehen. So wie etwa Adel Kermiche. Der Islamist trug eine Fußfessel, als er 2016 in Frankreich mit einem Komplizen während der Morgenmesse in eine Kirche eindrang und einen 85-jährigen Priester mit dem Messer buchstäblich abschlachtete.