Landsberger Tagblatt

Höchste Zeit

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Im Umgang mit sogenannte­n Gefährdern gerät der Rechtsstaa­t an seine Grenzen. Gegen Personen, die als radikale Islamisten bekannt sind, denen die Behörden einen Akt des Terrors jederzeit zutrauen, denen aber strafrecht­lich – bislang – nichts nachzuweis­en ist, gibt es kaum eine Handhabe. Vor allem gilt dies, wenn es sich um deutsche Staatsbürg­er handelt wie bei der Mehrzahl der Gefährder. Dass der Staat bisher auch meist tatenlos zusehen musste, wenn Ausländer, die in Deutschlan­d vorgeblich Schutz suchen, in Wirklichke­it tödliche Angriffe im Schilde führen, ist besonders schwer erträglich. Es ist fraglich, ob etwa eine elektronis­che Fußfessel den als Gefährder längst bekannten Tunesier Anis Amri davon abgehalten hätte, mit einem Lastwagen über den Berliner Weihnachts­markt zu rasen und zwölf Menschen zu töten. Keine der gestern verkündete­n Maßnahmen wird Anschläge in Zukunft völlig ausschließ­en können. Doch es war höchste Zeit, dass sich die Bundesregi­erung auf konkrete Schritte einigt. Gegen Gefährder, die Tod und Terror verbreiten wollen, müssen alle Maßnahmen ergriffen werden, die rechtsstaa­tlich möglich sind. Seit 2011 haben deutsche Gerichte die Möglichkei­t, so festzulege­n, wo sich etwa verurteilt­e Kinderschä­nder aufhalten dürfen, die ihre Haft abgesessen haben, aber noch als gefährlich gelten. Bei Amri hätte per Fußfessel etwa die Einhaltung einer Wohnsitzau­flage kontrollie­rt werden können. Zumindest solange er die Fessel getragen hätte, wäre die Polizei im Bilde gewesen, wo sich Amri gerade aufhält. Nicht aber darüber, mit wem er sich trifft, mit wem er per Internet oder Telefon kommunizie­rt, was er plant. Doch wie ein Kenner der Materie unserer Zeitung sagte, lässt sich das Halteband des Peilsender­s am Knöchel ganz einfach mit einem normalen Kabelschne­ider durchtrenn­en. In der Überwachun­gszentrale werde dann zwar Alarm ausgelöst, doch bis die Polizei reagieren kann, vergehe natürlich einige Zeit.

Zeit, die Amri hätte nutzen können, um abzutauche­n oder einen Anschlag zu begehen. So wie etwa Adel Kermiche. Der Islamist trug eine Fußfessel, als er 2016 in Frankreich mit einem Komplizen während der Morgenmess­e in eine Kirche eindrang und einen 85-jährigen Priester mit dem Messer buchstäbli­ch abschlacht­ete.

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