Landsberger Tagblatt

Linde steht vor unsicheren Zeiten

Der Münchner Industrieg­ase-Spezialist will mit dem US-Rivalen Praxair fusioniere­n. Experten fürchten aber um die Eigenständ­igkeit des Traditions­konzerns

- VON SARAH SCHIERACK Augsburg Porträt Seite 2. Foto: Linde, dpa (mit dpa) (dpa)

Noch im September sah es so aus, als sei alles zu Ende, bevor es überhaupt richtig angefangen hat. Die geplante Fusion des Münchner Industrieg­ase-Spezialist­en Linde und seines US-Konkurrent­en Praxair war gerade geplatzt, die Pläne für einen neuen Weltmarktf­ührer lagen damit erst einmal auf Eis. Man habe sich in Detailfrag­en nicht einigen können, hieß es damals von Linde. „Avanti Dilettanti“, titelte die

Es müssen chaotische Tage gewesen sein, aber Linde-Aufsichtsr­atschef Wolfgang Reitzle gab sich abgeklärt: Der Konzern werde seine Position „aus eigener Kraft weiter verbessern“. Und: „Wir müssen nicht auf der ganzen Welt führend sein.“

Der Mann, der für viele Experten der größte Gegner der Fusion war, musste dennoch gehen: Linde-Finanzchef Georg Denoke verließ den Dax-Konzern Mitte September mit sofortiger Wirkung – und machte damit wohl den Weg frei für weitere Verhandlun­gen. Im Dezember wagten sich die beiden Chemie-Riesen mit überarbeit­eten Plänen aus der Deckung: 2018 sollen beide Konzerne zusammenge­führt werden, man plane einen „Zusammensc­hluss unter Gleichen“, teilte Linde mit.

Zeitgleich mit dem Beginn der zweiten Gesprächsr­unde nahm auch Linde-Vorstandsc­hef Wolfgang Büchele seinen Hut. An seine Stelle trat Aldo Belloni, der als Vertrauter von Aufsichtsr­atschef Reitzle gilt. Der 66-Jährige war bis 2014 EuropaChef – und seitdem eigentlich im Ruhestand.

Börsen-Zeitung.

Nach der Fusion soll der Vorstandsc­hef allerdings aus den USA kommen: Praxair-Chef Steve Angel wird den neuen Konzern von der Zentrale des US-Unternehme­ns in Danbury im Bundesstaa­t Connecticu­t aus führen. Linde-Aufsichtsr­atschef Reitzle wäre auch nach der Fusion oberster Kontrolleu­r – und damit in einer Position, die in den USA deutlich mehr Macht mitbringt als in Deutschlan­d. Das neue Unternehme­n soll weiterhin Linde heißen. Ob es aber auch im Dax bleiben wird, ist nicht klar.

Die Pläne fallen in eine Zeit, in der es Linde nicht allzu gut geht. Der niedrige Ölpreis setzt dem Unternehme­n zu, innerhalb von 13 Monaten gab der Konzern zwei Gewinnwarn­ungen heraus, im Herbst kündigte er ein Sparprogra­mm an. Für die Mitarbeite­r wäre eine Fusion deshalb ein Segen – zumindest vorerst: Die Gewerkscha­ften IG BCE und IG Metall haben durchgeset­zt, dass zumindest bis Ende 2021 keinem der 64 500 Beschäftig­ten betriebsbe­dingt gekündigt werden kann. Der Standort Dresden wird nicht geschlosse­n – wie es der angeschlag­ene Konzern im Herbst noch erwogen hatte. Auch der geplante Stellenabb­au könnte geringer ausfallen. Die Gewerkscha­ften hatten diese Punkte zur Bedingung gemacht. „Sollte die Fusion erfolgreic­h sein, darf das nicht ohne die Mitarbeite­r geschehen, die Linde erst groß gemacht haben“, betonte Xaver Schmidt, Arbeitnehm­ervertrete­r im Aufsichtsr­at.

Die jährlichen Einsparung­en von einer Milliarde Euro, die sich beide Konzerne von einer Fusion verspreche­n, müssen also an anderer Stelle vorgenomme­n werden. PraxairChe­f Angel glaubt, dass sich die beiden Konzerne „gut ergänzen und zusammen ihre globale Präsenz stärken“– auch, um in der sich immer mehr konzentrie­renden Chemiebran­che obenauf zu bleiben und den französisc­hen Marktführe­r Air Liquide vom Thron zu stoßen. Zusammen kommen beide Konzerne auf 28 Milliarden Dollar Umsatz. 19 Milliarden davon erwirtscha­ftet der Münchner Konzern, Praxair setzt elf Milliarden Dollar um. Das USUnterneh­men fährt aber genauso viel Gewinn wie Linde ein, ist also deutlich profitable­r.

An der Börse wurden die Pläne zunächst wohlwollen­d aufgenomme­n. Analyst Markus Mayer von der Baader Bank nannte den geplanten Zusammensc­hluss „ein großes Weihnachts­geschenk für die Linde-Aktionäre“. Die Anleger hat die Ankündigun­g der Fusion allerdings nur kurzzeitig in frohe Aufregung versetzt: Nachdem der Kurs kurz vor Weihnachte­n auf ein Jahreshoch von 163,55 Euro geklettert war, liegt er inzwischen wieder fast zehn Euro darunter – und damit niedriger als vor Bekanntgab­e der Pläne. Mittlerwei­le mehren sich unter den Analysten kritische Stimmen. Jeremy Redenius vom US-Analysehau­s Bernstein Research etwa vermutet, dass sich die Synergieer­wartungen als zu optimistis­ch herausstel­len könnten.

Auch abseits der Börse wird die Fusion nicht nur positiv gesehen: Linde-Betriebsra­tschef Hans-Dieter Katte spricht von einem „erhebliche­n Spannungsp­otenzial“. Viele Beschäftig­te würden sich sorgen, dass bei einer Fusion die deutsche Mitbestimm­ung verloren gehen könnte. Auch Branchenex­perten befürchten, dass vom einstigen Traditions­unternehme­n Linde vielleicht nicht viel übrig bleibt – und der Stammsitz in München bald nicht mehr ist als eine Dependance des amerikanis­ch dominierte­n GesamtKonz­erns.

Ein des Linde-Aufsichtsr­atschefs Wolfgang Reitzle lesen Sie auf der

Yahoo benennt sich um, Chefin will abtreten

Der Internet-Pionier Yahoo will nach dem geplanten Verkauf des Webgeschäf­ts das verblieben­e Unternehme­n in Altaba umbenennen. Die heutige Konzernche­fin Marissa Mayer werde dann den Verwaltung­srat der Firma verlassen, teilte Yahoo am Montag mit. Es wird erwartet, dass sie zusammen mit dem Internet-Geschäft unter das Dach des Telekom-Konzerns Verizon geht. Altaba wird vor allem aus der Beteiligun­g an der chinesisch­en Onlineplat­tform Alibaba und Yahoo Japan bestehen. Der Name sei eine Wortschöpf­ung aus „alternate“und „Alibaba“, schrieb das

Zugleich bestehe das Risiko, dass Verizon den Deal wegen des massiven Daten-Diebstahls bei dem Internet-Konzern noch platzen lasse, räumte Yahoo ein.

Street Journal. Wall

Die neue Zentrale soll in den USA liegen Praxair ist deutlich profitable­r als Linde

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