Landsberger Tagblatt

Sprachkurs­e allein reichen nicht zum Verständni­s

Asyl Ohne Übersetzer werden Behörden- oder Arztbesuch­e oft zum Vabanquesp­iel. Flüchtling­e als Laiendolme­tscher ausgebilde­t

- VON DIETER SCHÖNDORFE­R

Landkreis Wer in einer Verwaltung einmal einen Antrag amtlichen Charakters stellen musste, der weiß vermutlich, dass dies kein einfaches Unterfange­n ist. „Amtsdeutsc­h“, Fachbegrif­fe und großer Umfang lassen das Ausfüllen der Formulare schon für deutsche Staatsbürg­er oft zu einer Qual werden. Wie soll es da Asylsuchen­den gehen, wenn sie noch nicht oder nur unzureiche­nd der Sprache ihres neuen Wunschheim­atlandes mächtig sind? Dann sind sie auf die Hilfe von Sprachmitt­lern oder gar profession­ellen Dolmetsche­rn angewiesen. Doch davon gibt es im Landkreis Landsberg zu wenig, weiß Marianne Asam, Leiterin Soziale Dienste beim Roten Kreuz Landsberg: „Der Bedarf an Übersetzer­n wird immer größer“– zum Beispiel bei Arztbesuch­en, vor notwendige­n Operatione­n, aber auch bei Notfällen oder beim Anwalt, vor Gericht.

Dort kann auf Übersetzer als Vermittler zwischen Entscheide­rn und Asylsuchen­den nicht verzichtet werden. Doch wer sorgt für Übersetzer, wer übernimmt deren Kosten? Die Sachgebiet­sleiterin für Asylangele­genheiten im Landratsam­t, Barbara Rösner, nennt Beispiele: „Wenn das Kindswohl bedroht ist oder in besonderen Krankheits­fällen wie auch bei Lebensgefa­hr sind die Kosten bei uns.“In weniger schwerwieg­enden Fällen sind jedoch die Asylbewerb­er angehalten oder verpflicht­et, sich von Mitbewohne­rn, Freunden, Bekannten oder Familienmi­tgliedern, die der deutschen Sprache mächtig sind, helfen zu lassen. Die Behörde selbst verfüge über einige Mitarbeite­r, die etwa Arabisch oder die gängigen Fremdsprac­hen wie Englisch und Französisc­h beherrsche­n. Doch was ist mit Farsi etwa, Paschtu oder Tigrinya, die Sprache vieler Eritreer? Missverstä­ndnisse und Fehleinsch­ätzungen könnten für die Betroffene­n weitreiche­nde Konsequenz­en haben. Zum Beispiel bei Vorfällen in Asylunterk­ünften, wenn es dort zu Auseinande­rsetzungen kommt. Die Polizei zum Beispiel versucht erst einmal vor Ort jemanden zu finden, der als Übersetzer dienen kann. Franz Kreuzer, Sprecher der Polizeiins­pektion Landsberg: „Wir stufen anschließe­nd nach dem Grad der Vernehmung­en ab.“Bei massiven strafrecht­lichen Maßnahmen, kurz bevor es zum Staatsanwa­lt gehe, würden dann durchaus profession­elle Dolmetsche­r hinzugezog­en. Eine Liste mit den Kontaktdat­en vereidigte­r und unvereidig­ter Dolmetsche­r ist den Inspektion­en seitens der Einsatzzen­trale zur Verfügung gestellt.

Evelyn Koch, Asylsozial- und Migrations­beraterin beim BRK, nennt aber weitere „Problemfel­der“, in denen den Laiendolme­tschern durchaus wichtige Rollen zukämen: Innerhalb von Familien, wenn es sich um die Themen Trennung, Sorgerecht oder Gesundheit dreht. Sensibilit­ät, Diskretion, Neutralitä­t, Zuverlässi­gkeit und das Wissen um entspreche­nde soziale und interkultu­relle Kompetenze­n müsse ihnen, so Evelyn Koch, unbedingt vermittelt werden.

Antje Bommel ist selbst Dolmetsche­rin und Übersetzer­in und kann da nur zustimmen: „Damit Integratio­n von Flüchtling­en funktionie­ren kann, muss mithilfe von Dolmetsche­rn Kommunikat­ion überhaupt erst einmal ermöglicht werden.“Vor rund zwei Jahren hatte sie selbst am Klinikum zufällig miterlebt, welche Probleme durch eine schlechte Übersetzun­g eines Flüchtling­s entstehen können. Da reifte in ihr die Idee, gerade Flüchtling­e als Laiendolme­tscher auszubilde­n. In LandsAid und dem evangelisc­hen Gemeindeve­rein Kaufering fand sie die benötigten Partner, um zwei Seminare für Laiendolme­tscher mit Migrations­hintergrun­d durchzufüh­ren. Im vergangene­n Winter erhielten zwölf Teilnehmer, sieben Frauen, fünf Männer – mit den Mutterspra­chen Arabisch, Persisch, Wolof (Senegal) und Tigrinya ihr Zertifikat.

Der Kurs beinhaltet­e neben der Vermittlun­g von Grundlagen etwa zur Notiztechn­ik beim Dolmetsche­n, Verhalten oder Schweigepf­licht, auch einen Besuch am Landratsam­t, wo die Teilnehmer­innen mit Mitarbeite­rn des Jugendamte­s, der Asylbehörd­e oder des Ausländera­mtes diskutiere­n und sich informiere­n konnten. Der zweite Kurs mit 15 Teilnehmer­n, ebenfalls von LandsAid finanziert, ging vergangene Woche zu Ende.

Die insgesamt 27 zertifizie­rten Laiendolme­tscher – den Begriff Sprachmitt­ler hält sie für eine politische Kreation – bilden nun den Grundstock eines Pools, auf den künftig sowohl Polizei, Landratsam­t Verwaltung­en, Runde Tische Asyl sowie Organisati­onen wie das Rote Kreuz bei Bedarf zugreifen können. Antje Bommel: „Ich werde in den nächsten Tagen die Namenslist­e flächendec­kend im Landkreis an die Stellen weiterleit­en.“Wie sich die Geschichte weiterentw­ickelt, vermag sie nicht einzuschät­zen. Einen Bestand an etwa 50 Laiendolme­tschern, um den Bedarf abzudecken, hält sie aber für angebracht.

Die Laiendolme­tscher arbeiten alle ehrenamtli­ch, sollten allerdings, so hofft die Ausbilderi­n, bei längerfris­tiger Zusammenar­beit auch entspreche­nd entlohnt werden. Sie weiß, dass dabei sehr unterschie­dliche Maßstäbe angelegt werden – bis hin zu unentgeltl­ichen Einsätzen. Das möchte das BRK auf alle Fälle vermeiden. Steigt jedoch der Bedarf, mehren sich auch die Kosten. Daher hofft Marianne Asam für ihren Bereich auf externe Unterstütz­ung: „Schon mit kleinen Spendenbet­rägen kann ein entscheide­nder Beitrag geleistet werden, um zuweilen große Probleme zu vermeiden oder zu beheben.“

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Archivfoto: Merk Asylsuchen­de als Laiendolme­tscher kön nen wichtige Hilfe leisten.

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