Ein Mann wie ein Orkan
Kabarett Ist der polternde Sigi Zimmerschied altersmilde geworden, wie er behauptet? Bei seinem Auftritt im s’Maximilianeum im Landsberger Stadttheater feuert er Sätze wie Maschinengewehrsalven ab
Landsberg „Froh zu sein...“Verträumt pfeifend erscheint Sigi Zimmerschied auf der Bühne im Landsberger Stadttheater. Nanu? Ist das der in der Regel polternde Kabarettist? Wurde er altersmilde, weise, liebt er wirklich alle Leute, hat keine Feindbilder mehr, wie er anfangs behauptet?
Wer das glaubte, sah sich schnell einem Trugschluss erlegen. Mehrere Handlungsstränge, Gedankensprünge, Sätze wie Maschinengewehrsalven in den voll besetzten Saal gespuckt: Ein Mann wie ein Orkan präsentierte bei der jüngsten Veranstaltung der Landsberger Kleinkunstbühne s’Maximilianeum ein Programm wie ein mittleres Gewitter. Wer einen Augenblick unaufmerksam war, hatte verloren.
Einziger Zusammenhalt, gleichzeitig Hinweis auf das, worum es Zimmerschied den ganzen Abend lang geht, sind gelegentlich eingeworfene Wasserstandsmeldungen. Der Inn steigt, für den Passauer ein alle paar Jahre wiederkehrendes und deshalb nicht ungewohntes Ereignis. Der grüne Fluss wird dann zur „braunen Briah“, und das ist genauso zweideutig zu verstehen wie die steten Pegelmeldungen, die dem Programm den Namen gaben.
„Tendenz steigend“gilt nicht nur für das Wasser in der Dreiflüssestadt. Es steigen auch Nachrichtenflut, Alltagshektik und nicht zuletzt die Wut des Kabarettisten. Zu Beginn referiert Zimmerschied noch eher sanft über das Alphabet, „ein wahres Wunder“, berichtet beiläufig von der Vierer-WG des Passauer Bischofs und vom Lesbenpaar mit Söhnchen Nelson Elton Maria, vom Quotenpenner Rumpl und Nerd Berti.
Der Hauptakteur tigert über die Bühne
Er spricht mit dem Inn, als wäre es ein alter, uneinsichtiger Mann, dem er nicht die Babyklappe sein will für dessen „Schlammschratzen“. Die Pegelstände steigen und damit auch der Zorn des Protagonisten. Der Abend wird zur exzessiven Wutorgie, Zimmerschied mutiert zur auf der Bühne wild hin und her tigernden Bestie.
Zwischendurch hält es ihn dort oben nicht mehr, er kommt zum Volk, macht ein wenig Publikumsbeschimpfung, erklärt „Ein Kabarettist mag keine Harmonie“, und dass nicht jeder das „Gespür fürs richtige Leb’n“hat. Schon ist er wieder oben, mimt ohne Not gleich mehrere Personen gleichzeitig und wer glaubte, das Ganze seien grobschlächtige Dialoge, hat nicht richtig zugehört.
Ein Sarkasmus, der intellektuell daherkommt
Zimmerschieds Sätze sind durchzogen von feiner Ironie, von intellektuellem Sarkasmus, bis hin zum sturmgebeutelten Zynismus. Ein hinreißender Abend, und wer zur Pause verschwand, weil er die wortreiche Sturmflut nicht mehr aushielt, dem wurde wohl zu offensichtlich der Spiegel vorgehalten.
Pech für diejenigen, denn sie konnten nicht mehr miterleben, wie Sigi Zimmerschied mit fallenden Wasserständen den sorgfältig aufgebauten Spannungsbogen zurückführte zum stillen, beinahe sanften Ausgangspunkt.