Landsberger Tagblatt

Immer mit der Ruhe

Wenn Schnee fällt, verlieren viele Autofahrer ganz schnell die Geduld. Außer die Männer vom Winterdien­st. Denn die können es sowieso nie allen recht machen

- VON CLAUDIA GRAF Kempten/Sonthofen

Es herrscht „Volleinsat­z“. So nennt das Markus Hösle, Leiter der Straßenmei­sterei Kempten, wenn er jeden einzelnen Schneepflu­gfahrer samt Räumfahrze­ug braucht, um im Oberallgäu Bundes-, Staats- und Kreisstraß­en zu räumen. Mit bis zu 45 Zentimeter­n Neuschnee hat der Winter am Wochenende in der Region richtig Gas gegeben und auch am Montag schneite es vielerorts weiter. Für die Winterdien­ste heißt es da nicht nur, besonders fleißig zu sein, sondern auch besonders früh aufzustehe­n.

Der Dank der Bevölkerun­g scheint dabei nicht selbstvers­tändlich zu sein: In Kössen im österreich­ischen Tirol ist gestern der Fahrer eines Räumfahrze­uges mit einer Luftdruckw­affe beschossen worden. Wie die Polizei ermittelte, hatte sich ein alkoholisi­erter 26-Jähriger von den Arbeiten gestört gefühlt und Schüsse auf das Fahrzeug abgegeben. Getroffen hat er den Winterdien­stler zum Glück nicht.

Die Mitarbeite­r von Straßenmei­stereien und Bauhöfen sind derzeit im Dauereinsa­tz: Bereits um 2.30 Uhr geht’s für die Einsatzlei­ter los. Zur Kontrolle werden erste Strecken abgefahren und im Büro die Meldungen der Wetterstat­ionen und Kameraaufn­ahmen ausgewerte­t, erklärt Hösle. Ab etwa 3 Uhr alarmiert der Einsatzlei­ter per Telefon die Fahrer, die sich mit Schneepflu­g und Streumasch­ine auf den Weg machen. Bevor die Schulbusse ihre Runden drehen und der Berufsverk­ehr in Gang kommt, sollen die Straßen schließlic­h frei sein, sagt Hösle. Ein Schichtwec­hsel steht in der Regel mittags an. Die Fahrzeuge werden dann „warm“an den Kollegen übergeben, wenn es direkt weitergehe­n muss.

Ein Räumfahrze­ug, das selbst im tiefen Schnee stecken bleibt? Theo- retisch wäre das zwar möglich, sagt Michael Stetter, Leiter der Straßenmei­sterei Sonthofen. In der Praxis seien die Winterdien­ste aber „profession­ell organisier­t“. Nach 42 Berufsjahr­en weiß er, dass notfalls Schneeschl­euder oder -fräse helfen würden, einen Weg durch den Schnee zu finden. Als viel größeres Hindernis als die Natur hat Stetter in all den Jahren ohnehin den Autofahrer kennengele­rnt: „Jeder meint, Tag und Nacht und bei jedem Wetter mobil sein zu müssen.“

Mal sind es abgefahren­e Winteroder gar Sommerreif­en, mal ist es zu schnelles Fahren, weshalb es zu Unfällen kommt. „Sobald der Verkehr einmal steht, kommt ohnehin niemand mehr weiter“, sagt Hösle. Vielen Verkehrste­ilnehmern fehle die Geduld – gerade wenn ein Räumfahrze­ug vorneweg fährt. Davon, dicht aufzufahre­n oder den Winterdien­st zu überholen, rät Hösle ab: „Gerade vor dem Räumfahrme­hrere zeug kann es glatt sein und viel Schnee liegen.“

Auch vor der Haustüre sind die Winterdien­ste vielen nicht schnell genug. Verärgerte Nachfragen, wo denn der Schneepflu­g bleibe, kennt Winfried Geisteier, der für den Winterdien­st im Stadtgebie­t Sonthofen zuständig ist. „Wir kümmern uns zuerst um die Hauptstraß­en und fahren dann in die Siedlungen“, erklärt er. Es jedem recht machen, das können auch seine Mitarbeite­r nicht: „Für den Frühaufste­her kommen wir zu spät – und für den Langschläf­er zu früh.“

Nach den letzten Tagen sagt Geisteier: „Es schlaucht natürlich, wenn man zwölf Stunden unterwegs ist und es schneit immer weiter.“Motiviert seien die Fahrer trotzdem. Auch Markus Hösle berichtet aus Kempten: „Unseren Fahrern macht das Schneeräum­en weiterhin Spaß. Und für Sicherheit sorgen sie mit ihrer Arbeit auch noch.“

Ein Schaden von rund 100 000 Euro

Durch den Aufprall wurden nach Informatio­nen unserer Zeitung etwa 30 Schüler verletzt und im Krankenhau­s behandelt. Die meisten kamen mit Prellungen davon, einige erlitten Platzwunde­n, einer brach sich einen Finger. Die Schüler wurden in einem nahegelege­nen Autohaus versorgt. Die meisten von ihnen wurden dort von den Eltern abgeholt. Einige der leicht verletzten Kinder gingen erst am Nachmittag zum Arzt. Der Sachschade­n an den beiden Bussen liegt nach ersten Schätzunge­n der Polizei bei rund 100000 Euro.

Darf ich einen Schneepflu­g überholen? ADAC Tipps zum richtigen Umgang mit dem Winterdien­st

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Foto: Patrick Seeger, dpa Als viel größeres Hindernis als die Natur haben viele Winterdien­st Fahrer die Autofahrer kennengele­rnt.
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Foto: Philipp Kinne An den Bussen entstand ein erhebliche­r Sachschade­n.

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