Immer mehr Drogendelikte an Bayerns Schulen
Zahlen haben sich verdoppelt. Verfehlen Präventionsprogramme ihr Ziel?
Trotz zahlreicher Präventionsprogramme nimmt die Rauschgiftkriminalität auf Deutschlands Schulhöfen teilweise drastisch zu. Nach den Statistiken der Landeskriminalämter und der Innenministerien hat sich die Zahl der Drogendelikte in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt innerhalb weniger Jahre nahezu verdreifacht. An bayerischen Schulen verzeichnete die Polizei im Jahr 2015 landesweit 397 Drogendelikte, das sind mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2010.
Insgesamt wurden in Bayern 7200 Straftaten mit dem Tatort Schule registriert. Am häufigsten wurden die Beamten wegen Diebstählen und Körperverletzungen gerufen. Damit wird zwar an den Schulen weitaus häufiger gestohlen und geprügelt als gedealt. Doch im Zeitverlauf betrachtet gehen Körperverletzungen und Diebstähle zurück, die Zahl der Drogenvergehen steigt. Auch in Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Sachsen haben sich die Zahlen praktisch verdoppelt.
Deutschlandweit handelt es sich bei den meisten Straftaten an Schulen um den Besitz oder den Kauf von Betäubungsmitteln, im Fokus steht vor allem die Droge Cannabis, aber auch eine „chemische Keule“wie das seit etwa zehn Jahren kursierende Crystal Meth. In den meisten Fällen erwischt die Polizei Jugendliche, deutlich seltener sind Kinder unter 14 Jahren Täter. Vereinzelt wurden auch Lehrer oder Hausmeister mit Drogen erwischt.
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), sieht in der „gesellschaftlichen Verharmlosung von Cannabis“einen Grund für die wachsende Zahl einschlägiger Delikte. Ähnlich formuliert es das bayerische Innenministerium: „Die illegalen Angebote richten sich in ihrer verharmlosenden Aufmachung als Spaß- und Lifestyle-Produkte geradewegs an die internetaffine Jugend.“Vor allem die Verfügbarkeit über das Internet und das Darknet, ein anonymer Bereich des Internets, sorge für einen überproportionalen Anstieg in diesen Altersklassen. Die Münchner Wissenschaftlerin Eva Hoch, die an der Ludwig-Maximilians-Universität ein entsprechendes Forschungsprojekt leitet, bezweifelt allerdings auch den Nutzen von Programmen zur Vorbeugung und Abschreckung: „Es wird viel in Sachen Prävention gemacht, aber ob das alles nachhaltig und wirksam ist, dahinter steht ein großes Fragezeichen.“
Die immer wieder geforderte Freigabe von Cannabis lehnt die CSU-Frau Mortler ab. Ein solcher Schritt würde wie eine „staatliche Unbedenklichkeitsbescheinigung“wirken, warnt sie. Genau das aber sei nicht der Fall: „Jugendlichen muss vermittelt werden, dass Cannabiskonsum keineswegs harmlos ist und sie mit Cannabis ihr Gehirn in einer besonders sensiblen Lebensphase schädigen.“
Im bayerischen Lehrplan befassen sich die Schüler nach Auskunft des Kultusministeriums in der 5. Klasse zum ersten Mal konkret mit dem Missbrauch von Suchtmitteln. Später werden Gefahren und Wirkweisen von Drogen vor allem in Biologie thematisiert. Jede weiterführende Schule bestimmt einen Lehrer als Beauftragten für Suchtprävention. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Präventionsprogrammen, in München etwa das Projekt „sauba bleim“der Polizei oder Initiativen von Krankenkassen.
Das Kultusministerium bekommt nach eigenen Angaben keine Rückmeldungen, welche Präventionsprogramme die einzelnen Schulen nutzen. Die bayerischen Richtlinien zur Suchtprävention stammen zudem aus dem Jahr 1991 und gehen wenig ins Detail. „Es empfiehlt sich“, heißt es da zum Beispiel nur, „in Absprache mit dem Schularzt und durch Vermittlung des Drogenkontaktlehrers Fachleute einzuladen“. Ob solche Anregungen umgesetzt werden, entscheidet aber allein »Kommentar die Schule.