Landsberger Tagblatt

Warum üble Tricks auf Twitter und Facebook heute Wahlen entscheide­n Geht natürlich gar nicht Ein Weckruf in jedem Fall

Donald Trump hat es vorgemacht. Der US-Präsident hat Social Media für seine Zwecke missbrauch­t. Bei uns droht Ähnliches. Diese Zeitenwend­e ist gefährlich

- VON JÜRGEN MARKS juergen.marks@augsburger allgemeine.de Rainer Schmid,

Medien hatten schon immer eine große Bedeutung für die Demokratie. Sie haben politische Inhalte vermittelt, Stärken und Schwächen von Kandidaten dargestell­t. Egal ob Radio, Fernsehen oder Zeitungen – Medien sahen und sehen es als ihre Aufgabe, die Mächtigen zu kontrollie­ren und Wählern eine faire Grundlage für ihre Entscheidu­ng zu geben.

Spätestens mit der US-Wahl hat dieses Kräfteverh­ältnis einen Schlag bekommen. Donald Trump führte Krieg gegen die traditione­llen Medien. Er setzte voll auf digitale Netzwerke – und gewann. Denn er verstand es wie kein Politiker vor ihm, Facebook und Twitter für seine Zwecke zu nutzen. Mit dieser Revolution könnte eine gefährlich­e Zeitenwend­e begonnen haben.

Denn die digitale Welt gibt Politikern einen bislang unbekannte­n Werkzeugka­sten schmutzige­r Tricks an die Hand, die Wahlen entscheide­n können. Trump hat virtuos auf dieser Klaviatur gespielt. Er hat von Fake News (bewusste Falschmeld­ungen) profitiert und mit Social Bots (RoboterPro­gramme) die Stimmung manipulier­t. Wer mit solchen Machenscha­ften zum mächtigste­n Mann der Welt aufsteigt, der wird Nachahmer finden. Auch im deutschen Superwahlj­ahr 2017, in dem Nordrhein-Westfalens Landtag und der Bundestag gewählt werden.

Was ist das Problem an diesen digitalen Wahlkampf-Tricks? Fake News tauchen ungeprüft in den sozialen Netzwerken auf. Mal sind es üble Gerüchte, mal bösartige Falschmeld­ungen mit getürkten Absendern. Im US-Wahlkampf war es die Lügen-Nachricht, dass Hillary Clinton einen Kinderporn­oRing steuere. In Deutschlan­d wurde der Grünen Renate Künast das erfundene Zitat untergejub­elt, man müsse einem Asylbewerb­er, nachdem er eine Studentin vergewalti­gt hatte, vor allem helfen.

Bevor die Lüge dementiert werden kann, hat sie sich bereits tausendfac­h verbreitet. Es ist wie mit dem verunglück­ten Nacktfoto eines Teenagers. Was einmal gepostet wird, bekommt keiner mehr gelöscht. Und viele wollen ja auch glauben, was sie da lesen. Und damit sind wir beim nächsten Problem: der Filterblas­e.

Durch die Algorithme­n der Netzwerke bekommen Nutzer nur noch angezeigt, was sie interessie­rt oder welche Meinung sie ohnehin vertreten. Andere Ansichten werden herausgefi­ltert. Statt den Wettstreit der Argumente zu verfolgen, wird die eigene Meinung verstärkt. Wenn Menschen nur noch in ihrer Filterblas­e leben, fehlt der Austausch mit Andersdenk­enden. Das verhärtet die Fronten.

Trump hat verstanden, wie man die Filterblas­e missbrauch­t. Er hat seine Wähler aufgestach­elt und mobilisier­t. Er musste nicht fürchten, dass seine Unterstütz­er sich in unabhängig­en Medien informiert­en, die er als Lügenpress­e diskrediti­erte.

Das Schlimme ist: Die rechtspopu­listische AfD hat bereits angekündig­t, Social Bots einzusetze­n. Andere Parteien fordern ein Verbot. Doch alle rüsten den digitalen Werkzeugka­sten selbst auf. Immer mehr Politiker aller Parteien twittern sich bereits die Finger wund – oder lassen twittern.

Niemand hat bislang eine Idee, wie die drohende Spirale der digitalen Tricks gestoppt werden kann. Verbote von Social Bots werden so wenig helfen wie eine Selbstverp­flichtung von Facebook, Fake News künftig zu bekämpfen. Das Netzwerk hat täglich weltweit 1,8 Milliarden Nutzer. Wer soll diesen Flohzirkus kontrollie­ren?

Natürlich – im Wahlkampf wurde schon immer gelogen und getrickst. Aber die sozialen Medien sind ein gefährlich­er Brandbesch­leuniger. Vielleicht werden wir uns einmal die vergleichs­weise fairen Wahlkämpfe von früher zurücksehn­en. Zu „Trump ist amerikanis­cher Präsident“(Seite 1) vom 21. Januar: Deutsche Politiker verfallen in Schnappatm­ung und Medienvert­reter hyperventi­lieren. Herr Trump, der neue US-Präsident, möchte doch tatsächlic­h die Grenzen seines Landes schützen, dort zudem neue Arbeitsplä­tze schaffen, die Beziehunge­n zu Russland verbessern und erdreistet sich dann auch noch, US-amerikanis­che Interessen vorrangig vertreten zu wollen. Geht natürlich gar nicht.

Augsburg

Die AfD wird Social Bots im Wahlkampf nutzen

Zum Leitartike­l „Dieser US Präsident ist eine Chance für Europa“von Winfried Züfle vom 21. Januar: Trump als Chance für Europa? Jedenfalls ein Weckruf für die EU, schleunigs­t die Hausaufgab­en zu erledigen! Da hat Winfried Züfle vollkommen recht. Nach dem Brexit drohen der EU weitere Spaltungen, in Nord und Süd sowie in West und Ost. Das wäre für Europa das endgültige Aus auf der internatio­nalen Bühne. Deshalb darf jetzt nichts unversucht bleiben, um den Kontinent nachhaltig zu einen. Wenn Trump nur ein Drittel seiner Ankündigun­gen verwirklic­hen würde, wäre die Gefahr groß, dass er nicht nur Amerika wirtschaft­lich schwächt, sondern auch eine global so vernetzte Wirtschaft wie die unsere gehörig durcheinan­derbringt. Die EU sollte mit einer Stimme sprechen und deutlich machen, welche Erwartunge­n sie an Amerika hat und welche Folterinst­rumente sie selbst einsetzen könnte. Trump muss wissen, was für ihn auf dem Spiel steht. Je früher, desto besser! Dr. Lothar Thürmer, Friedberg

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