Wann das Eis zu wachsen beginnt
Damit der Ammersee zufriert, reicht lang anhaltender Frost allein nicht aus. Wie die Chancen dafür stehen
Gibt es am Ammersee wieder einen Eis-Winter mit einer geschlossenen Eisschicht auf dem See? So schlecht schauen die Voraussetzungen dafür momentan nicht aus: Ein Ende des strengen Dauerfrosts, der mit einer kurzen Unterbrechung seit Jahresbeginn herrscht, ist nicht in Sicht. Vergleicht man die aktuellen Wetterdaten mit denen der jüngsten Eiswinter 1996/97 und 2005/06, sieht es gut aus für eine wachsende Eisdecke. Nicht nur die Lufttemperatur, sondern auch die Wassertemperatur ist in den vergangenen Tagen deutlich zurückgegangen: 2,7 Grad wurden am Montag an der Messboje bei Riederau registriert, vor zwei Wochen waren es noch 4,5 Grad.
Dass der Ammersee praktisch ganz zufriert, kommt etwa alle zehn Jahre vor. An den sehr kalten Winter 1962/63 erinnern sich nur die Älteren, zugefroren war der See auch im Januar/Februar 1985 und 1997 und dann praktisch auch im Februar 2006, als nur noch ganz wenige Löcher gemeldet wurden, wo sich die Wasservögel zusammendrängten. Geht man von diesen Regelmäßigkeiten aus, könnte es heuer wieder so weit sein.
1997 und 2006 gingen der Vereisung mehrere Wochen voraus, in denen die Temperaturen – bis auf Unterbrechungen von wenigen Stunden – immer unter dem Gefrierpunkt waren. In beiden Wintern war es schon im Dezember deutlich kälter als im Durchschnitt: Im Dezember 1996 ermittelte die Wetterstation in Westerschondorf ein Monatsmittel von –4,3 Grad, 2005 waren es –1,9 Grad und auch die folgenden Wochen blieben sehr kalt: Im Januar 1997 waren es –4 Grad, im Januar 2006 sogar –4,9 Grad. Heuer könnte der Januar noch kälter werden, bislang wurde in Westerschondorf ein Mittelwert von –5,3 Grad gemessen. Es gab bislang nur eine nennenswerte 48-stündige Frostunterbrechung vom 11. bis 13. Januar. Allerdings war der Dezember mit genau 0 Grad um einiges wärmer als in den anderen beiden Eisjahren. Ein vielleicht noch wichtigerer Faktor ist aber der Wind.
Der war in den vergangenen Wochen recht lebhaft und sorgte dafür, dass sich das kalte Wasser an der Seeoberfläche mit dem tieferen wärmeren Wasser immer wieder vermischte. Aus diesem Grund fror der See etwa im frostigen Februar 2012 trotz einer Durchschnittstemperatur von zapfigen –5,5 Grad nicht vollständig zu. Auch gestern ließ sich dieses Phänomen beobachten: Am windstillen Morgen lag vor Dießen ein schöner Eisgürtel, am Nachmittag schwammen nur noch Eisplatten in der Bucht, nachdem wieder Wind aufgekommen war.
„Jetzt, nachdem ich die Netze herausgeholt hab’, kann’s auch Eis geben“, sagt der Vorsitzende der Fischereigenossenschaft Ammersee, Bernhard Ernst aus Utting. Er hat sie am Donnerstag hereingeholt. Frieren die Netze ein und das Eis schiebt, kann es zu Beschädigungen kommen. In Eching und Stegen, aber auch in Herrsching gibt es nach Ernsts Informationen schon Eisflächen und auch an manch anderen Uferbereichen. Ob sich heuer eine geschlossene Eisdecke auf dem See bilden wird, darüber wagen die Fischer am Montag noch keine abschließende Prognose.
Auch Anton Ernst aus Schondorf verweist darauf, dass es windstill sein muss. Er hat seine Netze am Freitag aus dem See geholt. Gefischt wird auch im Winter, doch bei diesen Minustemperaturen können die Netze am Boot festfrieren und einreißen. „Dann ist der Schaden größer als der Nutzen“, meint Ernst. Eisflächen gebe es derzeit schon, aber begehbar seien sie noch nicht.
Einem Schaden anderer Art will Stefan Marx von der Ammersee-Segelschule in Dießen entgegenwirken. Er versucht mit seinem Motorboot das Wasser an seinen Stegen offenzuhalten beziehungsweise nur eine dünne Eisschicht zuzulassen. Bilden sich Eismassen, die schieben, werden die Holzstege beschädigt. „Ansonsten müsste ich die Stege mit der Motorsäge frei schneiden“, so Marx. Und dass geht erst, wenn das Eis begehbar ist. Momentan aber sieht man vom Dießener Seeufer ohnehin noch mehr Wasser als Eis.
Wann ist der vereiste See begehbar? Offiziell freigegeben werde das Gewässer nicht, erläutert Siegfried Dumbsky von der Wasserwacht. Jeder betrete das Eis auf eigene Gefahr. Das Eis sei unterschiedlich dick: Mal fließe durch einen Bach wärmeres Wasser ein, mal bildeten sich durch verrottende Pflanzen Gasbläschen und das Eis sei dort porös. „Natureis ist immer riskant.“Fünf bis sechs Eisrettungen gibt es laut Dumbsky in einem Jahr mit geschlossener Eisdecke am Ammersee. Für den Organismus kann laut Dumbsky das Bad in eiskaltem Wasser lebensgefährlich sein, auch wenn der Eingebrochene rechtzeitig herausgeholt wird. Die Einsatzkräfte müssen auch ausrücken, weil Spaziergänger auf dem Eis ausrutschen und sich bei Stürzen verletzen. „Der Landrettungsdienst ist nicht dafür ausgerüstet die Leute vom Eis zu holen.“
Alarmierung Wenn eine Person ins Eis eingebrochen ist, soll die Notruf nummer 112 gewählt werden.