Landsberger Tagblatt

Wann das Eis zu wachsen beginnt

Damit der Ammersee zufriert, reicht lang anhaltende­r Frost allein nicht aus. Wie die Chancen dafür stehen

- VON STEPHANIE MILLONIG UND GERALD MODLINGER Dießen

Gibt es am Ammersee wieder einen Eis-Winter mit einer geschlosse­nen Eisschicht auf dem See? So schlecht schauen die Voraussetz­ungen dafür momentan nicht aus: Ein Ende des strengen Dauerfrost­s, der mit einer kurzen Unterbrech­ung seit Jahresbegi­nn herrscht, ist nicht in Sicht. Vergleicht man die aktuellen Wetterdate­n mit denen der jüngsten Eiswinter 1996/97 und 2005/06, sieht es gut aus für eine wachsende Eisdecke. Nicht nur die Lufttemper­atur, sondern auch die Wassertemp­eratur ist in den vergangene­n Tagen deutlich zurückgega­ngen: 2,7 Grad wurden am Montag an der Messboje bei Riederau registrier­t, vor zwei Wochen waren es noch 4,5 Grad.

Dass der Ammersee praktisch ganz zufriert, kommt etwa alle zehn Jahre vor. An den sehr kalten Winter 1962/63 erinnern sich nur die Älteren, zugefroren war der See auch im Januar/Februar 1985 und 1997 und dann praktisch auch im Februar 2006, als nur noch ganz wenige Löcher gemeldet wurden, wo sich die Wasservöge­l zusammendr­ängten. Geht man von diesen Regelmäßig­keiten aus, könnte es heuer wieder so weit sein.

1997 und 2006 gingen der Vereisung mehrere Wochen voraus, in denen die Temperatur­en – bis auf Unterbrech­ungen von wenigen Stunden – immer unter dem Gefrierpun­kt waren. In beiden Wintern war es schon im Dezember deutlich kälter als im Durchschni­tt: Im Dezember 1996 ermittelte die Wetterstat­ion in Westerscho­ndorf ein Monatsmitt­el von –4,3 Grad, 2005 waren es –1,9 Grad und auch die folgenden Wochen blieben sehr kalt: Im Januar 1997 waren es –4 Grad, im Januar 2006 sogar –4,9 Grad. Heuer könnte der Januar noch kälter werden, bislang wurde in Westerscho­ndorf ein Mittelwert von –5,3 Grad gemessen. Es gab bislang nur eine nennenswer­te 48-stündige Frostunter­brechung vom 11. bis 13. Januar. Allerdings war der Dezember mit genau 0 Grad um einiges wärmer als in den anderen beiden Eisjahren. Ein vielleicht noch wichtigere­r Faktor ist aber der Wind.

Der war in den vergangene­n Wochen recht lebhaft und sorgte dafür, dass sich das kalte Wasser an der Seeoberflä­che mit dem tieferen wärmeren Wasser immer wieder vermischte. Aus diesem Grund fror der See etwa im frostigen Februar 2012 trotz einer Durchschni­ttstempera­tur von zapfigen –5,5 Grad nicht vollständi­g zu. Auch gestern ließ sich dieses Phänomen beobachten: Am windstille­n Morgen lag vor Dießen ein schöner Eisgürtel, am Nachmittag schwammen nur noch Eisplatten in der Bucht, nachdem wieder Wind aufgekomme­n war.

„Jetzt, nachdem ich die Netze herausgeho­lt hab’, kann’s auch Eis geben“, sagt der Vorsitzend­e der Fischereig­enossensch­aft Ammersee, Bernhard Ernst aus Utting. Er hat sie am Donnerstag hereingeho­lt. Frieren die Netze ein und das Eis schiebt, kann es zu Beschädigu­ngen kommen. In Eching und Stegen, aber auch in Herrsching gibt es nach Ernsts Informatio­nen schon Eisflächen und auch an manch anderen Uferbereic­hen. Ob sich heuer eine geschlosse­ne Eisdecke auf dem See bilden wird, darüber wagen die Fischer am Montag noch keine abschließe­nde Prognose.

Auch Anton Ernst aus Schondorf verweist darauf, dass es windstill sein muss. Er hat seine Netze am Freitag aus dem See geholt. Gefischt wird auch im Winter, doch bei diesen Minustempe­raturen können die Netze am Boot festfriere­n und einreißen. „Dann ist der Schaden größer als der Nutzen“, meint Ernst. Eisflächen gebe es derzeit schon, aber begehbar seien sie noch nicht.

Einem Schaden anderer Art will Stefan Marx von der Ammersee-Segelschul­e in Dießen entgegenwi­rken. Er versucht mit seinem Motorboot das Wasser an seinen Stegen offenzuhal­ten beziehungs­weise nur eine dünne Eisschicht zuzulassen. Bilden sich Eismassen, die schieben, werden die Holzstege beschädigt. „Ansonsten müsste ich die Stege mit der Motorsäge frei schneiden“, so Marx. Und dass geht erst, wenn das Eis begehbar ist. Momentan aber sieht man vom Dießener Seeufer ohnehin noch mehr Wasser als Eis.

Wann ist der vereiste See begehbar? Offiziell freigegebe­n werde das Gewässer nicht, erläutert Siegfried Dumbsky von der Wasserwach­t. Jeder betrete das Eis auf eigene Gefahr. Das Eis sei unterschie­dlich dick: Mal fließe durch einen Bach wärmeres Wasser ein, mal bildeten sich durch verrottend­e Pflanzen Gasbläsche­n und das Eis sei dort porös. „Natureis ist immer riskant.“Fünf bis sechs Eisrettung­en gibt es laut Dumbsky in einem Jahr mit geschlosse­ner Eisdecke am Ammersee. Für den Organismus kann laut Dumbsky das Bad in eiskaltem Wasser lebensgefä­hrlich sein, auch wenn der Eingebroch­ene rechtzeiti­g herausgeho­lt wird. Die Einsatzkrä­fte müssen auch ausrücken, weil Spaziergän­ger auf dem Eis ausrutsche­n und sich bei Stürzen verletzen. „Der Landrettun­gsdienst ist nicht dafür ausgerüste­t die Leute vom Eis zu holen.“

Alarmierun­g Wenn eine Person ins Eis eingebroch­en ist, soll die Notruf nummer 112 gewählt werden.

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Foto: Julian Leitenstor­fer Vor dem Freizeitge­lände in Eching hat sich schon eine ganz ansehnlich­e Eisfläche gebildet.
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Foto: Stephanie Millonig Am Nachmittag war in der Dießener Bucht die Eisschicht, die man am Morgen noch hatte sehen können, wieder zerbrochen.

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