Landsberger Tagblatt

Die Arbeit ist das wärmste Gewand

Wie sich diejenigen schützen, die in der Eiseskälte ihrem Beruf nachgehen müssen. Vom Fischer zum Postler

- VON REGINA MILLER, STEPHANIE MILLONIG, DIETER SCHÖNDORFE­R UND DOMINIC WIMMER

Landkreis Es ist wieder einmal ein Tief, das den Menschen derzeit klirrend kalte Tage und vor allem Nächte beschert. „Alex“ist sein Name und es stellt derzeit vor allem die Menschen, die im Freien entweder ihrem Beruf nachgehen oder sich dort aufhalten müssen, vor große Herausford­erungen. Unsere Autoren haben einige davon besucht und wollten gerne wissen, wie sie sich vor den teilweise zweistelli­gen Minusgrade­n schützen.

„Da setzt man sich eine Mütze auf und wartet, bis es windstill ist.“So verhält sich Fischer Joachim Mastaller, der mit Schwiegerv­ater Paul Gastl noch bis Sonntag draußen war auf dem See, um Fische zu fangen. Trotz Minusgrade­n, die Ammerseefi­scher gehen auch im Winter ihrer Profession nach. Eine frostige Angelegenh­eit nicht nur draußen auf dem Wasser, auch der Schlachtra­um hat laut Mastaller gerade etwas über null Grad. Aber im Vergleich zu zehn Grad Minus empfinde man dies als warm, meinte der Fischer. Und auch das Leitungswa­sser dort sei nicht so kalt.

Bis vor Kurzem wurde noch gefischt, jetzt haben die Fischer ihre Arbeit eingestell­t und die Netze eingeholt, um zu verhindern, dass bei Eisbildung die Netze beschädigt werden. Mastaller erzählt, dass er im Winter eher mittags rausfährt, wenn die Sonne kommt, und nicht wie im Sommer am frühen Morgen. „Das Wasser ist kalt, da pressiert es nicht.“Am schlimmste­n sei der Wind, aber bei Windstille mit einer „gescheiten Hose und Ölzeug“gekleidet und mit Handschuhe­n ausgerüste­t, sei es kein Problem. Au- „Die Arbeit ist das wärmste Gwand.“Bis die Eisgefahr vorüber ist, werden sich die Fischer Reparatura­rbeiten daheim widmen.

Der Wind ist im Wald zwar auch ein Problem, vor allem wenn er in Orkanstärk­e durch die Bäume fegt und große Schäden anrichtet, doch auf dem Programm des städtische­n Forstamts steht derzeit vor allem die Baumpflege, wie Referatsle­iter Michael Siller erzählt. Allerdings hätte er in der vergangene­n Woche, als die Temperatur­en in den zweistelli­gen Minusberei­ch absackten, durchaus überlegt, die Arbeiten unterbrech­en zu lassen. Vor allem in den frühen Morgenstun­den komme es zu den Kältespitz­en, wo arbeiten im Forst zur Qual wird. „Unsere Leute kennen sich ja aus und sind entspreche­nd gekleidet und ausgerüste­t.“Außerdem wüssten die er- fahrenen Waldarbeit­er genau, wie und wann sie sich zum Beispiel durch bestimmte Bewegungsü­bungen oder aber auch durch Pausen in Forsthütte­n aufwärmen müssen. Beweglichk­eit und Wärme seien gerade in dieser für den Wald gefährlich­en Jahreszeit eine Lebensvers­icherung. So benutzen die städtische­n Forstarbei­ter Profi-Motorsägen mit beheizbare­m Griff. Das hat den Vorteil, dass die Finger beweglich bleiben, dadurch einen festen Griff gewährleis­ten und die Handschuhe trocknen gleichzeit­ig wieder. Dennoch sorgt der Winter mit seinen frostigen Temperatur­en im Wald für Gefahr. So wurde erst am Dienstagna­chmittag im Landkreis Rosenheim ein 57-jähriger Waldarbeit­er von einem herabstürz­enden Baum tödlich am Kopf verletzt.

Sengende Hitze oder Temperatuß­erdem: ren weit unter dem Gefrierpun­kt – Steffen Frühauf pendelt bei allen Wetterlage­n das ganze Jahr über mit dem Fahrrad. Der Polizeihau­ptkommissa­r aus Utting hat seine Dienststel­le in Weilheim. Einfache Strecke: 24 Kilometer. Die eisigen Bedingunge­n machen ihm nichts aus. „Es ist nicht so das Riesenprob­lem, weil ich mich richtig anziehe.“Ski-Unterwäsch­e, Windstoppe­r-Radhose und noch eine Spezialhos­e bis zu den Knien, bis zu vier Lagen am Oberkörper, dicke Handschuhe, Mütze und eine Windstoppe­r-Maske für Nase und Mund – selbst bei -25 Grad stieg der 35-Jährige kürzlich vor einer Frühschich­t auf sein Cross-Rennrad. „Zwischen Dießen und Raisting ist meistens der kälteste Punkt. Man friert zwar nicht, aber es geht bedeutend langsamer“, sagt Frühauf. Während er im Sommer rund 50 Minuten für den Arbeitsweg benötigt, dauert es im Winter bei Schnee und Eis schon mal bis zu 65 Minuten. Warum der zweifache Familienva­ter nicht aufs Auto umsteigt? „Der Hauptgrund ist das Training, zudem sparen wir uns das zweite Auto“, sagt der leidenscha­ftliche Triathlet. Pro Jahr legt er nur durch die Fahrt in die Arbeit zwischen 8000 und 10 000 Kilometer mit dem Rad zurück. Dieses Training macht sich bei Wettkämpfe­n bezahlt. Beim weltgrößte­n Langdistan­z-Triathlon in Roth war er 2016 einer der besten Amateure – vor allem auch dank seiner guten Radperform­ance.

Andrea und Peter Geßl aus Leeder können ebenfalls ein Lied davon singen, wie es ist, bei eisigen Temperatur­en draußen unterwegs zu sein. Die beiden sind seit 25 Jahren Postzustel­ler, fahren im Bereich Kinsau und Apfeldorf Briefe und Pakete aus – allerdings nicht mehr wie früher in der Ausbildung mit dem Fahrrad, sondern mit dem VW-Bus, wie Andrea Geßl erzählt. Bevor es für die Verbundzus­teller auf Tour übers Land geht, heißt es morgens am Zustellstü­tzpunkt in Leeder erst einmal Pakete einladen – und das sind häufig sehr viele. Das Sortieren und Einladen brauche also seine Zeit. „Glückliche­rweise hat unsere Ladehalle ein Dach – woanders findet der ganze Vorgang unter freiem Himmel statt.“

Wegen des Scannerger­äts, das von Hand bedient wird, seien Handschuhe unpraktisc­h. „Also geht man – vor allem bei so einer extremen Kälte – zwischendu­rch mal kurz rein, um die Hände aufzuwärme­n“, berichtet Andrea Geßl. Sie und ihr Mann kleiden sich an frostigen Tagen gerne im „Zwiebelloo­k“– lange Unterhosen, mehrere Pullover, Fleecejack­en und Westen inklusive. Aber selbst mit all den Schichten und der Möglichkei­t, immer wieder ins Auto zu steigen, krieche einem die Kälte „bis auf die Knochen“. Da sei man glücklich, wenn ein netter Kunde einem an der Tür einen heißen Kaffee anbiete, was laut Andrea Geßl tatsächlic­h immer wieder vorkomme.

Das eisige Frostwette­r soll zumindest bis Samstag Bayern heimsuchen. In der Nacht zum Samstag seien dann am Alpenrand sogar Tiefstwert­e von minus 25 Grad möglich, sagte ein Meteorolog­e. Dann soll der strenge Frost allmählich etwas abklingen.

 ?? Archivfoto: Thorsten Jordan ?? Erfahrene Waldarbeit­er wissen genau, wie und wann sie sich aufwärmen müssen.
Archivfoto: Thorsten Jordan Erfahrene Waldarbeit­er wissen genau, wie und wann sie sich aufwärmen müssen.
 ?? Foto: Steffi Frühauf ?? Steffen Frühauf fährt jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit.
Foto: Steffi Frühauf Steffen Frühauf fährt jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany