Die Arbeit ist das wärmste Gewand
Wie sich diejenigen schützen, die in der Eiseskälte ihrem Beruf nachgehen müssen. Vom Fischer zum Postler
Landkreis Es ist wieder einmal ein Tief, das den Menschen derzeit klirrend kalte Tage und vor allem Nächte beschert. „Alex“ist sein Name und es stellt derzeit vor allem die Menschen, die im Freien entweder ihrem Beruf nachgehen oder sich dort aufhalten müssen, vor große Herausforderungen. Unsere Autoren haben einige davon besucht und wollten gerne wissen, wie sie sich vor den teilweise zweistelligen Minusgraden schützen.
„Da setzt man sich eine Mütze auf und wartet, bis es windstill ist.“So verhält sich Fischer Joachim Mastaller, der mit Schwiegervater Paul Gastl noch bis Sonntag draußen war auf dem See, um Fische zu fangen. Trotz Minusgraden, die Ammerseefischer gehen auch im Winter ihrer Profession nach. Eine frostige Angelegenheit nicht nur draußen auf dem Wasser, auch der Schlachtraum hat laut Mastaller gerade etwas über null Grad. Aber im Vergleich zu zehn Grad Minus empfinde man dies als warm, meinte der Fischer. Und auch das Leitungswasser dort sei nicht so kalt.
Bis vor Kurzem wurde noch gefischt, jetzt haben die Fischer ihre Arbeit eingestellt und die Netze eingeholt, um zu verhindern, dass bei Eisbildung die Netze beschädigt werden. Mastaller erzählt, dass er im Winter eher mittags rausfährt, wenn die Sonne kommt, und nicht wie im Sommer am frühen Morgen. „Das Wasser ist kalt, da pressiert es nicht.“Am schlimmsten sei der Wind, aber bei Windstille mit einer „gescheiten Hose und Ölzeug“gekleidet und mit Handschuhen ausgerüstet, sei es kein Problem. Au- „Die Arbeit ist das wärmste Gwand.“Bis die Eisgefahr vorüber ist, werden sich die Fischer Reparaturarbeiten daheim widmen.
Der Wind ist im Wald zwar auch ein Problem, vor allem wenn er in Orkanstärke durch die Bäume fegt und große Schäden anrichtet, doch auf dem Programm des städtischen Forstamts steht derzeit vor allem die Baumpflege, wie Referatsleiter Michael Siller erzählt. Allerdings hätte er in der vergangenen Woche, als die Temperaturen in den zweistelligen Minusbereich absackten, durchaus überlegt, die Arbeiten unterbrechen zu lassen. Vor allem in den frühen Morgenstunden komme es zu den Kältespitzen, wo arbeiten im Forst zur Qual wird. „Unsere Leute kennen sich ja aus und sind entsprechend gekleidet und ausgerüstet.“Außerdem wüssten die er- fahrenen Waldarbeiter genau, wie und wann sie sich zum Beispiel durch bestimmte Bewegungsübungen oder aber auch durch Pausen in Forsthütten aufwärmen müssen. Beweglichkeit und Wärme seien gerade in dieser für den Wald gefährlichen Jahreszeit eine Lebensversicherung. So benutzen die städtischen Forstarbeiter Profi-Motorsägen mit beheizbarem Griff. Das hat den Vorteil, dass die Finger beweglich bleiben, dadurch einen festen Griff gewährleisten und die Handschuhe trocknen gleichzeitig wieder. Dennoch sorgt der Winter mit seinen frostigen Temperaturen im Wald für Gefahr. So wurde erst am Dienstagnachmittag im Landkreis Rosenheim ein 57-jähriger Waldarbeiter von einem herabstürzenden Baum tödlich am Kopf verletzt.
Sengende Hitze oder Temperatußerdem: ren weit unter dem Gefrierpunkt – Steffen Frühauf pendelt bei allen Wetterlagen das ganze Jahr über mit dem Fahrrad. Der Polizeihauptkommissar aus Utting hat seine Dienststelle in Weilheim. Einfache Strecke: 24 Kilometer. Die eisigen Bedingungen machen ihm nichts aus. „Es ist nicht so das Riesenproblem, weil ich mich richtig anziehe.“Ski-Unterwäsche, Windstopper-Radhose und noch eine Spezialhose bis zu den Knien, bis zu vier Lagen am Oberkörper, dicke Handschuhe, Mütze und eine Windstopper-Maske für Nase und Mund – selbst bei -25 Grad stieg der 35-Jährige kürzlich vor einer Frühschicht auf sein Cross-Rennrad. „Zwischen Dießen und Raisting ist meistens der kälteste Punkt. Man friert zwar nicht, aber es geht bedeutend langsamer“, sagt Frühauf. Während er im Sommer rund 50 Minuten für den Arbeitsweg benötigt, dauert es im Winter bei Schnee und Eis schon mal bis zu 65 Minuten. Warum der zweifache Familienvater nicht aufs Auto umsteigt? „Der Hauptgrund ist das Training, zudem sparen wir uns das zweite Auto“, sagt der leidenschaftliche Triathlet. Pro Jahr legt er nur durch die Fahrt in die Arbeit zwischen 8000 und 10 000 Kilometer mit dem Rad zurück. Dieses Training macht sich bei Wettkämpfen bezahlt. Beim weltgrößten Langdistanz-Triathlon in Roth war er 2016 einer der besten Amateure – vor allem auch dank seiner guten Radperformance.
Andrea und Peter Geßl aus Leeder können ebenfalls ein Lied davon singen, wie es ist, bei eisigen Temperaturen draußen unterwegs zu sein. Die beiden sind seit 25 Jahren Postzusteller, fahren im Bereich Kinsau und Apfeldorf Briefe und Pakete aus – allerdings nicht mehr wie früher in der Ausbildung mit dem Fahrrad, sondern mit dem VW-Bus, wie Andrea Geßl erzählt. Bevor es für die Verbundzusteller auf Tour übers Land geht, heißt es morgens am Zustellstützpunkt in Leeder erst einmal Pakete einladen – und das sind häufig sehr viele. Das Sortieren und Einladen brauche also seine Zeit. „Glücklicherweise hat unsere Ladehalle ein Dach – woanders findet der ganze Vorgang unter freiem Himmel statt.“
Wegen des Scannergeräts, das von Hand bedient wird, seien Handschuhe unpraktisch. „Also geht man – vor allem bei so einer extremen Kälte – zwischendurch mal kurz rein, um die Hände aufzuwärmen“, berichtet Andrea Geßl. Sie und ihr Mann kleiden sich an frostigen Tagen gerne im „Zwiebellook“– lange Unterhosen, mehrere Pullover, Fleecejacken und Westen inklusive. Aber selbst mit all den Schichten und der Möglichkeit, immer wieder ins Auto zu steigen, krieche einem die Kälte „bis auf die Knochen“. Da sei man glücklich, wenn ein netter Kunde einem an der Tür einen heißen Kaffee anbiete, was laut Andrea Geßl tatsächlich immer wieder vorkomme.
Das eisige Frostwetter soll zumindest bis Samstag Bayern heimsuchen. In der Nacht zum Samstag seien dann am Alpenrand sogar Tiefstwerte von minus 25 Grad möglich, sagte ein Meteorologe. Dann soll der strenge Frost allmählich etwas abklingen.