Wenn Olivenöl gefälscht ist
Viele Waren halten nicht, was sie versprechen
Berlin Zäh tröpfelt grünliche Brühe ins Öl. Andreas Kliemant dreht den Tropftrichter weiter auf. Er braucht mehr. Mehr von dem billigen Gemisch, das er den Leuten als kostbares Olivenöl vorsetzt. Dass sie einfaches Salatöl zu sich nehmen, versetzt mit der Tunke aus geriebenem Spinat, Wasabi und Pfeffer – das merkt kaum jemand. Kliemant sagt: „Solange es Lebensmittel gibt, so lange gibt es auch Betrug.“Restaurants verkaufen billigen Pangasius als teure Seezunge, Wein ist mit Wasser versetzt und Honig mit Zucker, in der Haselnusstüte stecken günstigere Erdnüsse – eine gefährliche Falle für Allergiker. Beispiele gibt es viele.
Je mehr Ländergrenzen ein Produkt überquert, desto schwerer haben es die Kontrollbehörden. „Lebensmittelbetrug ist überall möglich, wo es sich lohnt“, heißt es beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Andreas Kliemant aber ist kein Betrüger. Der gelernte Tierarzt koordiniert am Amt die Suche nach gefälschten und verfälschten Lebensmitteln.
Was die Erlöse angeht, spielen die Betrüger aus Sicht der Behörde inzwischen in einer Liga mit Drogendealern und Menschenhändlern. Wie schwer es für Supermarktkunden ist, Betrug zu bemerken, das hat Kliemant auf der Agrarmesse Grüne Woche in Berlin deutlich gemacht. Besuchern setzte er drei kleine Becher mit Öl zum Kosten vor – zwei mit echtem Olivenöl, einen mit seinem gefälschten. Die Kreation mit Spinat und Wasabi hat Erfolg: „Die wenigsten finden es heraus.“
Im Ausland stießen Kontrolleure schon auf gefärbtes Chili, mit Gel aufgespritzte Garnelen und Kunststoffkörner in Reisbeuteln. Bio-Eier, die nicht bio waren, und Pferdefleisch in Lasagne – das gab es auch in Deutschland. Seit dem Pferdefleischskandal baut das Bundesamt den Bereich Lebensmittelfälschung aus, ein europaweites Netzwerk hat sich gebildet. Staatsanwaltschaften, Zoll und die Polizeibehörden Europol und Interpol sind eingebunden. „Zum Teil handeln hier Kriminelle in mafiösen Strukturen“, klagt der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde. Doch nicht jede Fälschung wird entdeckt, das Dunkelfeld ist groß.
Forscher nannten bereits eine jährliche Schadensumme von 10 bis 15 Milliarden Dollar für die US-Lebensmittelindustrie. Europol-Ermittler stellten vergangenen Winter in 57 Ländern mehr als 10 000 Tonnen und eine Million Liter gefälschte Lebensmittel sicher: gefärbte Oliven in Italien, Zucker mit Kunstdünger im Sudan und gepanschter Alkohol in Griechenland und Großbritannien. Für Käufer gibt es kaum Anhaltspunkte, Betrug zu bemerken. Der Chef des Bundesamtes für Verbraucherschutz, Helmut Tschiersky, rät zu Aufmerksamkeit: „Wenn eine Flasche hochwertiges Olivenöl etwa nur drei Euro kosten soll, stimmt wahrscheinlich etwas nicht.“Burkhard Fraune, dpa