Die Zeitreise des Roger Federer
Diese verdammte Zeit zurückzudrehen. Das wäre was. Der Wunsch, den Weltenlauf nachträglich zu beeinflussen, keimte schon in jedem auf. Meist mit weitaus profaneren Hoffnungen, als vor Naturkatastrophen zu warnen. Lottozahlen richtig zu tippen oder in der Führerscheinprüfung die Bremse zu finden, ist wünschenswert.
Der Sportfan sehnt überdies Schauspiele herbei, von denen er selbst keinen unmittelbaren Nutzen hat. Beckenbauer den Ball über das Feld schnibbeln lassen. Zusehen, wie Muhammad Ali durch den Ring tänzelt.
Am Sonntag bekommen Anhänger die seltene Möglichkeit, in die Vergangenheit zu reisen. Zwei der besten Tennisspieler aller Zeiten treffen im Finale der Australian Open aufeinander: Roger Federer und Rafael Nadal. Beide dominierten über Jahre das Welttennis. Beide schienen den Zenit ihrer Schaffenskraft überschritten zu haben. Während Sehnen und Muskeln des Spaniers den Anstrengungen seines kräftezehrenden Spiels Tribut zollen, ist die Eleganz des Schweizers der Wucht jüngerer Spieler nicht mehr gewachsen. Nadals letzter Grand-Slam-Titel liegt drei Jahre zurück, Federer gewann 2012 letztmals eins der wichtigsten Turniere. Andy Murray und Novak Djokovic enteilten den beiden.
Dieses eine Mal aber bekommen sie noch eine Chance. Murray und Djokovic scheiterten früh. Die Altstars griffen zu.
Dabei wähnten Experten die beiden schon kurz vor dem Karriereende. Bei Federer wurde befürchtet, er könnte den Absprung verpassen. Schließlich gilt es als erstrebenswert, die Laufbahn zu beenden, wenn es am schönsten ist. Allerdings ist wahrscheinlich, dass sowohl Nadal als auch Federer nichts mehr so sehr beherrschen werden wie den Tennisball. Also zaubern sie ihn weiter über das Netz. Die einhändige Rückhand des Schweizers ist immer noch so schön, dass nur gesellschaftliche Konventionen einen Heiratsantrag verhindern.
Wenn die Zeit schon mal zurückgedreht wird, gilt das selbstverständlich auch für die Frauen-Konkurrenz. Dort trifft die 35-jährige Serena Williams auf ihre ein Jahr ältere Schwester Venus. Die siegte letztmals 2008 bei einem GrandSlam-Turnier. Anschließend verlor sie ihre Form, erkrankte schwer, kämpfte sich zurück. Unerwartete Comebacks erfreuen Anhänger immer noch am meisten. Lassen an früher denken.
Durchschnittliche Duelle werden in der Erinnerung zu epischen Partien. Die Zeit verklärt jedweden Bereich. Im Winter lag drei Monate Schnee. Der Abstauber in der D-Jugend war ein sensationeller Fallrückzieher. Die alten Vorgesetzten waren sowieso viel besser. Wahr ist, was man glaubt.