Der Kaiser, der Seekrieg – und der Anfang vom Ende
In dem zu gestern nachmittag 3 Uhr zusammenberufenen Hauptausschuß des Reichstages wurde eine bedeutsame Entschließung der Regierung mitgeteilt, die unsere Seekriegführung von heute ab eine neue Grundlage gibt: Der uneingeschränkte U-Bootkrieg innerhalb von Sperrgebieten um England und Frankreich und im Mittelmeer um Italien. Der Reichskanzler begründete diese Maßnahme mit einer längeren Rede. Die Aussprache im Ausschuss wird heute vormittag um 10 Uhr fortgesetzt.
Nun also doch. Lange hatte die Oberste Heeresleitung (OHL) gedrängt, hatte gegen den Reichskanzler Bethmann-Holweg intrigiert, der die Gefahren viel realistischer einschätzte. Vergebens. Am
also titelt die mit den eingangs zitierten Sätzen. Die Militärs hatten
Zeitung Vossische
leichtes Spiel, den Kaiser auf ihre Seite zu ziehen. Der Beschluss war längst gefallen, nun ging es nur noch darum, ihn propagandistisch wirkungsvoll zu verkünden.
Gemessen an den Erwartungen, die man an die hochgerüstete Marine gesteckt hat, ist die deutsche Flotte ein Ausfall. Umso größer sind die Hoffnungen auf die U-Boote, die als neue Superwaffe gelten. Das Versenken aller Arten von Schiffen ohne Vorwarnung sollte die Versorgung Großbritanniens aus den USA kappen. In einem halben Jahr könne Großbritannien so zur Beendigung des Krieges gezwungen werden, sind die Militärs überzeugt. Das Unternehmen bleibt erfolglos. 5554 alliierte und neutrale Handelsschiffe werden versenkt. 187 deutsche U-Boote werden zerstört, mehr als 5000 Matrosen sterben. Und in Washington steigt der Druck auf Präsident Woodrow Wilson, der bislang alles unternimmt, um die USA doch noch aus dem Krieg herauszuhalten. In wenigen Wochen werden sich in den amerikanischen Häfen die Waren für Übersee stauen. Der Schaden für die Wirtschaft wird so groß, dass Wilson am Ende nur noch die Wahl bleibt, für wann er dem Deutschen Reich den Krieg erklärt.