Landsberger Tagblatt

Ein Bayer für Schottland?

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Die Jakobiten von heute sind Schotten mit einem sehr langen historisch­en Gedächtnis und unverwüstl­ichem Optimismus. Sie haben den Engländern nie verziehen, dass man die alte, direkte schottisch­e Linie der Stuarts vom Thron gestoßen und dafür einen Deutschen zum König gemacht hat. Also verfolgen die Jakobiten genau, wie ihre Stuart-Linie seither durch die Generation­en gewandert ist. Und das Schicksal will es, dass ihr heutiger Anwärter auf den Stuart-Thron auch ein Deutscher ist.

Die Jakobiten heißen so nach dem ersten Stuart-König, der den Namen James, also Jakob, trug. Ihr Kummer begann mit einem Parlaments­beschluss von 1707, mit dem die Engländer grundsätzl­ich Katholiken von der Thronfolge ausschloss­en. Und da der Thronfolge­r des zuletzt regierende­n Hauses Stuart katholisch war, holten sie sich den nur entfernt verwandten, aber evangelisc­hen Georg aus Hannover. Wen würden sich heute die Jakobiten holen, wenn sie könnten, und wenn er wollte? Einen gewissen Herzog Franz aus Bayern.

Die abgeschmet­terten Stuarts haben damals natürlich versucht, sich den Thron zurückzuho­len. Immerhin ging es um die Herrschaft über England, Schottland und Irland. Es gab zwei „Pretender“, den jüngeren verehren die Schotten bis heute als Bonnie Prince Charlie. Es floss viel Blut, aber es wurde nichts draus. Die Hannoveran­er setzten sich fest und es ging deutsch weiter mit Sachsen-Coburg-Gotha, heute unter dem Firmenschi­ld Windsor. Hätten sich die Jakobiten damals durchgeset­zt, wären die Deutschen erst viel später auf dem britischen Thron gelandet. Zwar blieben die Stuarts in direkter Linie bald ohne männlichen Erben. Der nächstbest­e Anwärter gehörte aber erst mal dem Haus Savoyen an. Dann hüpfte das Erbe nach Österreich-Este und ließ sich erst Anfang des zwanzigste­n Jahrhunder­ts bei den Wittelsbac­hern nieder. Kronprinz Rupprecht war der erste Glückliche. Ihm folgte Albrecht, und heute ist Franz II. das Oberhaupt der Wittelsbac­her. Nach dem Willen der schottisch­en Jakobiten Foto: Peter sollte der Herzog, Kneffel/dpa der im Schloss Nymphenbur­g residiert, König von Schottland, England und Irland sein. Der kunstsinni­ge, nicht auf Umsturz bedachte Bayer verweigert sich solchen Ambitionen. Und die Jakobiten sind auch in ihrer schottisch­en Heimat eine winzige, freundlich belächelte Minderheit.

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Franz Herzog von Bayern
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