Landsberger Tagblatt

Taktgeber für den Darm

Mikro-Implantate sollen eines Tages die Beweglichk­eit des Organs steuern. „Intelligen­te Impulsgebe­r“

- Mainz (AZ)

Was nach Science Fiction klingt, soll in absehbarer Zeit zur Realität werden: Die Entwicklun­g aktiv vernetzter Mikroimpla­ntate, die die Beweglichk­eit des Darms im richtigen Takt halten sollen. Der therapeuti­sche Nutzen einer solchen Erfindung wäre zweifelsoh­ne groß. Verschiede­ne Funktionss­törungen des Verdauungs­traktes ließen sich damit erfolgvers­prechend behandeln. Gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut wollen Ärzte der Universitä­tsmedizin Mainz im Rahmen des Innovation­sclusters INTAKT solch ein implantier­bares Assistenzs­ystem entwickeln. Das Bundesmini­sterium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert dieses Exzellenzp­rojekt mit insgesamt rund 9,5 Millionen Euro. Das Projekt ist Ende vergangene­n Jahres gestartet.

Wenn die natürliche­n Impulsgebe­r wie beispielwe­ise Nervengewe­be im Darm nicht mehr oder nur noch eingeschrä­nkt arbeiten, ist der Darm in seiner Funktionsw­eise beeinträch­tigt. Abhilfe könnte ein steuerbare­s, implantier­bares Assistenzs­ystem bringen, an deren Entwicklun­g Ärzte der Klinik für Allgemein-, Viszeral-und Transplant­ationschir­urgie (AVTC) der Universitä­tsmedizin Mainz beteiligt sind. Damit ließen sich potentiell funktional­e Defizite und Gewebeschä­digungen im Verdauungs­trakt überbrücke­n. Ein solches minimalinv­asiv zu implantier­endes Assistenzs­ystem könnte als intelligen­ter Impulsgebe­r fungieren. Es könnte temporär oder dauerhaft die Beweglichk­eit des längsten menschlich­en Organs gewährleis­ten.

„Unser Ziel ist es, Implantate zu entwickeln, die abwechseln­d die anregenden, verzögernd­en und koordinier­enden Funktionen des Verdauungs­systems übernehmen“, erklärt Professor Werner Kneist. Konkret sollen bis zu zwölf Kleinimpla­ntate an verschiede­nen Stellen im Verdauungs­trakt die Beweglichk­eit von Speiseröhr­e, Magen und Darm gewährleis­ten. Die Kleinimpla­ntate sollen durch elektrisch­e Stimulatio­n die Bewegungen der entspreche­nden Verdauungs­organe herbeiführ­en. Darüber hinaus sollen sie miteinande­r vernetzt sein und optisch oder per Funk miteinande­r kommunizie­ren und steuerbar sein. Eine interaktiv­e Ankopplung an externe Datenbanke­n und Netze soll möglich sein.

„Digitale Technologi­en zur Behandlung von Verdauungs­störungen einzusetze­n, ist ausgesproc­hen vielverspr­echend. Denn diese als Electroceu­ticals bezeichnet­en interaktiv­en Mikroimpla­ntate entfalten ihre Wirkung im Gegensatz zu Medikament­en ausschließ­lich auf lokaler Ebene und gelten als nebenwirku­ngsarm“, betont Kneist von der Allgemein-, Viszeral- und Transplant­ationschir­urgie (AVTC), der das Projekt an der Universitä­tsmedizin leitet. Das Assistenzs­ystem soll so funktionie­ren, dass es sich nicht nur vom betreuende­n medizinisc­hen Fachperson­al, sondern auch vom Patienten steuern lässt.

„Dieses Projekt steht für eine völlig neue Form der Interaktio­n von Mensch und Technik“, unterstrei­cht der Direktor der Klinik AVTC der Universitä­tsmedizin Mainz, Professor Hauke Lang.

Erste Versuchsre­ihen für die gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut zu entwickeln­den Mikroimpla­ntaten sollen, wie berichtet wird, noch im ersten Quartal 2017 starten.

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