Landsberger Tagblatt

„Das Alter ist für mich nur eine Zahl“

Philipp Kohlschrei­ber erzählt im Interview, welche Ziele er sich mit 33 Jahren setzt, wie er den deutschen Gegner im Davis-Cup einschätzt und warum er selten nach Augsburg kommt

- Kohlschrei­ber: Kohlschrei­ber: Kohlschrei­ber: Philipp Kohlschrei­ber 16. Saison TC Augsburg Siebentisc­h Belgien

Am Freitag gehen Sie in Ihre 18. Davis-Cup-Partie für den Deutschen Tennis Bund – und selten war das deutsche Team so schlagkräf­tig wie in Frankfurt am Main. Wie ist Ihr Gefühl vor der Erstrunden­partie gegen Belgien?

Kohlschrei­ber: Wir starten jetzt mit einem Heimspiel gegen einen Gegner, der auf dem Papier schlagbar erscheint. In den vergangene­n Jahren traf uns die Auslosung immer etwas unglücklic­h, wir hatten oft gleich ein Hammer-Los zum Auftakt. Ich finde, dass wir dieses Jahr eine gute Möglichkei­t haben, für mehr Aufsehen zu sorgen. Es hilft ja nichts, immer in der ersten Runde zu scheitern und dann in der Relegation den Platz in der Weltgruppe zu halten. Ich selbst durfte gleich in meinem ersten Davis-Cup-Jahr 2007 schon einmal ein Halbfinale mit unvergessl­icher Stimmung erleben. Das zu wiederhole­n, wäre sicher ein Traum.

Die Verletzung­en, die Sie im Vorjahr noch zurückgewo­rfen hatten, sind überstande­n?

Verletzung­en gehören eben dazu. Auch ich werde nicht jünger, habe einen gewissen Verschleiß. Letztes Jahr war der Ermüdungsb­ruch nach einem richtig guten ersten Halbjahr nur besonders bitter. Danach musste ich lange stillhalte­n und wusste auch nie so richtig, wann alles wieder ausgestand­en sein würde. Die Zeit ging etwas an die Nerven, weil ich bei meiner Spielweise doch sehr auf meine Fitness angewiesen bin. Aber schon die guten Ergebnisse Ende letzten Jahres und die intensive Saisonvorb­ereitung haben mir wieder Vertrauen in meinen Körper gegeben und jetzt denke ich eigentlich gar nicht mehr an die Verletzung.

Unabhängig von Blessuren und körperlich­en Wehwehchen – woran merken Sie an sich selbst, dass Sie inzwischen ein halbes Leben lang als ProfiTenni­sspieler unterwegs sind?

Ich versuche, es einmal von der anderen Seite her zu erklären: Das Schlimmste sind gerade neue Turniere, bei denen man sich noch nicht auskennt und man sich seiner eigenen Hilflosigk­eit schnell bewusst wird. Deswegen ist es schön, dass ich mich bei etlichen Turnieren rund um den Globus inzwischen bestens auskenne, bei denen ich weiß, wo ich mich befinde, wo das beste Hotel, das beste Restaurant ist – bei denen ich aber auch die ehrenamtli­chen Helfer, die die Turniere Jahr für Jahr organisier­en, kenne. Solche Wiedersehe­n mit Menschen, die sich so sehr für unseren Sport engagieren, freuen mich besonders.

Welche Ziele haben Sie sich für den Herbst Ihrer Karriere gesteckt?

Natürlich will ich immer Erfolge erreichen, die ich bislang noch nicht erreicht habe. Ein Halbfinale bei einem Grand-SlamTurnie­r oder noch mehr ist nach wie vor mein Traum, das steht außer Frage. Aber es wird auch nicht einfacher auf der Tour. In Melbourne hat man gesehen, dass Oldies wie Roger Federer oder Rafael Nadal immer noch auf Top-Niveau spielen. Dazu kommen junge talentiert­e Spieler nach. Deswegen macht es vielleicht Sinn, sich auch kleinere Ziele zu stecken: zum Beispiel, den jungen Spielern so lange es geht Paroli zu bieten oder noch viele gute auf großen Plätzen vor vielen Zuschauern zu spielen und diese unglaublic­he Atmosphäre auf den Center Courts so oft wie möglich aufzusauge­n.

Sie gehen in Ihre 16. Profisaiso­n. Wie lange wollen Sie selbst dem Tennis noch erhalten bleiben?

Kohlschrei­ber: Das Alter ist für mich ehrlich gesagt nur eine Zahl. Eigentlich fühle ich mich motivierte­r und stärker als vor fünf Jahren. Natürlich weiß ich, dass meine Karriere irgendwann zu Ende sein wird. Die Zeit bleibt ja auch für mich nicht stehen und, wenn man böse sein will, könnte man vielleicht auch sagen, dass ich mich an den letzten Strohhalme­n festhalte (lacht). Mir ist bewusst, dass meine Karriere mit einer weiteren größeren Verletzung sehr schnell zu Ende sein kann. Aber ich klopfe auf Holz und sage: Ich fühle mich aktuell so dynamisch wie selten zuvor, und wenn das so bleibt, habe ich eine realistisc­he Chance, noch vier oder fünf Jahre auf einem hohen Niveau zu spielen.

Gedanken über die Karriere nach der Karriere haben Sie sich also noch nicht gemacht?

Kohlschrei­ber: Sicherlich bestehen über Freunde in meinem Umfeld schon Kontakte, später einmal erste berufliche Erfahrunge­n außerhalb des aktiven Tennis sammeln zu können, sei es im Marketing- oder Online-Bereich oder auch als Trainer. Ich glaube, ich habe mich in den letzten Jahren schon persönlich weiterentw­ickelt, bin reifer und ruhiger geworden und könnte deswegen meine Erfahrunge­n aus vielen Jahren auf der Profi-Tour durchaus an jüngere Spieler weitergebe­n. Aber eigentlich lebe ich noch voll in meiner Sportlerka­rriere. Darüber, was danach kommt, lasse ich mich dann gerne überrasche­n.

Sie haben den „Maestro“bereits angesproch­en: Wie haben Sie das historisch­e Comeback von Roger Federer, der ja noch zwei Jahre älter als Sie ist, in Melbourne erlebt?

Kohlschrei­ber: Rogers Comeback war natürlich wie aus einem Drehbuch, das wünscht sich jeder. Ehrlich gesagt fand ich ihn in den ersten Runden in Melbourne gar nicht so überzeugen­d, aber auf einmal fing er an, Tennis wie von einem anderen Stern zu spielen. Dass er dieses Niveau dann bis zum Finale durchgezog­en hat, hat nicht nur mich, sondern wahrschein­lich die ganze Sportwelt sehr gefreut. Wir verstehen uns persönlich ja ohnehin gut, haben schon oft miteinande­r in der Schweiz trainiert. Da baut man schon eine gewisse Verbindung auf.

Das Gegenstück zum Oldie Roger Federer ist vielleicht Ihr aktueller DavisCup-Kollege Alexander „Sascha“Zverev. Wie schätzen Sie dessen kometenhaf­ten Aufstieg ein?

Kohlschrei­ber: Saschas Entwicklun­g spricht eigentlich für sich. Er ist für seine 19 Jahre schon unglaublic­h weit, das bestätigt ja allein sein Weltrangli­stenplatz 22. Ich glaube, er profitiert sehr von seinem profession­ellen Umfeld. Seine Familie nimmt ihm viel ab, sein Bruder Mischa, der jetzt auch fürs Davis-Cup-Team noMatches miniert ist, ist eine Art Aufpasser bei den Turnieren. Sascha ist auf dem besten Weg, vielleicht einmal in die großen Fußstapfen von Boris Becker und anderen großen deutschen Tennisspie­lern zu treten. Das kann man ihm nur wünschen. Er tut dem deutschen Tennis in jedem Fall sehr gut.

Zum Abschluss noch eine private Frage: Wann waren Sie eigentlich das letzte Mal daheim in Augsburg?

Kohlschrei­ber: Leider schaffe ich es nur nach Augsburg, wenn ich meine Familie besuche, zuletzt an Weihnachte­n. Wahrschein­lich muss ich meiner Mutter recht geben, wenn sie sagt, dass ich zu selten nach Hause komme. Aber ich bin eben viel unterwegs, habe meinen Lebensmitt­elpunkt in Österreich, wo ich mich sehr wohlfühle. Und nach langen Reisen bin ich auch manchmal ganz froh, ein bisschen Zeit für mich zu haben und die Füße hochlegen zu können, anstatt die komplette Familie abzuklappe­rn. Das verstehen sie auf jeden Fall. Aber natürlich verstehe es auch ich, wenn sich meine Eltern und Großeltern manchmal ein paar mehr Heimatbesu­che wünschen würden.

Die Fragen stellte Michael Prieler.

nimmt seine auf der ATP Profitour in Angriff. Der 33 Jährige, der beim mit dem Tennisspie­len begann, zählt zu den Stützen des deutschen Davis Cup Teams, das am Wochenende in Frankfurt auf trifft.

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Foto: afp Vor dem Duell im Davis Cup gegen Belgien gibt sich Philipp Kohlschrei­ber kämpferisc­h.

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