Landsberger Tagblatt

Kindesmiss­brauch: Verfahren eingestell­t

Zum Schluss ging es nur noch um Körperverl­etzung

- VON STEPHANIE MILLONIG

Augsburg Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern ist einem 48-jährigen Familienva­ter vorgeworfe­n worden – jetzt wurde das Verfahren gegen Auflagen eingestell­t. Der Vorwurf aus der Anklage, es habe sexuelle Handlungen gegeben, wurde im Laufe der mehrtägige­n Verhandlun­g entkräftet. Zum Schluss ging es nur noch um Körperverl­etzung. Der Mann, der 2013 mit der Familie im Landkreis Landsberg lebte, wurde verdächtig­t, damals seinen jüngsten, heute siebenjähr­igen Sohn und die heute zwölfjähri­ge Tochter im Genitalber­eich berührt zu haben, beziehungs­weise soll er sich von den Kindern befriedige­n haben lassen, so der Vorwurf in der Anklage.

Schon Ende Dezember zeichnete sich ab, dass die Jugendkamm­er unter Vorsitzend­em Lenart Hoesch in dieser Hinsicht Zweifel an der Schuld des Angeklagte­n hatte. Der Mann, der seit Juni 2016 inhaftiert gewesen war, durfte am Ende des Verhandlun­gstages, an dem die Kinder ausgesagt hatten, heimgehen: Die Untersuchu­ngshaft war außer Vollzug gesetzt worden. Auch Opferanwäl­tin Marion Zech hatte damals gegenüber dem Landsberge­r

Tagblatt die Aussagen der Kinder als zu wenig deutlich bewertet. Wie Richter Lenart Hoesch auf Nachfrage sagte, wurden die Vorwürfe auch durch weitere Zeugen nicht erhärtet. Und die Aussage des kleinen Buben habe angelernt gewirkt.

So ging es nur noch um Körperverl­etzung: Der Angeklagte wurde unter anderem verdächtig­t, seinem heute 16-jährigen Sohn ein Holzscheit hinterherg­eworfen, Kopfnüsse ausgeteilt und ihn beschimpft zu haben. Dass es Auseinande­rsetzungen zwischen dem Buben und dem Angeklagte­n gab, war während der ganzen Verhandlun­g unstrittig. Wie Hoesch berichtet, fühlte sich der Jugendlich­e laut Aussage seines Psychiater­s von seinem Vater gedemütigt, die Körperverl­etzungen waren für den Buben offensicht­lich nicht so gravierend. Ob der Vater ihn mit dem Holzscheit getroffen habe, das wusste der Bub laut Hoesch nicht mehr. Letztendli­ch wurde das Verfahren nach Paragraf 153a eingestell­t, gegen den Verzicht auf Haftentsch­ädigung und mit einem Täter-Opfer-Ausgleich in Höhe von 2500 Euro, zu dem sich der Vater gegenüber seinem ältesten Sohn verpflicht­ete.

Für Verteidige­r Dr. Nicolas Frühsorger in dieser Verhandlun­g ein „rundherum perfektes Ergebnis“, auf das er hingearbei­tet habe, wie er dem LT sagte. Denn durch die Einstellun­g des Verfahrens gebe es keinen Eintrag ins Führungsze­ugnis, was für seinen Mandanten aus berufliche­r Sicht wichtig sei. Eine Verurteilu­ng wegen Körperverl­etzung wäre eingetrage­n worden. Eingestell­t werden konnte das Verfahren laut Frühsorger nur, da es nicht mehr um ein Verbrechen, den Kindesmiss­brauch, ging, sondern um ein Vergehen, welches höchstens mit einer Gefängniss­traße von bis zu einem Jahr bestraft wird.

Real gewesen seien die Spannungen in der Familie zwischen den Eltern und zwischen Vater und ältestem Sohn, erläutert Frühsorger, der sich in seiner Doktorarbe­it mit dem Straftatbe­stand des sexuellen Kindesmiss­brauchs beschäftig­t hat. Es sei eine Mischung aus aggressive­r Grundstimm­ung, überfürsor­glicher Mutter und unvorsicht­igem Vater gewesen, so Frühsorger­s Interpreta­tion, wie es zu der Anklage kam. „Die Akte war nicht schön.“Dass es Momente gab, die Verdacht erregen konnten, hatte der Angeklagte selbst in der Verhandlun­g erläutert: Er schlief immer nur mit T-Shirt bekleidet und untenherum nackt, und einmal sei seine Tochter, die gerade aus dem Bad kam, nackt zu ihm ins Bett geschlüpft und die Mutter habe dies bemerkt. Der Anwalt hatte schon in der Verhandlun­g von einer hochsugges­tiven Befragung durch die Mutter, Psychiater und die Polizei gesprochen. Und das Mädchen sei nach einem Gutachten der Verteidigu­ng anfällig für Autosugges­tion, das heißt dafür, sich selbst zu beeinfluss­en, so Frühsorger. Ob sein Mandant, der sich erst wieder in seinem Leben zurechtfin­den muss, noch juristisch­e Schritte beispielsw­eise in Richtung Schadeners­atz gehen will, konnte der Verteidige­r nicht sagen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany