Echt gefälscht
Seit 40 Jahren kürt die Aktion Plagiarius besonders dreiste Produktfälschungen. Im Interview spricht Geschäftsführerin Christine Lacroix über eine Branche, die im Verborgenen agiert – und Millionenschäden verursacht
Seit 40 Jahren kämpft Plagiarius gegen Produktpiraterie, insgesamt 400 Plagiate haben Sie in dieser Zeit mit dem gleichnamigen Schmähpreis ausgezeichnet. Gibt es denn nach so langer Zeit überhaupt noch Arbeit für Sie?
Christine Lacroix: Ja, leider schon. Durch die Globalisierung und das Internet ist das Problem noch einmal größer geworden. Mittlerweile hat es enorme Ausmaße angenommen. Das sieht man auch, wenn man sich die Zollstatistiken anschaut: Allein 2015 hat der Zoll mehr als 40 Millionen sogenannte „rechtsverletzende Produkte“im Wert von 650 Millionen Euro beschlagnahmt. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn auch der Zoll kann ja nur einen kleinen Teil aller Container und Sendungen öffnen.
Sind die Plagiatoren heute dreister als vor 40 Jahren?
Mittlerweile werden nicht mehr nur einfache Konsum- und Luxusgüter wie Kleidung, Taschen oder Parfüms nachgemacht, sondern auch technisch komplexe Geräte und Maschinen. Der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer führt zum Beispiel alle zwei Jahre eine Mitgliederbefragung durch, die zeigt, dass die Branche sehr, sehr stark betroffen ist. Die meisten Kopien kommen dabei aus China, rund ein Viertel wird aber tatsächlich von anderen deutschen Firmen kopiert.
Die Fälscher sind also überall?
Lacroix: Ja. Wenn man sich unsere Preisträger anschaut, dann sieht man, dass es ein branchenübergreifendes Problem ist. Da ist Kinderspielzeug dabei, Produkte aus der Sanitärbranche, aber auch Motorsägen, Druckmessgeräte oder Notfallbeatmungsgeräte. Da kann es dann natürlich richtig kritisch werden.
Inwiefern?
Es entsteht nicht nur ein Schaden für den Originalhersteller, sondern es kann auch gefährlich für den Anwender werden. Bei einer Motorsäge, die bei uns eingereicht wurde, war zum Beispiel schon in der Verpackung der vordere Handschutz abgebrochen. Es gibt aber auch versteckte Gefahren: Bei einer gefälschten Waschtischarmatur, die nur ein Zwanzigstel des Originals gekostet hat, hatte der Hersteller billige Bleirohre verwendet. Bei jedem Händewaschen, jedem Zähneputzen haben die Käufer also erheblich erhöhte Bleiwerte zu sich genommen – ohne es zu merken. Daran sieht man: Oftmals wird nicht nur an den Entwicklungskosten, sondern auch am Material und den Sicherheitskontrollen gespart. Das Auf dem ersten Platz für den Negativ preis Plagiarius, der am Rande der Konsumgütermesse „Ambiente“in Frankfurt verliehen wurde, landen die Kopien der Roll Hundeleine „Flexi Explore L“. Statt des Qualitätspro dukts der Firma Flexi Bogdahn aus dem norddeutschen Bargteheide wurden in den USA über anonyme On linehändler minderwertige Fälschun gen verkauft. Weil unter anderem die Aufrollmechanik nicht funktionierte, setzte es schlechte Bewertungen in Por talen und damit einen erheblichen Reputationsverlust für den nichts ahnenden Hersteller. (dpa) ist das Prinzip der Fälscher: mehr Schein als Sein.
Ein Prinzip, mit dem sich offenbar sehr viel Geld verdienen lässt.
Es ist sogar sehr lukrativ. Die Fälscher können sich die teuren Forschungs- und Entwicklungskosten sparen. Kosten fürs Marketing fallen meist auch nicht an, da sich Plagiatoren ja oft Produkte suchen, für die es bereits Werbematerial gibt, das dann einfach nachgemacht wird. So können entsprechend große Gewinne abgeschöpft werden. Das Internet erleichtert vielen Plagiatoren die Arbeit enorm. Sie können dort ungehindert Fotos oder Produktinformationen kopieren. Dazu kommt: Die Strafen sind noch immer sehr gering. Fälschern können zwar bis zu fünf Jahren Haft drohen, das wird aber in der Praxis selten gemacht. Was können Verbraucher tun, um gar nicht erst auf solche Fälscher hereinzufallen?
Sie sollten zuallererst Nein zu ganz offensichtlichen Fälschungen sagen und keine gefälschten Schuhe oder Handtaschen aus dem Urlaub mitbringen. Denn solange die Nachfrage nach diesen Produkten besteht, werden sie auch weiter hergestellt. Für alle anderen gilt: Sie sollten sich genau über ein Produkt informieren und vor allen Dingen im Internet nicht vorschnell zuschlagen. Stattdessen sollten sie genau hinschauen: Ist der Preis unrealistisch günstig? Gibt es auf der Internetseite ein Impressum? Sind die Zahlungsbedingungen seriös? Manchmal hilft es auch schon, einfach eine kurze E-Mail mit einer Nachfrage an den Anbieter zu senden. An der Antwort sieht man oft schon, ob ein Händler vertrauenswürdig ist.
Interview: Sarah Schierack
Steht Dexko vor dem Verkauf?
Offenbar gibt es in den USA Überlegungen, den weltweit größten Hersteller von Anhängerachsen etwa für Reisemobile und leichte Nutzfahrzeuge ganz oder zum Teil zu veräußern. Das schlägt bis in die Region Wellen. Denn in dem Unternehmen Dexko global (Umsatz: 1,1 Milliarde US-Dollar) ist vor gut einem Jahr Alko Fahrzeugtechnik aufgegangen. Allein im Kreis Günzburg gibt es 850 Beschäftigte. Harald Hiller, der mit an der Spitze von Dexko steht, wollte mögliche Verkaufs-Diskussionen nicht kommentieren. Entwarnung gab er dennoch: „So etwas hätte auf das operative Geschäft bei uns keinerlei Einfluss.“
Piëch lehnt Aussage vor Untersuchungsausschuss ab
Der frühere VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch will nicht vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zum VW-Skandal aussagen. Er werde auf das „Angebot einer öffentlichen Anhörung vor einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages nicht eingehen“, ließ Piëch mitteilen. Angesichts neuer Anschuldigungen im VW-Skandal wollen Linke und Grüne den früheren Aufsichtsratschef als Zeugen im Untersuchungsausschuss vorladen. Eine Vernehmung Piëchs wurde offenbar von den Oppositionsfraktionen beantragt. Der Ausschuss musste darüber noch entscheiden. Piëch soll laut Medienberichten zuvor in Befragungen Anschuldigungen gegen mehrere VW-Aufsichtsräte und ExVorstandschef Martin Winterkorn erhoben haben.
Verbraucher sollten sich genau über ein Produkt informieren Der erste Platz des Schmähpreises