Blasmusik aus einem Guss
Zukunft Stadtkapelle stellt Antrag auf Zusammenlegung mit der Stadtjugendkapelle. Nun entscheiden die Politiker
Landsberg Bei den Europatagen der Musik im Juli wird die Stadtkapelle Landsberg mit der Pro-Musica-Plakette für 100-jährige Tradition ausgezeichnet. Doch die Zukunft des musikalischen Aushängeschilds der Stadt ist mehr als ungewiss. Das Tischtuch zwischen Stadtjugendund Stadtkapelle ist wohl endgültig zerschnitten, eine Zusammenlegung schriftlich von der einen Seite (Stadtkapelle) beantragt, von der anderen (Stadtjugendkapelle) abgelehnt. Jetzt muss die Politik die Zukunft der Landsberger Blasmusikszene regeln. Das wird sie tun, und zwar bereits in der Stadtratssitzung am Mittwoch, 22. Februar.
Für die aktuelle Situation der Stadtkapellen macht der Geschäftsführer des Bayerischen Blasmusikverbands und langjähriger Kenner der Landsberger „Szene“, Andreas Horber, viele Gründe aus, die er gegenüber dem Landsberger Tagblatt als „außergewöhnlich“beschreibt. Er habe an einem Treffen zwischen Dirigenten und Geschäftsführern der beiden Orchester als neutraler Beobachter teilgenommen. Sein niederschmetternder Eindruck: „Die Stadtjugendkapelle sieht sich als eigenständiges Orchester, das keinerlei Bezug zur Stadtkapelle und kaum Interesse an einer Zusammenarbeit zu haben scheint.“Dabei seien beide Orchester nicht etwa eigenständig, sondern Einrichtungen der Stadt und werden auch von dieser finanziert. Bezeichnend und bedauerlich zugleich sei zudem, dass in der Stadtjugendkapelle laut deren Aussagen weniger als die Hälfte der Musiker überhaupt aus Landsberg stammt beziehungsweise dort lebt. Bedauerlich deswegen, so Horber, da die Stadt Landsberg das Potenzial für eine starke Stadtkapelle und zudem zwei bis drei Nachwuchsorchester habe.
Die Wirklichkeit ist eine andere. Aufgrund einer Satzungsänderung im Jahr 2002 „löste sich“die Jugendkapelle in eine Eigenständigkeit ab. Die Stadtkapelle hatte ihre Versorgungslinie für musikalischen Nachwuchs verloren. „In den vergangenen zehn Jahren kamen gerade mal zehn Musiker, allerdings erst mit zeitlichem Verzug, zu uns“, berichtet Dr. Aaron Wiedner, Geschäftsführer der Stadtkapelle. Die Situation habe sich immer mehr zu- gespitzt. Nun sei ein Punkt erreicht, wo durch extreme Besetzungsprobleme die Gefahr bestehe, unter anderem die im Sommer anstehenden Konzerte bei Stadtfest und Europatagen der Musik nicht mehr in ausreichender Qualität leisten zu können. Daher beantragte die Stadtkapelle jetzt schriftlich bei der Stadt die Zusammenführung der beiden Klangkörper, die von der Jugendkapelle, ebenfalls vor wenigen Tagen, nach anfänglicher Offenheit für eine Zusammenarbeit, abgelehnt wurde.
Ein Unding, befindet Andreas Horber, der von OB Mathias Neuner um eine Expertise gebeten wurde. „Die Orchester dürfen sich nicht gegenseitig Konkurrenz machen, sondern müssen sich ergänzen.“Horber, der seine Stellungnahme nicht in beruflicher Funktion, sondern als langjähriger Beobachter der Landsberger Blasmusikszene abgab, empfindet es als befremdlich, wenn aufgrund der momentanen Situation die Stadtkapelle „als Bittsteller“bei der Jugendkapelle um Musiker nachfragen müsse. Er sieht eine Fusion als geeigneten Schritt, vor allem, da die Zeit dränge, die allerdings mit einer geeigneten Struktur hinterlegt werden müsse.
Von Vorteil sei, dass mit der Singund Musikschule eine Ausbildungsstätte für musikalischen Nachwuchs ebenfalls in städtischer Verantwortung stehe. Die müsse ebenfalls eine starke Rolle spielen. Durch eine neue gemeinsame Struktur könne dann wieder eine Durchlässigkeit zwischen den Orchestern gewährleistet werden. Eine besondere Rolle schreibt Horber dem oder den Dirigenten zu. Er sieht zwei mögliche Ansätze: „Entweder alle Orchester werden von einem Dirigenten geleitet, oder der Dirigent des Hauptorchesters, der Stadtkapelle, ist künstlerischer Leiter. Die Dirigenten der Nachwuchsorchester kommen aus den Reihen der Stadtkapelle und führen quasi als Jugendleiter die Proben und Auftritte der Nachwuchsorchester.“
Für die aktuelle Landsberger Situation sieht er neben strukturellen Defiziten aber auch die handelnden Personen ursächlich. Er wisse aus langjähriger Erfahrung um deren besondere Befindlichkeiten und empfiehlt daher der Stadt einen kompletten Neuanfang unter einer neuen musikalischen Leitung. Die Stelle sollte öffentlich ausgeschrieben werden, meint Horber im Gespräch mit dem LT, und könnte zum Beispiel durch Vor-Dirigieren wieder besetzt werden – so, wie es andernorts bei den meisten größeren Blaskapellen Usus sei.
Martin Heller, der Dirigent der Stadtkapelle, hat den Weg durch seinen Rücktritt im Januar frei gemacht. Der bisherige Jugenddirigent Hans-Günter Schwantzer könnte sich ja ganz normal um den Posten bewerben, befindet Dritter Bürgermeister Axel Flörke, der sich des Konflikts in vielen, für ihn oft zermürbenden Gesprächs- und Vermittlungsrunden angenommen hatte: „Wir haben zwei Jahre diskutiert, und ich bin froh, wenn das jetzt zu einem Ende kommt.“
Er hat alle Aspekte, Erkenntnisse und Expertisen zusammengefasst und eine Sitzungsvorlage für die Stadtratskollegen ausgearbeitet, die nun am 22. Februar über den Beschlussvorschlag entscheiden müssen.